Adern

[24] Adern nennt man im Allgemeinen alle röhrenförmige Kanäle des menschlichen oder thierischen Körpers, welche Blut oder blutähnliche Flüssigkeiten führen. Gewöhnlich aber versteht man darunter nur die, in denen das Blut den ganzen Körper durchströmt. Diese haben zu ihrem Mittelpunkte das Her z. Aus der linken Kammer des Herzens tritt eine große Ader hervor, die Aorta, durch welche das Blut in alle Theile des Körpers strömt, indem sich dieser erste Aderstamm in Äste, Zweige und in die allerfeinsten Gefäßchen zertheilt. Diese Adern werden Schlagadern, Pulsadern oder Arterien genannt. Aus ihnen tritt das Blut über in andere ebenso seine Gefäßchen, welche immer stärker werden, sich zu Zweigen und Ästen und endlich in zwei große Stämme, die Hohladern, vereinigen, die in die rechte Vorkammer des Herzens einmünden und so das Blut, das alle Theile des Körpers durchlaufen hat, nach dem Herzen zurückbringen. Dies sind die Blutadern oder Venen. Schlag- und Blutadern unterscheiden sich voneinander durch ihre Bauart, indem erstere dick-, letztere aber dünnwandig und mit Klappen versehen sind, welche den Rücktritt des Blutes nach den Gefäßanfängen verhindern und so den Gang desselben nach dem Herzen unterstützen. Die Schlag- und Pulsadern können sich, wie die Herzkammern, ausdehnen und zusammenziehen, und treiben dadurch das in ihnen enthaltene Blut äußerlich fühlbar vorwärts, was man den Puls (s.d.) nennt. Die Pulsadern enthalten hellrothes Blut, die Blutadern dunkler gefärbtes; erstere liegen tiefer, letztere oberflächlicher und schimmern oft bei vollblütigen oder sehr magern Personen als blaurothe Streifen durch die Haut. In allen Theilen des Körpers gibt es auch noch Adern, die kein Blut, sondern ungefärbte Flüssigkeiten enthalten, und diese Säfte dem Blute zuführen, wodurch der Wiederersatz ausgeschiedener Stoffe, mithin die Ernährung bewirkt wird. Diese heißen Saugadern oder Lymphgefäße. – Zum Aderlasse oder künstlichem Weglassen von Blut aus einer geöffneten Blutader, in höchst seltenen Fällen aus einer Schlagader, bedient man sich in Deutschland fast nur des Aderlaßschneppers, selten der weit sicherern Lancette. Schon in den ältesten Zeiten war der Aderlaß als Heilmittel bekannt; vielleicht kam man darauf durch das Beispiel mancher Thiere, z.B. der Pferde, die, wenn die Adern zu sehr vom Blute strotzen, durch Aufbeißen derselben sich Erleichterung verschaffen. Den Ägyptern und Scythen war er bekannt; Hippokrates und seine Schüler wendeten ihn häufig als eine damals schon gewöhnliche Operation an; ja selbst die ungebildetsten Völker kennen ihn. Am Gewöhnlichsten läßt man am Arme oder am Fuße zur Ader, seltener und nur in besondern Krankheitsfällen am Halse, unter der Zunge, an der Hand u.s.w. Der Aderlaß ist ein ebenso unentbehrliches als unschätzbares Heilmittel, ja zuweilen das einzige, welches das Leben zu erhalten vermag, er kann aber auch durch unzeitige oder zu häufige Anwendung höchst nachtheilig werden. Aufs Nachdrücklichste ist daher gegen den Aderlaß zu warnen, der, um eine Unpäßlichkeit zu vertreiben oder ihr vorzubauen und, wie man sagt, unreine Säfte wegzuschaffen, ohne den Rath eines Arztes unternommen wird. Mit dem Blute nimmt der Aderlaß auch Kräfte hinweg, die nicht so schnell als das Blut ersetzt sind. Hat man sich aber an regelmäßigen Aderlaß gewöhnt, so vermindere man ihn nur unter der Leitung eines Arztes. Zum Wohle der Menschen sind die Zeiten vorüber, wo selbst Ärzte sich durch öfteres Aderlassen an der Gesundheit der Menschen versündigten, wie auch die sogenannten Aderlaßmännchen, die Manchem Gesundheit und Leben gekostet haben mögen, allmälig aus den Kalendern verschwinden. Die mehr oder weniger erhabenen und festern Saftgefäße, welche die Blätter der Pflanzen durchziehen, nennt man ebenfalls Adern. – Auch in der Erde sucht der Bergmann nach Adern oder Gängen, d.h. Felsenspalten, welche Erze enthalten.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 24-25.
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