Ernährung

[688] Ernährung heißt der allen lebenden Körpern eigenthümliche Vorgang, vermöge dessen durch Aufnahme von Nahrungsstoffen von außen und theilweise Verwandlung derselben in zum Übergang in die Körperbildung selbst geeignete Zustände, sowol das Wachsthum als auch der Ersatz der Säfte und Kräfte vermittelt werden, die das Leben gleichsam verbraucht. Die Pflanzen finden, ohne ihre Stelle zu verändern, ihre Nahrung in dem Boden, wo sie wurzeln, im Wasser, welches sie befeuchtet, und in der sie umgebenden Luft. Die Thiere müssen sie oft mühsam aufsuchen und erringen und auch der Mensch verwendet einen großen Theil seines Lebens darauf, sich die nöthige Nahrung zu verschaffen. Thiere und Menschen werden durch Hunger und Durst (s.d.) gewissermaßen wider ihren Willen gezwungen, für ihre Ernährung zu sorgen, und zu ihrer Ernährung sind nur organische Substanzen tauglich. Die meisten Thiere leben blos von thierischer oder blos von Pflanzenkost, ja manche nur von bestimmten Pflanzen- oder Thierarten, und nur in der Noth und unter der Herrschaft des Menschen nehmen sie zuweilen mit andern außergewöhnlichen Nahrungsmitteln fürlieb; der Mensch ist jedoch auf gemischte Nahrung angewiesen. Die organischen Substanzen eignen sich aber in dem Zustande, in welchem sie in den Körper gelangen, nicht zur Ernährung desselben, und müssen zu diesem Behufe ihm erst ähnlicher werden und deshalb mehrfache Verwandlungen erleiden. Diese werden zunächst durch die Verdauung vermittelt und beginnen, indem die Nahrungsmittel in den Mund gelangen, wo sie durch das Kauen zerkleinert und mit dem während desselben zufließenden Speichel vermischt werden. Hierauf in den Magen gelangt, unterliegen sie der eigenthümlichen Lebensthätigkeit dieses Organes, namentlich aber der Einwirkung des von ihm abgesonderten Magensaftes, werden durch sie in eine breiartige Masse, den sogenannten Speisebrei oder Chymus verwandelt, der, nachdem er aus dem Magen in den Zwölffingerdarm übergegangen ist, nach Einwirkung der Galle und des Safts der Bauchspeicheldrüse auf ihn, neue Umwandlungen erleidet und in die wirklich nahrhaften und die zur Ernährung untauglichen Bestandtheile geschieden wird. Erstere werden längs des ganzen Darmkanals von aufsaugenden Gefäßen, den sogenannten Milchgefäßen, aufgenommen und als eine milchweiße Flüssigkeit, sogenannter Milchsaft, in das Blut übergeführt, letztere aber durch den Mastdarm aus dem Körper geschafft. Die Mischung der nährenden Theile mit dem Blute wird aber erst eine recht innige, nachdem sie mit diesem durch das Herz und von da in die Lungen gelangt sind, von wo sie nach Einwirkung des zum Leben unbedingt nöthigen Sauerstoffs der Luft mit dem Blute völlig Eins geworden, nach dem Herzen zurückgeführt und von hier aus allen Theilen des Körpers zugeführt werden, sodaß sich die einzelnen Organe aneignen und anbilden können, was ihrer Beschaffenheit grade entspricht. Die aus dem Thierreiche stammenden Nahrungsmittel gewähren, als in der Beschaffenheit nahe verwandte, dem Menschen die leichtverdaulichste Nahrung und dies in so hohem Grade, daß durch Krankheit oder Ausschweifungen geschwächte Personen nur durch sie bestehen und wieder zu Kräften kommen können, ja daß sie bei zu wenig Bewegung dem Körper leicht zu viel Nahrungsstoff darbieten. Andererseits scheint es aber auch, als ob der Mensch, der nur auf Nahrungsmittel aus dem Thierreiche beschränkt ist, doch nur kümmerlich sein Dasein friste, wie das Beispiel dem Nordpole [688] nahe wohnender Völkerschaften lehrt, die fast nur von Fischen leben. Die Nahrungsmittel, welche das Pflanzenreich bietet, sind weniger nahrhaft und zugleich schwerer verdaulich als jene. Die Zubereitungen beider durch Kochen-Braten u.s.w. sollen sie nicht nur leichter verdaulich und geschickter zur Aufbewahrung, sondern auch schmackhafter machen, werden aber freilich auch zuweilen durch schädliche Zusätze nachtheilig. Das von der Natur dem Menschen eigentlich bestimmte Getränk ist Wasser, doch nur selten begnügt sich der Mensch damit und er verschmähtes auch wol ganz. Übrigens üben Klima, Erziehung, Gewohnheit, gesellschaftliche und bürgerliche Stellung einen großen Einfluß auf die ganze Lebens- und also auch Ernährungsweise des Menschen aus.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 688-689.
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