Knall

[620] Knall bezeichnet im Allgemeinen einen heftigen, kurzen Schall, vorzugsweise diejenige Art kurz anhaltenden lauten Schalles, welche durch schnelle und gewaltsame Ausdehnung einer Luftart hervorgebracht wird. Bei der Windbüchse z.B. ist die Luft in einem engen Raume stark zusammengepreßt und beim Losdrücken der Büchse geschieht nichts Anderes, als daß der zusammengepreßten Luft plötzlich ein Ausweg geboten wird, sie sich also schnell mit Gewalt ausdehnen kann, wobei sie in den Weg tretende Körper (die Ladung) mit sich fortreißt. Ein stärkerer Knall erfolgt, wenn man in einen luftleeren Raum plötzlich die Luft eintreten läßt. Setzt man z.B. auf den Teller einer Luftpumpe einen metallenen hohlen Cylinder, dessen oberes Ende mit einer Blase verbunden ist, und pumpt dann die Luft in dem Cylinder allmälig aus, so wird sich die Blase immer mehr nach unten senken und immer schärfer anspannen, bis sie mit einem sehr heftigen Knalle zerplatzt, indem die Luft von außen in den Cylinder stürzt. Auf einem ähnlichen Vorgange beruht auch das Knallen von Federbüchsen, wenn man schnell den Deckel abzieht. Indem nämlich der Deckel abgezogen wird, vergrößert sich der Raum im Innern der Büchse, die Luft dieses Raumes dehnt sich aus, ist dünner als die atmosphärische Luft und sowie die Büchse geöffnet wird, schlägt die äußere Luft in die Büchse hinein. Zieht man den Deckel langsam ab, so dringt durch die seinen Ritze die äußere Luft nach und nach in das Innere der Büchse; die Dichte der inneren Luft kommt daher der Dichte der äußeren fast gleich, und es erfolgt gar kein oder nur ein geringer Knall. Beim Abfeuern eines Gewehrs oder Geschützes mit Pulver ist die Entstehung des Knalls die Folge beider erwähnten Vorgänge. Beim Entzünden nämlich wird augenblicklich ein fester Körper (das Pulver) in einen luftförmigen verwandelt, dehnt sich dabei gewaltsam aus und stürzt aus dem Rohre, die Ladung vor sich hertreibend. Sowie aber dies geschehen, ist auch die das Rohr erfüllende Luft dünner als die atmosphärische, und diese stürzt daher in das Rohr. Jeder dieser Vorgänge erzeugt einen Knall, doch folgen beide Knalle so schnell aufeinander, daß man sie nicht zu unterscheiden vermag. Bei Geschützen hört man aber deutlich, daß der Knall jedesmal mit einem mehr metallischen Klange endet, welches die Folge der Erschütterung ist, die das Metallrohr erleidet, indem die äußere Luft in dasselbe stürzt. Der Knall einer Peitsche ist gleichfalls die Folge der schnellen Erzeugung eines leeren Raumes in der Luft und des Nachstürzens der Luft in diesen Raum. Jener leere Raum entsteht bei der schnellen Bewegung der Peitsche durch die Luft, denn der Raum, welchen eben noch die Peitschenschnur einnahm, wird plötzlich verlassen. Bei einer langsamern Bewegung in der Luft [620] tritt auch die Luft langsamer, nicht so plötzlich nach und es entsteht kein Knall, sondern ein mehr sausender oder summender Schall. Den Donner hat man bekanntlich auf dieselbe Art erklärt, wie den Knall der Peitsche. Hier ist es der Blitz, welcher den leeren Raum erzeugt. Vielleicht wirkt derselbe aber nicht so mechanisch wie die Peitsche, sondern mehr wie der Funke auf das Schießpulver, indem er beim Durchfahren durch die Luft die Wassertheilchen zersetzt und dadurch eine sogleich sich durch den elektrischen Funken entzündende und mit heftigem Knall wieder in Wasser