Strategīe

[105] Strategīe (griech., von stratós, Heer), Feldherrnkunst. Eine einwandfreie und erschöpfende Definition für S. gibt es zurzeit überhaupt nicht und wird sich auch kaum finden lassen, weil in der Praxis S. und Taktik (s. d.) vielfach ineinander übergreifen und sich dauernd zwingend beeinflussen, z. B. auf dem Gebiete der Märsche. Am kürzesten und dabei doch für die meisten Fälle ausreichend ist die Wiedergabe von S. mit Kriegführung oder wohl auch Heeresleitung. Die S. erhält ihre Leitpunkte von der Politik (s. d. sowie Artikel »Krieg«) vorgeschrieben; sie selbst bereitet die Operationen der Heere vor, leitet sie bis zum Zusammenstoß mit dem Feinde sowie nach dem Zusammenstoß. Auf dem Schlachtfelde tritt die Taktik in den Vordergrund, wenngleich auch für Schlachtanlage und -Durchführung strategische Gesichtspunkte überaus wichtig sind. In das Gebiet der S. fällt ferner die Lehre von den rückwärtigen Verbindungen (s. Etappe); diese dienen der Erhaltung der Schlagfertigkeit des Heeres. Wohl sind die Grundsätze der S. einfach und auch dem Laien einleuchtend (Moltke: »Die S. ist die Anwendung des gesunden Menschenverstandes auf die Kriegführung«), aber ihre Anwendung unter den erschwerenden Verhältnissen des Ernstfalles stellt an Wissen und Können wie insbes. an den Charakter des Feldherrn die höchsten Anforderungen. So kommt es, daß die S. in ihrer Ausübung sich nicht als eine Wissenschaft, sondern als eine Kunst darstellt, deren Meister die Geschichte nicht viele aufweist. – Über strategischen Aufmarsch s. Aufmarsch, strategische Ausstellung s. Ausstellung. Vgl. auch die Artikel »Defensive«, »Offensive«, »Einheit« (S. 453; hierzu ist zu bemerken, daß in der Gegenwart unter »strategischer Einheit« in der Regel das Armeekorps, die Reservedivision und die Kavalleriedivision verstanden wird, während Schlachteneinheit meist die Infanteriedivision bezeichnet), »Generalstab«, »Kriegsspiel«, »Kriegskunst«, »Stützpunkt«. – Die Literatur über S. ist ungemein reich; nur die wichtigsten neuern Erscheinungen seien angeführt: v. Clausewitz, Vom Kriege (5. Aufl., Berl. 1905); v. Blume, Strategie (2. Aufl., das. 1886); v. Scherff, Von der Kriegführung (das. 1883) und Die Lehre vom Kriege (das. 1897); Prinz Kraft zu Hohenlohe-Ingelfingen, Strategische Briefe (das. 1887, 2 Bde.); Jähns. Geschichte der Kriegswissenschaften (Leipz. 1889–92, 3 Bde.; besonders das Nachwort); v. Schlichting, Taktische und strategische Grundsätze der Gegenwart (Berl. 1897–99, 3 Tle.); v. Boguslawski, Betrachtungen über Heerwesen und Kriegführung (das. 1897); v. d. Goltz, Das Volk in Waffen (5. Aufl., das. 1899) und Krieg- und Heerführung (das. 1901); v. Caemmerer, Die Entwickelung der strategischen Wissenschaft im 19. Jahrhundert (das. 1904); Bronsart v. Schellendorff, Der Dienst des Generalstabes (4. Aufl., das. 1905); v. François, Feldverpflegungsdienst bei den[105] höhern Kommandobehörden (Berl. 1904–06, 2 Tle.); v. Verdy du Vernois, Studien über den Krieg, 3. Teil: Strategie (das. 1902 ff.); »Studien zur Kriegsgeschichte und Taktik« (das., seit 1901) und »Vierteljahrshefte für Truppenführung und Heereskunde« (seit 1904), beide herausgegeben vom preußischen Großen Generalstab; Jomini, Précis de l'art de guerre (Par. 1830, 2 Bde.; deutsch, Dresd. 1881); Oman, A history of the art of war (Lond. 1898); Maude, Die Entwickelung der modernen S. (a. d. Engl. von Nestler, Leipz. 1907).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 105-106.
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