Fische

Fische

[45] Fische nennt man diejenigen Wasserthiere, welche rothes, kaltes Blut, Kiemen statt der Lungen, Schuppen oder eine ganz glatte Haut statt der Haare, Knorpel oder Gräten statt der Knochen haben und deren Bewegungswerkzeuge blos zum Schwimmen eingerichtet sind und Flossen heißen.

Außerdem haben sie noch eine Schwimmblase, welche sie zusammenziehen und ausdehnen können, je nachdem sie sich im Wasser senken oder heben wollen, die aber bei einigen Fischarten, welche beständig auf dem Grunde sich aufhalten, fehlt. Mit dem Schwanze geben sie sich wie mit einem Steuerruder beim Schwimmen die Richtung. Man theilt die Fische im Allgemeinen in See- und Süßwasserfische und unterscheidet sie nach Bauart, Gestalt und Farbe. Der berühmte Naturforscher Cuvier (s.d.) hat 5000 verschiedene Fischgattungen gezählt. Einige Fischarten haben prächtige Schuppendecken, wie die Gold-und Silberfischchen und die Forellen, viele andere wieder sehr sonderbare Formen. So gibt es im Meere eckige, kugelrunde, stachliche und solche, deren Kopf ganz unförmlich gestaltet ist u.s.w. Eine Zusammenstellung der auffallendsten Gestalten zeigt die umstehende Abbildung. Was die Sinne der Fische betrifft, so sind Geruch und Gesicht bei allen sehr scharf, weniger das Gehör. Äußere Gehörwerkzeuge fehlen den meisten, doch vernehmen sie stärkere Töne, und an vielen Orten pflegt man die Teichfische mit Glockengeläut oder Pfeifen zur Fütterung zu rufen. Ihr Geschmacksorgan scheint dagegen ganz unvollkommen zu sein, denn die Zunge ist bei allen Fischen unbeweglich und ohne Nervenwarzen. Den meisten fehlt auch die Stimme, und die Redensart: »stummer als ein Fisch«, läßt sich nur auf wenige Arten nicht beziehen. Der Seehahn z.B. soll krähen, und andere, wie der Aal, Karpfen und Peißker, winseln, zischen und quiken, besonders wenn sie gedrückt werden, doch können im letztern Falle diese Töne ebenso gut von der aus der Schwimmblase gepreßten Luft herrühren. Eine merkwürdige Erscheinung ist die Kleinheit des Gehirns der Fische; denn während dasselbe beim Menschen 20–30mal kleiner ist als der übrige Körper, so ist es beim Haifisch 2500 und beim Thunfisch sogar 37,400mal kleiner. Vielleicht hängt mit diesem Umstande die sprüchwörtliche Dummheit der Fische zusammen.

Sehr groß und größer wie bei jeder höhern Thiergattung ist aber die Gefräßigkeit und Fruchtbarkeit der Fische. Sie nähren sich theils von Schlamm und Wassergewächsen, theils von Fliegen, Mücken, Würmern, Fröschen und anderm Ungeziefer, theils von andern Fischen, heißen im letztern Falle Raubfische und sind mit Zähnen bewaffnet. Ihre Fortpflanzung geschieht, indem das Weibchen gewöhnlich an seichten Wasserstellen Eier (Rogen) legt, welche das Männchen mit einem Schleime (Milch) überzieht und so befruchtet und die Sonnenwärme dann ausbrütet. Man nennt diese Eier der Fische Laich, den Fortpflanzungsact selbst das Laichen, und die Zeit, wo er geschieht, die Laichzeit oder Streichzeit. Manche Fischart ist ungemein fruchtbar, und man hat in einem einzigen Heringe über 20,000, in einem 25 Unzen schweren Karpfen 200,000, in einem Barsch von 8 Unzen 300,000, in einer einpfündigen Makrele 500,000 und in einem 20 Pfund schweren Kabliau sogar über 3 Mill. Eier gezählt. Aeußere Geschlechtstheile fehlen den Fischen, auch gibt es

