Durchfall

[609] Durchfall (der), die Diarrhöe, das Abweichen sind gleichbedeutende Benennungen für die ungewöhnlich oft, schnell und meist mit kneipenden Schmerzen im Unterleibe erfolgenden Darmausleerungen von mehr flüssiger als fester Beschaffenheit, welche zu den sehr häufig vorkommenden, die Menschen ohne Unterschied heimsuchenden Krankheiten gehören. Der Durchfall hat in vielen Fällen wenig auf sich, ja kann sogar erwünscht und heilsam sein, ist aber manchmal auch ein sehr bedenkliches Übel. Veranlassung desselben sind: Erkältung, namentlich des Unterleibes und der Füße; der Genuß gährender Speisen und Getränke, vielen und unreifen Obstes, insbesondere der Melonen und Gurken, junger, säuerlicher Weine, unausgegohrenen und verdorbenen trüben Bieres, des Eises der Limonade, vielen Zuckerwerks[609] und mancher unverdaulicher Speisen. Bei großer Neigung zu vermehrten Ausleerungen in Folge von Reizung oder Erschlaffung des Darmkanals bedarf es oft keiner nähern Ursache oder doch nur einer sehr geringen. Außerdem gesellt er sich häufig zu andern Krankheiten, so namentlich zu den Schwindsuchten, dem Nerven- oder Faulfieber, dem Scorbut u.s.w. und ist dann ein Zeichen von übler Vorbedeutung, überhaupt aber um so bedenklicher, je mehr der von ihm Befallene schon durch Alter, Krankheiten, Ausschweifungen, Strapazen, dürftige Nahrung u.s.w. erschöpft ist. Ferner verdient im Allgemeinen jeder langwierige oder sehr oft wiederkehrende Durchfall wegen des damit verbundenen bedeutenden Säfteverlustes ernste Beachtung; ebenso jede sehr wässerige, blutige oder eitrige Diarrhöe, zumal wenn sich beträchtliche Austreibung des Unterleibes und Stuhlzwang hinzugesellen, da eine solche leicht in Ruhr übergeht, die Kräfte aber jedenfalls schnell dadurch aufgerieben werden. Ein Abweichen, welches lediglich in Folge einer einfachen Erkältung oder eines Diätfehlers entstanden ist, hat wenig auf sich und Frauen und Kinder ertragen im Durchschnitt länger Durchfälle ohne großen Nachtheil, als Männer. Im Allgemeinen gilt die Regel, einen Durchfall nie unbedingt, d.h. ohne vorsichtige Berücksichtigung aller andern Verhältnisse zu stopfen, indem durch rücksichtslose, zu frühzeitige Hemmung desselben zuweilen Darm- und Gehirnentzündung, Wassersucht und ähnliche Leiden herbeigeführt werden können; ja manchmal ist er selbst zu fördern, wenn die Heilkraft der Natur auf diese Art andere Krankheiten zu einer günstigen Entscheidung zu bringen strebt. Ebendeshalb ist aber auch nicht genug zu warnen vor dem sehr allgemeinen Misbrauche von Haus- und Volksmitteln, welche den Zweck haben, die vermehrten Darmausleerungen gewaltsam zu unterdrücken. Während eines Durchfalls muß man hauptsächlich Füße und Unterleib warm halten und letztern zu diesem Behufe mit erwärmten Tüchern, Flanell und aromatischen Umschlägen bedecken, sich mit einer schleimigen, erwärmenden Kost begnügen, daher z.B. Suppen von Sago oder Salep, Fleischbrühe, Eidotter, Reis- und Gräupchenschleim genießen, dagegen Obst, säuerliche Dinge, Milch und Bier vermeiden, Getränk aber überhaupt so wenig als möglich und nie viel auf einmal zu sich nehmen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 609-610.
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