Schiesspulver

[72] Schiesspulver (das) auch nur Pulver genannt, besteht aus Salpeter, Schwefel und Holzkohle, welche in den durch die Erfahrung als am vortheilhaftesten erprobten Verhältnissen zusammengemischt werden. Der Schwefel und die Kohle dienen dazu, den Salpeter zu entzünden und dieser verpufft, d.h. verwandelt sich augenblicklich aus einem festen Körper in einen luftförmigen, welcher sich seiner Natur gemäß mit gewaltiger Kraft auszudehnen strebt und dadurch die bekannte Kraftäußerung des Pulvers hervorbringt, welche mit einem Knall (s.d.) verbunden ist. Bereitet wird das Pulver im Großen auf den sogenannten Pulvermühlen, in denen die Zerkleinerung und innige Vermischung der einzelnen Bestandtheile durch Stampf- oder Rollwerke bewirkt wird. Bei der Anlage derselben, sowie bei den Arbeiten in ihnen ist vorzüglich darauf zu sehen, daß die Gefahr der Entzündung des Pulvers vollkommen verhütet ist, indem die entsetzlichsten Verwüstungen die Folge einer solchen Entzündung sind. Man gewinnt das Pulver zunächst in Gestalt eines seinen Mehles, welches sich minder leicht entzündet als körniges Pulver. Um dieses herzustellen, drückt man daher das feuchte Mehl durch Siebe und die auf diese Art erhaltenen Körner werden nun gewöhnlich noch dadurch glatt geschliffen, daß man sie in Polirfässern vier oder mehre Stunden umdreht. Zuletzt wird das Pulver auf hölzerne Tafeln ausgebreitet an der freien Luft oder in eigens eingerichteten heizbaren Trockenhäusern getrocknet. – Als Erfinder des Schießpulvers wird gewöhnlich der deutsche Franziskanermönch Berthold Schwarz angegeben, welcher um die Mitte des 13. Jahrh. zu Freiburg im Breisgau geboren wurde. Derselbe beschäftigte sich angelegentlich mit Chemie, wurde dadurch der Zauberei verdächtig und ins Gefängniß geworfen. Hier soll er seine chemischen Arbeiten fortgesetzt haben und durch den Zufall auf die Bereitung des Schießpulvers gekommen sein. Vielleicht hat er dasselbe zuerst auf eine allgemein brauchbare und nicht geheimnißvolle Weise herstellen gelehrt, gewiß aber ist, daß schon längst vor ihm das Schießpulver angewendet worden ist. Die Chinesen sollen es am längsten kennen und anwenden. Im 9. Jahrh. schrieb ein gewisser Marcus Gracchus ein Buch, in welchem die Bestandtheile des Schießpulvers schon ganz genau angegeben sind; 813 eroberte der Bulgarenfürst Krummus die Stadt Mesembria in Thrazien am Pontus Euxinus und man fand 36 Feuerröhre und aus ihnen zu schießendes flüssiges Feuer; der griech. Kaiser Leo (890–911) ließ Handröhre zum Schießen von flüssigem Feuer herstellen; Pulvergeschütze hatten die Mauern in Spanien; mit denselben vertheidigte sich Niebla 1256; 1308 wurden sie gegen Gibraltar, 1325 gegen Baza in Spanien, 1326 gegen Martos, 1331 gegen Alicante, 1340 gegen Tariffa gebraucht u.s.w. Seit dem 15. Jahrh. kamen die Schießgewehre und mit ihnen das Schießpulver immer allgemeiner in Gebrauch und gegenwärtig sind jene bekanntlich die Hauptwaffen in der Kriegsführung. – Zur Prüfung der Güte des Pulvers bedient man sich eines eignen Werkzeuges, der Pulverprobe oder (franz.) Eprouvette. Dieselbe hat gewöhnlich die Gestalt einer Pistole, an welcher ein in Grade eingetheiltes Rad angebracht ist, welches von einer Feder gehalten wird. Das in den Lauf gebrachte Pulver muß beim Abbrennen einen an dem erwähnten Rade befestigten Arm, der die Mündung bedeckt, zurückstoßen. Hierdurch wird das Rad mehr oder weniger umgedreht und man erkennt an dem Grade, bis zu welchen diese Umdrehung geschieht, die Kraft des Pulvers im Verhältniß zu der in Anwendung gebrachten Menge desselben.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 72.
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