Zwitter unter ihnen, denn bei Lampreten und einigen Karpfen hat man Milch und Rogen zugleich gefunden, und einige Fischarten gebären lebendige Junge. Die Gattung Walle, unter welche der Walfisch (s.d.), Finnfisch, Pottfisch, Einhornfisch, Delphin (s.d.), Schwertfisch und das sogenannte Meerschwein gehören, bringen lebendige Junge zur Welt, gehören aber nicht unter die Fische, sondern unter die Säugthiere, da sie ihre Jungen säugen, durch Lungen athmen und rothes warmes Blut haben, dennoch wurden sie lange Zeit zum Fischgeschlecht gezählt. Wegen der großen Vermehrung und wegen ihres schnellen Wachsthums ist der Nutzen der Fische für die Menschen sehr groß. Man gebraucht von ihnen Alles, von dem einen vorzugsweise dieses, vom andern jenes. Das Fleisch fast aller Fische ist eßbar, von nur wenigen ist es giftig und für viele Völker die einzige oder doch die Hauptnahrung. Das kräftigste Fleisch haben die Seefische, und diese sind getrocknet, geräuchert, eingesalzen oder marinirt ein wichtiger Handelsartikel, sind aber dann schwer verdaulich. Frischgefangene, ganz einfach gesottene und ohne Künstelei bereitete Fische sind am gesündesten. Doch wirkt zu häufiger Genuß namentlich großer und fetter Fische oder solcher, die aus schlammigen und trüben Gewässern kommen, nachtheilig auf die Gesundheit, verschleimt den Körper, erschlafft die Verdauungswerkzeuge und erzeugt nicht selten Krankheiten. Besonders hüte man sich vor dem Genusse kranker Fische. Sehr viele Fischarten sind besonders im Sommer gewissen Krankheiten unterworfen; die Lachsforellen z.B. und Goldfische bekommen den Aussatz, andere die Pocken; viele haben Läuse, und Brassen, Karpfen, Aale, Rothaugen und viele Seefische sind vom Faden- oder Bandwurme geplagt, der oft beim Sieden nicht ganz getödtet wird und nach der Meinung mancher Ärzte im menschlichen Körper fortwächst. Rathsam ist es jedenfalls, die Eingeweide der Fische ganz wegzuwerfen, denn wenige Fische sind von Würmern ganz frei. Der so beliebte Caviar ist der eingesalzene Rogen der Haufens und Störs. Aus Schuppen, Gräten und Eingeweiden wird ein guter Leim bereitet; die Hausenblase wird als Läuterungsmittel und seiner Leim gebraucht. Auf Fischhäute schrieb man im Alterthume und viele Völkerschaften gebrauchen sie noch jetzt zu Putz, Kleidern und dergl., sowie die Gräten zur Feuerung, zu Nadeln, Spitzen an Pfeilen und Wurfspießen u.s.w.; die Samojeden stampfen die Gräten klein und backen sie unter das Brot, auch genießen diese gefrorene Fische unaufgethaut als Mittel gegen den Scharbock.

Merkwürdig sind die großen Wanderungen, die einige Fische zur Laichzeit antreten, wo z.B. der Lachs in großen Schaaren aus dem Meere in die Flüsse kommt und der Hering viele tausend Meilen weit aus einem Meere ins andere wandert. Einige Fische erreichen ein sehr hohes Alter und man hat 200jährige Karpfen und Hechte gefunden. Man soll bei den Fischen die Jahre nach den Ringen der Rückgratswirbel eben so genau bestimmen können, als bei den Bäumen nach den Jahresringen. Die meisten Fische sterben außer dem Wasser bald; viele haben aber ein sehr zähes Leben, thauen sogar nach dem Einfrieren wie der auf, und Karpfen, Hechte und Karauschen können in Heu gepackt, sodaß sie auf dem Bauche liegen, im Winter weit verschickt werden. Zur weiten Versendung todter Fische in der heißen Jahreszeit hat man in neuerer Zeit das Einpacken in Kohlenpulver als vorzügliches Erhaltungsmittel empfohlen.. Manche Fische verlassen freiwillig das Wasser, z.B. der Aal (s.d.), und in Guiana gibt es Fische, welche oft eine ganze Nacht hindurch in großen Zügen zu Lande einem andern Wasser zuwandern, wenn ihr bisheriges ausgetrocknet ist.

Um zu jeder Zeit frische Fische zu haben, hält und füttert man sie in Teichen und sogenannten Hältern, die steten Zufluß von frischem Wasser haben müssen. Auf dergleichen Fischhälter wandten die alten Römer oft ungeheure Summen und leiteten durch künstliche, viele Meilen lange Kanäle sogar Meerwasser in dieselben, um immer frische Seefische essen zu können. Bei ihren Gastereien war es Sitte, den Gästen die Fische, welche auf die Tafel kommen sollten, in großen Gefäßen vorher lebendig zu zeigen und sie unmittelbar aus dem Wasser zu schlachten und zu sieden, wo dann die Fische auch stets am wohlschmeckendsten sind. Um die Fische in Teichen und Hältern recht fett zu machen, erfand im vorigen Jahrh. ein Engländer das Verschneiden oder Kastriren der Fische, doch hat sich dieses Mittel, obwol viel darüber geschrieben worden ist, als nicht sehr vortheilhaft bewährt. Gefangen werden die Fische gewöhnlich in Netzen oder mit Angeln (s. Angelfischerei); große Fische tödtet man auch wol im Wasser mit Spießen, Harpunen oder Flintenschüssen. Die Chinesen richten zum Fischfange einen Schwimmvogel, den Cormoran (s.d.) und die Schweden die Eisente oder Tauchergans (s.d.) ab, welche Vögel in dieser Jagd eine große Fertigkeit besitzen und selbst sehr große Fische angreifen, wobei sie sich gegenseitig unterstützen. Ehemals war diese Art des Fischfangs auch im übrigen Europa sehr gebräuchlich.

Man theilt die Fische naturwissenschaftlich in Grätenfische und Knorpelfische ein. Die letztern zerfallen in solche mit und in andere ohne Kiemendeckel. Von den Grätenfischen haben einige keine Bauchflossen, die übrigen werden nach der Stellung der Bauch- und Brustflossen eingetheilt. Eine besonders interessante Eigenthümlichkeit zeigen die elektrischen Fische (s. Aal, Roche, elektr.). – Fische, das Sternbild, s. Thierkreis.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 45-47.
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