[30] Festung heißt ein Ort, welcher so angelegt ist, daß er gegen feindliche Anfälle leicht vertheidigt werden kann.
Schon in den ältesten Zeiten suchte man durch Anlagen verschiedener Art, namentlich durch Mauern mit Thürmen und Gräben, auch wol durch Erdwälle die bewohnten Orte vor plötzlichen Überfällen der Feinde sicher zu stellen. Fast alle Städte des griech. und röm. Alterthums waren in dieser Weise befestigt. Auf ähnliche Weise befestigte man auch im Mittelalter die Städte, und die Ritter besaßen in ihren Burgen um so festere Plätze, je leichter es ist, einen kleinen schwer zugänglichen Raum zum Wohnorte für wenige Menschen zu benutzen. Nachdem die Zeit des Faustrechts vorüber, während welcher sich eigentlich Alle in fortwährendem Kriegszustande, oder doch in bewaffneter Neutralität einander gegenüber befanden, und besonders nachdem eine neue Art der Kriegführung aufgekommen, wurden die Burgen zerstört und die Befestigungen der Städte mehr und mehr vernachlässigt. Der Gebrauch der Schießgewehre, namentlich des schweren Geschützes, machte die alte Art der Befestigung durch Mauern und Gräben völlig unnütz, und es mußte an eine neue beiweitem künstlichere und kostbarere Befestigungsart gedacht werden. So sind allmälig die Befestigungen der gewöhnlichen Städte gänzlich abgekommen, die Mauern niedergerissen, die Gräben ausgefüllt, zum Theil in öffentliche Spaziergänge verwandelt worden, und dagegen haben die Staaten nur einzelne, besonders durch ihre Lage begünstigte, oder wegen ihrer Lage besonders wichtige Städte mit den neuerfundenen künstlichern Festungswerken umgeben.
Man unterscheidet diese Festungen nach ihrer Größe in Festungen des ersten, zweiten, dritten u.s.w. Ranges. In der Nähe größerer Festungen werden oft noch, um einzelne wichtige Punkte zu behaupten, kleine, aber besonders feste Plätze angelegt, welche ein selbständiges Ganze ausmachen. Diese heißen Castells oder Forts. Ebenso befestigt man einzelne Punkte im Innern der Festungen noch besonders, namentlich um in ihnen eine letzte unnehmbare Zuflucht im Fall der Noth zu finden, die Citadellen. Bei den neuen Festungen machen den Hauptbestandtheil der Befestigungswerke zwar noch Wälle und Gräben aus (bloße Mauern können den Kanonen nicht widerstehen), aber dieselben sind so angebracht, daß von ihnen aus nicht allein die Angriffe des Feindes zurückgewiesen werden können, sondern auch jeder Punkt derselben von andern Punkten der Befestigungswerke selbst gedeckt, d.h. beschossen (bestrichen) werden kann, damit, wo der Feind auch den Angriff machen möge, der angegriffenen Stelle von den Seiten aus Hülfe geleistet werden könne, und daß überdies, wenn es [30] dem Feinde auch gelungen wäre, einen Theil der Befestigungswerke zu erobern, er doch darum noch nicht die ganze Festung habe, sondern nun selbst von andern Befestigungswerken aus angegriffen werden könne. Um diesen angegebenen Zweck aufs Beste zu erreichen, hat man verschiedene Befestigungsarten ausgeführt, welche sich wesentlich voneinander unterscheiden und welche die Festungsbaukunst (Fortificationskunst, Befestigungskunst) lehrt. Die gesammten Festungswerke, welche zunächst rings einen Ort umgeben, werden die Enceinte (Umfassung) genannt. Diese besteht wesentlich aus dem Hauptwalle, der Brustwehr (hinter welcher auf dem Hauptwalle die Vertheidiger und das schwere Geschütz aufgestellt sind), dem Wallgange (hinter der Brustwehr auf dem Walle) und dem Hauptgraben vor dem Walle. Der Graben ist entweder mit Wasser angefüllt: naß, oder nicht: trocken. Im Allgemeinen werden nun diese Werke so um den zu befestigenden Ort herumgeführt, daß sie ein Vieleck bilden, welches sich jedoch in seiner Gestalt durchaus nach der Beschaffenheit des Grundes und Bodens richtet. Jede Befestigung, welche nämlich durch die Natur selbst dargeboten wird (ein Fluß, ein Sumpf und dergl.), muß benutzt werden. Einzelne Theile der Enceinte springen in bestimmten Abständen und namentlich da, wo eine Ecke des Vielecks ist, vor, um zur Bedeckung der Seiten zu dienen. Diese Vorsprünge heißen Bollwerke oder Basteien, und sind entweder im Innern hohl oder voll, mit Erde ausgefüllt. Außerhalb des Grabens geht um die ganze Enceinte eine Brustwehr herum, welche nach dem Felde von oben ab sich flach verläuft. Diese ist das Glacis und hinter ihm nach dem Graben zu ist ein Gang, der bedeckte Weg, welcher an sich verschiedenen Orten zu Sammel-, Waffen- oder Lärmplätzen erweitert. Hier versammeln sich die Krieger unbemerkt vom Feinde, sobald es gilt, einen Ausfall zu machen.
