Alter

[61] Alter oder Greisenalter nennt man den Zeitraum des menschlichen Alters, welcher der Kindheit, Jugend und dem männlichen Alter folgt und die naturgemäße Übergangsperiode zu dem Ende des irdischen Daseins, dem Tode, bildet. Wie in den frühern Lebensaltern Körper, Geist und Gemüth großen und mannichfachen Veränderungen unterworfen sind, so treten auch jetzt dergleichen ein, welche mehr oder weniger davon zeugen, daß das Leben sich seinem Ziele nähre; indessen entwickeln sie sich nur allmälig; werden aber um so sichtbarer, je älter der Mensch wird. Der Körper verliert nach und nach an Stoff und Kraft, verwelkt gewissermaßen und schrumpft zusammen. Die durch das Leden selbst verloren gehenden Stoffe ersetzen sich immer spärlicher, weil die Ernährung nicht mehr so kräftig wie früher von Statten geht, und Abmagerung und Schwäche sind die nächsten Folgen davon. Die Verdauung leidet, der Kreislauf des Blutes und das Athemholen werden langsamer und träger und die Wärme des Körpers mindert sich, weshalb auch Greise leicht frösteln und gegen atmosphärische Veränderungen sehr empfindlich sind. Die Sinne, besonders Gesicht und Gehör, werden stumpf; das Gedächtniß wird untreu, das Urtheil dagegen überlegt und sicher, bis allmälige Abnahme der Denkkraft erfolgt. Rücksichtlich seiner Empfindungen wird der Greis Egoist; anspruchsvoll, herrschsüchtig, geizig, hart gegen sich und Andere und wankelmüthig in seiner Zuneigung macht er sich weniger liebenswürdig, als er vielleicht als Mann war. Er ist mehr ernst und spricht wenig und undeutlich; seine Geberden und Bewegungen verlieren an Kraft und Bestimmtheit, sein Gang und seine Haltung werden unsicher und die Last der Jahre krümmt ihn; er schläft zwar leicht und viel, aber leise, und scheint endlich nur für Essen, Trinken und Schlafen zu leben, sodaß er in den Zustand der Kindheit zurücksinkt, bis der Tod seinem nur noch pflanzenähnlichen Dasein ein Ende macht. Dies ist im Allgemeinen der Zustand des Menschen im hohen Alter, doch gibt es glücklichere Ausnahmen von der Regel, andererseits aber auch zahllose Krankheiten und Übel aller Art, die ihn noch verschlimmern und beschwerdevoller machen können. Mit welchem Lebensjahre das Greisenalter beginne, läßt sich nicht genau bestimmen, denn der Eine altert früher, der Andere später. So war der Zwerg des Königs von Polen, Bébé, in seinem 23. I., als er starb, bereits vollkommener Greis. Indessen kann man im Allgemeinen doch annehmen, daß das Greisenalter für die Frauen mit dem 50., für die Männer mit dem 60. Lebensjahre anfange. Übrigens unterscheidet man als Epochen desselben das noch frische Greisenalter, welches sich je nach dem Geschlechte bis zum 60. oder 70. Jahre erstreckt und worin sich die Gebrechlichkeiten des höhern Alters allmälig ankündigen, das vollendete Greisenalter, das mit dem 80. Jahre zu Ende geht und bereits die unverkennbarsten Spuren des körperlichen und geistigen Verfalls an [61] sich trägt, und endlich die Gebrechlichkeit vom 80. Jahre bis zum Tode.

Da fast Jeder den Wunsch hat, ein möglichst hohes Alter zu erreichen, haben auch die Menschen von jeher sich bemüht, Mittel zur Verlängerung des Lebens zu entdecken. Unwissenheit, Aberglaube oder sonstige Verblendung haben von der ältesten bis auf die neuere Zeit Viele verleitet, ihre Hoffnungen auf Arzneistoffe und besondere Zubereitungen mannichfacher Art zu setzen, und so hat man durch Brech- und schweißtreibende Mittel, durch Elixire, Balsame und Pillen, sowie mittels des Steines der Weisen und dergl. das Leben zu verlängern versucht. Auch die Talismane, Horoskope und Amulete standen in dieser Beziehung in nicht minder hohem Ansehn, und noch vor nicht gar langer Zeit wurden der Lebensthee des Grafen Saint Germain, das Lebenselixir des berüchtigten Cagliostro, das himmlische Bett von Graham, der thierische Magnetismus, die Übertragung des Blutes junger Thiere in die Adern alter Leute und noch manches Andere als Mittel zur Verlängerung des Lebens oder gar zur Verjüngung des Greisenalters gepriesen. Dagegen sind unzweifelhaft geregelte geistige und körperliche Thätigkeit, Einfachheit und Mäßigkeit der Lebensweise, Beherrschung der Leidenschaften u.s.w. die zuverlässigsten Mittel, alt zu werden und ein von Geburt kräftiger und gesunder Körper die beste Unterstützung dabei. Körperliche Constitution, Temperament, Geschlecht, äußere Lebensverhältnisse, Sitten, Gewohnheiten, Rang, Stand, Beschäftigung, Verheirathung oder Ehelosigkeit, Reichthum, Armuth u.s.w., ja das Klima mit Allem, was dazu gehört, können übrigens nicht ohne Einfluß auf die Lebensdauer bleiben. Dennoch gibt es viele Fälle, daß Menschen unter scheinbar sehr ungünstigen Umständen, allen Entbehrungen und Mühseligkeiten des Lebens blosgestellt, ein sehr hohes Alter erreichten. Thomas Pare, ein Engländer, ward 152, und Henri Jenkins, ebenfalls ein Engländer, 169 Jahre alt. Beide waren arm, aber gesund und kräftig. Ersterer verheirathete sich in seinem 120. Jahre noch einmal und starb am 5. Nov. 1635 nicht vor Alter, sondern in Folge übermäßigen Essens; Letzterer, ein Fischer, schwamm noch in einem Alter von 106 Jahren durch die stärksten Strömungen. Im Allgemeinen das höchste Lebensalter erreicht der Mensch in den nördlichern Gegenden. – Über die Lebensdauer der Thiere ist man sehr im Ungewissen; so soll das Krokodil, die Schildkröte, der Schwan, Adler und Papagei ein Alter von 100 Jahren und darüber erreichen, der Karpfen 120–150 und der Elefant über 200 Jahre alt werden. Am längsten scheinen die Kröten und andere Amphibien zu leben, die man noch lebend in Versteinerungen eingeschlossen gefunden haben will, welche Jahrtausende zu ihrer Verhärtung gebraucht haben mögen.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 61-62.
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