Aussatz

[153] Aussatz (der), eine ehemals im Morgenlande und selbst in Europa sehr verbreitete, jetzt dort seltener, hier fast gar nicht mehr vorkommende bösartige Krankheit, äußert sich zunächst durch krankhafte Veränderungen der Haut, ergreift dann den ganzen Körper und entstellt in Kurzem den Kranken so, daß er ein Abscheu seiner Nebenmenschen wird. Gewöhnlich unterscheidet man zwei Hauptarten des Aussatzes, nämlich den sogenannten weißen nebst dem verwandten räudigen und den knolligen. Der weiße Aussatz beginnt mit weißen, etwas erhabenen Hautflecken, die zuweilen Jahre lang stehen, ohne sich zu verändern, dann aber unempfindlich werden und sich vertiefen. Später verdickt sich die ganze Haut, wird schmierig und glänzend und im Gesicht oft bronzefarbig; die Nägel werden grindig; es bilden sich Drüsengeschwülste an den Gelenken, an denen die Haut viele Risse bekommt und Feuchtigkeit aussickern läßt; die Haare fallen aus; die Augen fangen an zu triefen; die Nasenlöcher werden weit und jauchend; die Stimme heiser; zugleich verbreitet der Kranke einen unausstehlichen Gestank; einzelne Glieder fallen ihm ab und er unterliegt endlich unter entkräftenden Durchfällen. Siegt die Heilkraft der Natur, so werden nach dem Eintritte von Fieberbewegungen und nachdem die Haut sich mit Borken bedeckt hat, große Stücken derselben losgestoßen und eine Menge krankhafter Stoffe durch den Urin aus dem Körper geschafft; allein Erblinden und Taubwerden sind in der Regel Folgeübel dieser Art des Aussatzes. Der knollige Aussatz unterscheidet sich von dem weißen hauptsächlich durch braune, bleifarbige, unempfindliche Linsenmäler, die an der Nase, unter den Achseln u.s.w. zum Vorschein kommen und durch die Bildung harter, knotiger Geschwülste im Gesicht und an den Gelenken, wobei gleichzeitig Nase, Lippen und Ohren anschwellen und dick und hart werden. Zwischen diesen Knoten entstehen Risse, die in häßliche Geschwüre übergehen und eine langsame Auszehrung endet das Leben des Erkrankten. Mußte schon das scheußliche Aussehn des Aussätzigen denselben aus der menschlichen Gesellschaft verbannen, so veranlaßte noch überdies der Umstand, daß der Aussatz bei näherm Verkehr ansteckt, schon [153] in der frühesten Zeit sehr strenge und harte Gesetze gegen die mit demselben Behafteten. So mußten sie nach den mosaischen Gesetzen mit zerschnittenen Kleidern, entblößtem Haupte und verhülltem Munde gehen und unrein! unrein! rufen. Nach Europa brachten den Aussatz aus Asien zuerst die röm. Legionen des Pompejus, im 1. Jahrh. v. Chr., dann aber im Mittelalter die aus Palästina zurückkehrenden Kreuzfahrer. Als er sich hier, besonders im 12. Jahrh., auf eine furchtbare Weise verbreitete, wurden sehr strenge Maßregeln ergriffen, um die weitere Verbreitung zu hindern. Die Aussätzigen mußten einen besondern schwarzen Anzug anlegen, barfuß gehen und durften weder die Kirchen besuchen, noch Orten, die für Gesunde zugänglich sein mußten, z.B. Brunnen und Quellen, den Bäckerladen u.s.w. sich nahen. Vor Gericht galten sie als todt, konnten nichts erben, auch über ihr Eigenthum nicht verfügen. Andererseits nahm sich aber auch der Wohlthätigkeitssinn damaliger Zeit ihrer an. Es wurden eigens zur Aufnahme von Aussätzigen bestimmte Häuser, Spitäler genannt, gegründet, deren es damals an 19,000 gegeben haben soll. Besondere Ritterorden, unter ihnen vorzüglich der des h. Lazarus, dessen Großmeister sogar ein Aussätziger oder vom Aussatz Genesener sein mußte, widmeten sich ihrer Pflege. Seit dem Ende des 15. Jahrh. gehört in Europa der Aussatz zu den außerordentlich seltenen Erscheinungen und scheint nur noch in Griechenland, und selbst dort vereinzelt, vorzukommen. Häufiger wird er noch immer in Arabien längs des pers. Meerbusens, in Persien, an der Küste von Malabar, auf Ceylon, Sumatra und Java, in Bengalen, ebenso an den Küsten von Afrika, auf den westind. Inseln, in Surinam, Brasilien u.s.w. beobachtet.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 153-154.
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