Walfisch

Walfisch

[645] Walfisch (der), das größte von allen jetzt lebenden Säugthieren der Erde, gehört mit den Delphinen, Narwalen und Pottfischen (s.d.) zu der Ordnung der Walthiere oder Cetaceen, hält sich jetzt nur noch im nördl. und südl. Eismeere auf und wird noch 60–80 F. lang, über 20 F. dick und 100,000 Pfund schwer angetroffen.

In früherer Zeit, wo ihm wenig oder gar nicht nachgestellt wurde, gab es welche von 150–200 F. Länge und einem Gewichte von 3000 Centner. Eigenthümlich ist dieser Gattung der große, beinahe den dritten Theil des Leibes ausmachende Kopf; die Augen sind kaum größer als die eines Stiers, die Ohren äußerlich nicht bemerklich. In dem ungeheuern Rachen, welcher Sförmig ausgeschnitten ist, liegt in der untern Kimilade die eine gewaltige Fettmasse bildende Zunge, aus welcher allein gegen drei Tonnen Thran gewonnen werden; die obere Kinnlade nehmen in die Quere gelagerte hornartige Schienen oder Blätter, die sogenannten Barten ein, welche das bekannte Fischbein geben. Die mittelsten sind 9–15 F. lang, nach vorn und hinten werden sie aber immer kürzer und messen zuletzt nur noch 1 F. Sie haben zusammen ein Gewicht von ungefähr 1000 Pf. und dienen mit vielen Fasern und Haaren, sowol zum Festhalten als auch zum Zermalmen der Weichthiere und kleinern Fische, welche die Nahrung des Walfisches ausmachen, da sein enger Schlund kaum faustdicken Gegenständen den Durchgang gestattet und die er daher täglich zu Tausenden verschlingt. Das mit der Nahrung in Menge eingesogene Wasser gelangt mittels besonderer Einrichtung des Gaumensegels in einen am äußersten Ende der Nasenhöhle befindlichen Sack, aus welchem er es durch zwei über 1 F. weite, auf dem Kopfe befindliche, Sförmige Spritzlöcher in hohen Bogen und geräuschvoll aussprudelt, welche ihm zugleich zum Athmen dienen. Der wagerecht gestellte Schwanz ist gabelförmig, 9–10 F. breit und die einzige Waffe des Walfisches, mit welcher er furchtbare Schläge austheilt, die schon manches Boot zertrümmert haben. Die 10 F. langen und fast ebenso breiten Brustflossen haben inwendig fünf gegliederte Finger und Hand-und Armknochen anstatt des strahlenförmigen Baues dieser Theile bei den Fischen. Das Gehirn, welches beim Menschen den vierzigsten Theil seiner ganzen Schwere ausmacht, beträgt am Walfisch nur ein Dreißigtausendtheil davon, und daraus erklärt sich vielleicht der Stumpfsinn dieser Thiere. Sie leben in Gesellschaften von 20 und mehren zusammen; die Weibchen gebären ein lebendiges Junges, welches sie großsäugen und wider Angriffe tapfer schützen. Diese jungen Walfische sehen grau, alte schwarz, sehr alte schwarz und weiß gefleckt, am Bauche immer weiß und nach Buffon soll der Walfisch 1000 Jahr alt werden können. Die Haut ist rauh und faltig und es setzen sich Muscheln, Korallen und andere Seethiere daran fest. Wider die Kälte schützt den Walfisch sowol die starke Haut, als die einige Fuß tiefe Loge Speck unter derselben; daher denn auch ein großer Fisch an 120 Tonnen Thran abwirft und einen Werth von etwa 5000 Thalern hergibt. In Grönland und von den Bewohnern der nördlichsten Küsten von Amerika und Asien wird das zähe Fleisch des Walfisches genossen; auch benutzt man dort die Haut und andere Theile desselben. – Dem gemeinen Walfisch an Größe beinahe gleich [645] ist der gemeine Finnfisch, welcher seinen Namen von der 3–4 F. hohen, aus Fett bestehenden Rückenfinne hat. Aufenthalt und Lebensart theilt er mit dem Walfisch, hat aber einen schlankern Körper und viel weniger Speck, auch wenig brauchbare Barten. – Der Walfischfang, welcher wegen des Gewinnes an Thran und Fischbein betrieben wird, gehörte schon im 10. Jahrh. zu den Unternehmungen der Norweger; die Flamänder gingen im 11., die Isländer im 12. Jahrh. darauf aus, mit Ausdauer und Regelmäßigkeit betrieben ihn aber erst die Basken seit dem 13. Jahrh. und später die Franzosen. Vom 17. bis zur Mitte des 18. Jahrh. hatte Holland den wichtigsten Antheil dieser Fischerei, die gegenwärtig im N. und S. der Erde jährlich gegen 200 engl. und gleichviel nordamerik. Schiffe mit 6–8000 Seeleuten, sowie viele holländ., hanseatische und franz. Schiffe beschäftigt. Aus den Häfen an der Elbe laufen des Jahres gegen 60 Fahrzeuge danach aus. Erlegt werden die Walfische, indem man, wenn sie an der Oberfläche hinschwimmen, in Schaluppen herbeirudert und ihnen, wie vorstehende Abbildung zeigt, eine Harpune (s.d.) ungefähr auf 30 Schritte Entfernung in den Leib wirst. An dieser befindet sich ein sehr langes Seil und an diesem eine 5–600 Ellen lange Leine, welche in dem Maße nachgelassen wird, als der verwundete Fisch in die Tiefe geht und sich entfernt, während zugleich das Boot nachrudert. Kommt er nach ungefähr einer Viertel, stunde wieder zum Vorschein, so schleudert man noch mehre Harpunen auf ihn, bis ihn die Wunden und der Blutverlust tödten. Reicht die Leine an der Harpune für die Entfernung nicht zu, so muß sie preisgegeben, wo möglich aber mit einem Korkstück oder andern über Wasser bleibenden Gegenständen versehen werden, um ihr folgen zu können. In der neuern Zeit hat man auch Harpunen aus Röhren mit Pulver abschießen gelernt, von denen die Spitze aus dem Geschütz hervorragt. Das Seil befindet sich mittels eines eisernen, laufenden Ringes in Verbindung mit der am untern Ende sehr dicken Harpune, welche auf diese Art aus weiterer Entfernung geschleudert werden kann und tiefer eindringt. Der erlegte Fisch wird der Länge nach an das Schiff befestigt und die Mannschaft besteigt ihn, eiserne Stacheln an den Füßen, haut den Speck in viereckigen Stücken ab, und nachdem dieser und die Barten an Bord gebracht sind, überläßt man den Überrest den Raubvögeln und Seethieren. – Walfisch heißt auch ein großes Sternbild am südl. Himmel, durch dessen Kopf der Äquator geht.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 645-646.
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