Außer den hier angegebenen gibt es nun noch eine große Menge anderer Befestigungswerke, welche theils mit dem Hauptwalle in Verbindung stehen, theils von ihm getrennt sind. Alle innerhalb des Hauptgrabens liegende, vom Hauptwalle zwar getrennte, aber doch noch von ihm vertheidigte Werke werden Außenwerke, alle aber nicht vom Walle aus, sondern durch sich selbst vertheidigte Werke: äußere Werke genannt. Man unterscheidet ferner noch vereinzelte oder detachirte Werke, die ganz abgesondert liegen und zurückgezogene oder retirirte Werke, die sich innerhalb eines andern Werkes befinden. Die Thore werden bei einer Festung in möglichst geringer Anzahl angelegt und besonders befestigt. Über den Graben führt von ihnen aus eine Zugbrücke, die nicht nur tu Kriegszeiten, sondern bei Nacht auch während des Friedens aufgezogen zu werden pflegt. Sehr gern legt man Festungen an Flüssen an, weil diese eine natürliche Schutzwehr bilden. Dann kommt es aber darauf an, die Herrschaft über den Fluß zu behalten, die über ihn führende Brücke nicht in Feindes Hand kommen zu lassen. Daher legt man am jenseitigen Ende der Brücke ein Befestigungswerk, einen sogenannten Brückenkopf, an. Zum Aufenthalt der Soldaten und zur Aufbewahrung der Munition, der Lebensmittel, des Geschützes u.s.w. müssen besondere bombenfeste Bauten vorhanden sein. Die Soldaten wohnen in den Casernen (s.d.), und als Aufbewahrungsorte dienen die Casematten oder Casamatten, Gewölbe unter oder in den Hauptwerken der Festung. Die Truppen, welche einer Festung zur Vertheidigung dienen, heißen die Besatzung derselben und stehen unter dem Befehle des Commandanten. Damit die Festung längere Zeit dem Feinde Widerstand leisten könne, muß sie eine hinreichende Besatzung haben, mit Lebensmitteln hinlänglich versorgt (verproviantirt) sein, genug Munition haben und mit Wasser versehen sein, welches ihr nicht abgeschnitten werden kann. Kann oder will sich eine Festung nicht mehr halten, so capitulirt sie, d.h. sie unterhandelt mit dem Feinde über die Bedingungen, unter denen ihm die Festung übergeben werden soll. Die Festungen sind in der Kriegsführung von vielfachem Nutzen. Einige dienen vorzugsweise zur Sicherung der Grenzen vor feindlichen Einfällen, sie sind zugleich Sammlungsplätze gegen den Feind, wo Mannschaft und Waffen zusammengeführt werden, sie dienen zur Sicherung der Stellung des Heers und im Falle von Verlusten zum Zufluchtsorte für dasselbe. Dringt der Feind vor, so wird er durch die Festungen aufgehalten, weil er nur selten wagen darf, die in den Festungen liegenden Truppen hinter sich zurückzulassen, die Festungen müssen daher beobachtet oder eingenommen werden, wozu jedenfalls mehr Truppen nöthig sind, als in der Festung liegen.
In Friedenszeiten werden die Festungen zur Aufbewahrung von Gefangenen benutzt. In einigen Staaten werden Verbrecher aus den gebildeten Ständen bei solchen Vergehungen, die nicht Folge einer gemeinen, niedrigen Gesinnung sind (also z.B. bei Staatsverbrechen, nach Duellen und dergl.) zu Festungsar rest verurtheilt, welcher verschiedene Grade hat und in einer größern oder geringern Beschränkung der Freiheit besteht. Ost dürfen diese Gefangenen innerhalb der Festungswerke frei herumgehen, über dieselben aber nicht hinauspassiren. Diese Strafe hat nicht das Entehrende der Zuchthausstrafe. Härter als diese dagegen ist die Strafe der Zwangsarbeit in Festungen. Schwere Verbrecher, namentlich auch Militairs, die sich grobe Subordinationsvergehungen haben zu Schulden kommen lassen, werden zu dieser Strafe verdammt und heißen Festungsbaugefangene. Sie werden an Ketten unter militairischer Bewachung zu öffentlichen Arbeiten geführt und haben daher außer der schweren Arbeit noch die Schmach der Öffentlichkeit zu ertragen.
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