Abzehrung

[16] Abzehrung (Atrophie), eine jetzt immer häufiger werdende Krankheit, die vorzugsweise bei Kindern unter vier bis fünf Jahren vorkommt, und dann auch Darrsucht, Ungedeihen der Kinder genannt wird, ist gewöhnlich eine Folge der Scropheln, oft aber auch der Überfütterung und Verwahrlosung. Insbesondere führt Vernachlässigung der nöthigen Reinlichkeit, Mangel an reiner, gesunder Luft, schwerverdaulicher Mehlbrei, Vollstopfen des Magens mit Schwarzbrot, Kartoffeln, Klösen u.s.w. dieselbe herbei. Die Kinder werden dann bleich und hohläugig, bekommen alte Züge, einen starken aufgetriebenen Leib, magern dabei am übrigen Körper ab und verlieren die natürliche Eßlust bei einer unnatürlichen Gefräßigkeit; es riecht ihnen meist sauer aus dem Munde, sie leiden bald an Verstopfung, bald an Durchfall, schlafen wenig und unruhig, werden zu lebenden Skeletten, fangen an zu fiebern und sterben unter Durchfällen und übelriechenden Schweißen. Kinder, welche gleich nach der Geburt oder wenigstens zu früh von der Mutterbrust entwöhnt, und, wie man sagt, in die Ziehe gegeben werden, sind am häufigsten die Opfer der Abzehrung. Nur Reinlichkeit, gesunde Luft, eine leicht verdauliche, nahrhafte Kost, warme Kräuter-und Malzbäder, weniger aber der Gebrauch von Arzeneien, helfen, wo Hülfe überhaupt noch möglich ist. Die Abzehrung im Greisenalter ist eine natürliche Folge desselben, im frühern Lebensalter aber wird sie herbeigeführt durch schwere Krankheiten und ausschweifende Lebensweise.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 16.
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