Schiff

Schiff

[72] Schiff nennt man im Allgemeinen jede Art von Fahrzeug, welches auf dem Wasser schwimmt und zum Fortbringen von Menschen oder Sachen benutzt werden kann.

In der Seemannssprache heißen vorzugsweise aber nur diejenigen [72] von diesen Fahrzeugen Schiffe, welche drei mit Segelstangen versehene Masten haben. Wesentlicher Theil des Schiffes ist auch das Verdeck, d.h. der innere Schiffsraum oder wenigstens ein Theil desselben muß mit einer Decke überbaut sein. Je mehre solcher Verdecke übereinander angebracht sind, desto höher ist der Rang des Schiffes, denn desto größer ist [73] es auch an Umfange. Die Anzahl der Kanonen steht, namentlich bei Kriegsschiffen, im Verhältnisse zu der Anzahl der Verdecke, und man gibt daher den Rang des Schiffes auch nach der Zahl der Kanonen an, die es führt. Im Allgemeinen werden die Schiffe in Kriegsschiffe (s.d.) und Kauffahrteischiffe (s.d.) eingetheilt, welche wieder in eine Menge von Unterabtheilungen je nach Größe und Bauart zerfallen. Schiffe des ersten Ranges haben drei vollständige von dem Vordertheil bis zum Hintertheil reichende Verdecke, und unter denselben befindet sich noch ein viertes Verdeck, welches das Orlopverdeck heißt und zum Aufbewahren der Taue und Seile benutzt wird. Ebendaselbst befinden sich auch mehre Gemächer für Steuermann, Zahlmeister, Wundarzt, für die Kranken u.s.w. Unter dem Orlopverdeck ist endlich der Kielraum. In diesem liegen bei Kauffahrteischiffen die zu transportirenden Güter, bei Kriegsschiffen der Ballast und der Mundvorrath für das Schiffsvolk. Ein wichtiger Theil desselben ist die Pulverkammer. In dem dritten Verdeck befindet sich die Schiffswinde, da, wo der Hauptmast des Schiffes durch das Verdeck hindurchgeht. Sie dient unter Anderm zum Heben des 90 Ctr. wiegenden Bugankers, und 10–18 Männer haben dann angestrengt an ihr zu arbeiten. Die Schiffsküche mit einem gewaltigen Kessel, aus dem 800 Personen gespeist werden, liegt in demselben Verdecke. Das höchste Verdeck ist in der Mitte nach oben geöffnet. Über ihm liegt noch ein viertes nur theilweises Verdeck, das Quartverdeck, unter dem im obern Hauptverdeck das Admiralzimmer sich befindet, der gewöhnliche Aufenthaltsort des Admirals oder Capitains. Derselbe kann aus diesem höchst prachtvoll ausgestatteten Zimmer seine Befehle sogleich in das darunter liegende Wachzimmer ergehen lassen. Das Steuerruder (s.d.) wird durch einen mechanischen Apparat gelenkt und vor diesem steht das sogenannte Nachthäuschen, das den Compaß enthält, nach welchem gesteuert wird. Das Gebälk, welches die untere Schiffswölbung schließt, gleichsam das Rückgrath, an dem die Rippen des Schiffes befestigt sind, heißt der Kiel und auf diesem stehen die Masten, welche aus mehren durch eiserne Reisen zusammengefügten Bäumen bestehen. (S. Mast.) Während die andern Masten senkrecht stehen, hat der Bugspriet eine geneigte Lage. Sein mittlerer Theil heißt Klüverbaum, der obere fliegender Klüverbaum. Ein Hauptbestandtheil des Schiffs sind die Segel, welche an den Masten befestigt sind und deren Anzahl im Allgemeinen mit der Belastung im Verhältnisse steht, doch erhalten auch diejenigen Schiffe besonders viele Segel, welche zum schnellen Fahren bestimmt sind. (S. Segel.) Unter den verschiedenen Ankern ist der Pflichtanker (s. Anker) der größte. Das umstehende Bild eines mitten durchgeschnittenen Kriegsschiffes wird ein deutliches Bild von den einzelnen Theilen eines Schiffes und deren Lage gegeneinander geben.

Die Schiffsbaukunst beschäftigt sich näher mit der Gestalt der einzelnen Bestandtheile eines Schiffes und mit der Art der Zusammenfügung derselben. Die einzelnen Holztheile des Schiffes werden auf dem Stapel (s.d.) in Verbindung gesetzt. Dieses geschieht nach dem Sarter oder Zerter. So nämlich nennt man das Modell nebst schriftlichem Entwurf, nach welchem der Bau erfolgt. Bei jeder Nation hat der Sarter seine Eigenthümlichkeiten. – Wer das erste Schiff gebaut habe, ist gänzlich unbekannt und wahrscheinlich sind die Menschen schon in den frühesten Zeiten ganz allmälig auf diese Kunst gekommen. Nach der Mosaischen Urkunde ist die Arche Noah's das älteste Schiff, von dem wir wissen. Eines der ersten mit der Schiffahrt vertrauten Völker waren die Phönizier. Man unterscheidet die Schiffahrt in Binnenschiffahrt, insofern Flüsse, Kanäle und Landseen mit Schiffen befahren werden, Küstenschiffahrt, welche längs der Küsten hin zwischen den einzelnen Seestädten stattfindet, und Seeschiffahrt, welche über das offene Meer geht. Erst nachdem man genauere Kenntnisse über die Gestirne sich erworben, welche als Leiter auf der offenen See dienen konnten, war es möglich, sich ohne die größte Gefahr von den Küsten zu entfernen, aber erst seit Entdeckung der Magnetnadel und des Compasses (s.d.) hat die Schiffahrt allmälig ihre jetzige Höhe erreichen können, wozu noch eine Menge anderer naturwissenschaftlicher sehr wichtiger Entdeckungen gekommen sind, die es dem Seemann möglich machen, den Weg durch das Weltmeer nach bestimmten, im voraus bezeichneten Orten zu finden. Die Venetianer waren während des Mittelalters die berühmtesten Seeleute, bis ihnen Spanier, Portugiesen, Engländer und Holländer den Rang streitig machten. Die großartigen Entdeckungen, namentlich des Seewegs nach Ostindien und Amerika, trugen wesentlich zur Förderung der Schiffahrt bei. Zuletzt hat noch die Erfindung der Dampfschiffe (s. Dampf) eine der großartigsten Erweiterungen des Verkehrs durch Schiffe zur Folge gehabt. – Unter Schiffahrtskunft oder Nautik versteht man vorzugsweise die Steuermannskunst (s. Steuerruder), im Allgemeinen aber die Wissenschaft alles Dessen, was zur Schiffahrt gehört, also namentlich Astronomie, Geographie, Mathematik, Physik, Mechanik, Schiffbaukunst, Steuermannskunst, Seerecht u.s.w. Die ersten Schulen zur Bildung von Seeoffizieren, welche man jetzt bei allen schiffahrttreibenden Nationen findet, legten die Franzosen unter Ludwig XIV. an.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 72-74.
Lizenz:
Faksimiles:
72 | 73 | 74
Kategorien: