Krieg

[660] Krieg, der Zustand gewaltsamen Kampfes zwischen Staaten, Völkern oder Parteien eines Staates, ein bei zivilisierten Nationen besonders schwerwiegender Ausnahmezustand dadurch, daß die Tötung von Menschen im K. erlaubt und sogar geboten ist. Diese Härte und das momentan mit jedem K. verbundene Elend hat zu dem schweren kulturgeschichtlichen Irrtum geführt, den K. eben nach jenem Elend zu bewerten, anstatt ihn als einen genetischen Prozeß in der jahrhundertelangen Entwickelung der Völker zu beurteilen (vgl. Friede). Große Kriege bezeichnen die bedeutenden Wendepunkte im Leben der Völker. Abgesehen vom Bürgerkrieg, dem K. zwischen den Parteien eines Staates, unterscheidet man Volks- und die früher häufigen Kabinettskriege, je nachdem ein K. für die Interessen eines ganzen Volkes oder der persönlichen Interessen eines Fürsten wegen geführt wird. Letztere sind heutzutage wegen der tatsächlich beschränkten Fürstengewalt im modernen Kulturstaat und der durch die heutige Waffen- etc. Technik unabsehbaren Folgen des Krieges undenkbar. Nach ihrer Veranlassung nennt man die Kriege Eroberungs-, Religions-, Erbfolge-, Handels-, Unabhängigkeitskriege etc. Nach der Art der Kriegführung unterscheidet man Angriffs- (Offensiv-) und Verteidigungs- (Defensiv-) Kriege, bei welch letztern der Kriegführende sehr wohl in den einzelnen Schlachten etc. der Angreifer sein kann und umgekehrt. Positions- oder Stellungskrieg nennt man die Art der Kriegführung, die durch die Behauptung von starken Stellungen die Entscheidung hinzuhalten bestrebt ist, statt entscheidende Schlachten zu suchen. Unter großem K. versteht man das Verwenden möglichst starker Streitkräfte zur Vernichtung des Gegners; unter kleinem K. (Parteigänger-, Guerillakrieg etc.) das Auftreten kleiner Truppenabteilungen (fliegender Korps etc.), die, getrennt vom Hauptheer, in Flanke und Rücken des Feindes demselben möglichsten Abbruch tun. Nach dem Ort, wo der K. geführt wird, dem Kriegsschauplatz oder Kriegstheater, und den Objekten, um deren Besitz es sich dabei handelt, ist der K. entweder Land- oder Seekrieg, Gebirgskrieg, Küstenkrieg, Festungskrieg oder Feldkrieg. Der Zweck eines Krieges, der Entscheidung bringen soll (was durchaus nicht immer das nächstliegende Ziel zu sein braucht), ist die Wehrlosmachung des Feindes durch den Sieg über seine Streitkräfte und durch Eroberung des Landes. Die Art, wie der K. zu führen ist, richtet sich nach der politischen Lage, dem Verhältnis der beiderseitigen Kräfte, der Beschaffenheit des Kriegsschauplatzes, der Jahreszeit etc. Der Kriegsplan, der nur den ersten Aufmarsch und die ersten Bewegungen bearbeiten, nicht aber das Weitere vorbereiten kann, da dies vom Verhalten des Feindes abhängt, verfügt im weitesten Umfang über die Kriegsmittel des Staates, also die organisierte Kriegsmacht, d. h. das Kriegsheer und die Kriegsmarine, sowie die sonstigen Hilfsquellen des Staates an Geld, Verkehrsmitteln, Arbeitskräften, Pferden, Produkten etc. Die Eröffnung des Krieges erfolgt mit oder ohne Kriegserklärung (s. d.). Die Kriegführung (s. Kriegskunst) selbst ist dann Sache des Feldherrn (wenn möglich, der Fürst selbst). Vgl. auch die Artikel »Kriegskunst, Kriegsrecht, Kriegsverluste, Kriegswissenschaften, Strategie« und die dort angeführte Literatur.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 660.
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