Wissenschaft

[695] Wissenschaft, zunächst das Wissen selbst als Zustand des Wissenden, sodann der Inbegriff dessen, was man weiß; im engern und eigentlichen Sinne der vollständige Inbegriff gleichartiger, systematisch, also nach durchgreifenden Hauptgedanken, geordneter Erkenntnisse. Diese an sich bilden den Stoff, die Materie einer bestimmten W.; durch die systematische Form wird er zum wissenschaftlichen Gebäude (Lehrgebäude), das, regelrichtig und den Gesetzen der Logik gemäß ausgeführt, System (s. d.) heißt. Je nachdem bei einer W. entweder mehr ihre Begründung oder ihre Anwendung in Betracht kommt, unterscheidet man reine und angewandte W.; je nachdem das Wissen, das deren Stoff ausmacht, durch Induktion oder Deduktion gewonnenes, reales oder formales, Erfahrungs- oder philosophisches ist (vgl. Wissen), werden die Wissenschaften selbst in induktive und deduktive, oder Real- und Formal-, oder Erfahrungs- und philosophische Wissenschaften eingeteilt. Aber nirgends stehen die einzelnen Wissenschaften so getrennt voneinander, daß nicht ein Eingreifen der einen Art in die andre möglich, ja sogar notwendig wäre; einzelne Wissenschaften bestehen sogar nur in dieser Vermischung (gemischte Wissenschaften). Eine Klassifikation der Wissenschaften ist häufig (z. B. von Bacon in dessen »Globus intellectualis«, von d'Alembert in der »Einleitung zur Enzyklopädie«, von Comte in seinem »Cours de philosophie positive«, neuerdings hauptsächlich von Spencer und Wundt) versucht, jedoch durch den Fortschritt der Erkenntnis (insbes. der Erfahrung) immer wieder als unzureichend befunden worden. Der Versuch, das gesamte menschliche Wissen überhaupt nach seinen verschiedenen Richtungen und Gegenständen als ein geordnetes System darzustellen, führt zum Begriff einer systematischen Enzyklopädie oder Wissenschaftskunde (s. Enzyklopädie).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 695.
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