verwandelnde Gasmischung bildet. Diese Gasmischung ist auch sonst als Knallgas oder Knallluft bekannt und besteht aus einem Gemenge von Wasserstoffgas und Sauerstoffgas. Bereitet man ein solches Gemenge und läßt dann einen elektrischen Funken in dasselbe schlagen oder entzündet es auf andere Weise, so verwandelt es sich augenblicklich in eine Quantität Wasser, welche einen bei weitem kleinern Raum einnimmt als vorher das Gasgemenge, und indem die Luft in den plötzlich leergewordenen Raum stürzt, entsteht ein heftiger Knall. Es gibt nun eine große Anzahl von chemischen Stoffen, welche durch Berührung mit gewissen andern Körpern, durch einen Funken oder einen Schlag, Stoß, Reibung u. dgl. plötzlich ihren Aggregationszustand ändern (entweder aus festen oder flüssigen Körpern zu luftförmigen oder aus diesen zu jenen werden) und dabei stets einen Knall erregen. Man nennt diese Substanzen knallende, verpuffende, detonirende oder explodirende. Wie das Schießpulver sind diese Substanzen großen Theils Stickstoffverbindungen, wie das Stickstoffchlorid und das Stickstoffiodid, daher die Chemiker bei der Behandlung dieser Stoffe große Vorsicht anwenden müssen. Das Knallgold ist eine Verbindung von Goldoxyd und Ammoniak (das Stickstoff enthält) und verpufft mit heftigem Knall in geringer Hitze. Ebenso ist das aus Silberoxyd und Ammoniak zusammengesetzte Knallsilber (das Berthollet'sche) eine stark explodirende Substanz. Ein anderes Knallsilber, das Howard'sche oder Brugnatelli'sche, wird durch Behandlung des Silbers mit Salpetersäure und Alkohol erhalten und verpufft mit noch größerer Heftigkeit. Auf ähnliche Weise wie dieses wird auch das Knallquecksilber erhalten, welches zu Zündhütchen angewendet wird. Dasselbe wirkt beiweitem kräftiger als das Schießpulver, ist aber auch viel leichter explodirbar und muß daher mit sehr großer Vorsicht behandelt werden. Reiben, Schlagen, Erhitzung, der elektrische und der Stahlfunke, concentrirte Schwefelsäure und brennender Zunder bringen es zum Verpuffen. Es hat dabei eine fast 30 Mal größere Triebkraft als Schießpulver. Man bedient sich desselben zur Bereitung der Zündhütchen, indem man etwa 1/3 Schießpulver in die Mischung nimmt. – Das sogenannte Knallpulver erhält man durch Zusammenmengung von Salpeter, kohlensaurem Kali und Schwefelblüten in bestimmten Quantitäten. Dasselbe entzündet sich durch Erhitzung. – Außer den erwähnten gibt es noch eine große Anzahl unter Umständen verpuffender Substanzen, von denen hier nur das Chlorgas noch angeführt werden soll. Mengt man dieses nämlich mit einer gleichen Quantität Wasserstoffgas im Dunkeln und läßt dann das Sonnenlicht darauf strahlen, so verpufft das Gemenge und es bildet sich Salzsäure. Merkwürdig ist aber, daß die Explosion nicht erfolgt, wenn das Gas in Glas von rother, gelber oder grüner Farbe eingeschlossen ist. – Eine bekannte Spielerei sind die sogenannten Knallkugeln, welche an der Lampe aus Glas geblasen und so behandelt werden, daß sie inwendig in ihrer Höhlung fast luftleer sind; zerbricht man nun diese Kugeln, so geben sie einen heftigen Knall. Andere knallen beim Erhitzen, weil man sie innerlich mit einer Flüssigkeit erfüllt hat, welche sich bei der Erhitzung ausdehnt und die Glashülle zerschmettert.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 620-621.
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