Gewehr

[213] Gewehr ist ursprünglich jedes Instrument, mit dem man sich wehrt, daher so viel als Wehr oder Waffe; vorzüglich nennt man aber Gewehre die kleinern Angriffswaffen, zum Unterschied von den Geschützen (s.d.), den größern, und endlich bezeichnet man mit diesem Ausdruck im engsten Sinne die Schießgewehre oder die Flinten, und unterscheidet von ihnen die blanken Waffen (scharfen Waffen, Seitengewehre). Die Gewehre des Militairs sind theils Schießgewehre, theils Seitengewehre, jene werden auch Obergewehre, diese Untergewehre genannt. Da die Gewehre in großer Menge zur Bewaffnung der Heere gebraucht werden, so verfertigt man dieselben vorzugsweise in Fabriken. Einige Fabriken fertigen nur Schießgewehre, andere nur blanke Waffen und noch andere beide Arten von Gewehren. Die Hauptbestandtheile eines Schießgewehrs sind folgende: Der hölzerne Schaft dient zum Zusammenhalt aller übrigen Theile und besteht aus Weißbuchen-, Ahorn- oder Nußbaumholz. Er ist unten kolbenförmig zugeschnitten, um beim Schießen das Gewehr fest und sicher an die rechte Backe legen zu können. Das eiserne Rohr oder der Lauf ist oben offen, unten durch die Schwanzschraube verschlossen, welche mit einem länglichen Fortsatz versehen ist, durch den das Rohr an den Schaft befestigt wird. Nahe am Boden befindet sich auf der rechten Seite des Rohrs eine Öffnung, das Zündloch, durch welches das Abschießen des Gewehrs geschieht. Das Schloß des Gewehrs ist der zusammengesetzteste Theil und wird verschieden hergestellt. Am gewöhnlichsten ist noch das Schloß mit Hahn und Pfanne. Bei diesem liegt neben dem Zündloch eine kleine Pfanne, auf welche der Pfannendeckel durch eine Springfeder angedrückt wird. Dieser Pfannendeckel hat einen senkrecht in die Höhe gehenden stählernen Fortsatz und hinter ihm steht der Hahn, welcher oben zwischen zwei Platten eingeschraubt einen Flintenstein trägt und unterwärts mit einer nach innen liegenden starken Feder in Verbindung steht, durch die er mit Gewalt gegen den Pfannendeckel geschleudert wird, wenn die Feder vorher angespannt und dann die Hemmung aufgehoben worden, durch die sie für gewöhnlich zurückgehalten wird. Das Aufheben dieser Hemmung geschieht durch Druck an eine Zunge, welche in der Gegend des Schlosses unterhalb am Gewehre liegt. Eine andere Einrichtung hat das erst in diesem Jahrhundert erfundene Percussionsschloß. (S. Percussion.) An die Stelle des auf die Pfanne aufgeschütteten Pulvers tritt hier eine eigenthümliche chemische Mischung, welche die Eigenschaft hat, durch einen Schlag zur Entzündung gebracht zu werden. Am gebräuchlichsten ist jetzt folgende Einrichtung: Statt der Pfanne und des Pfannendeckels ist ein in den Lauf mündender Kanal angebracht, welcher äußerlich in einem kegelförmigen kleinen Zapfen ausgeht, und der kammerförmige Hahn hat vorn eine Vertiefung, welche beim Niederschlagen über jenen Zapfen paßt. Auf den letztern wird nun ein Zündhütchen aufgesetzt, welches aus dünnem Kupferblech besteht und inwendig eine kleine Quantität der Knallmischung enthält. Sowie der Hammer auf das Hütchen schlägt, geht der Schuß los. Diese Art von Schlösser haben manche Vortheile, namentlich, daß sie seltener einer Reparatur bedürfen, daß fast nie ein Schuß versagt und daß die Nässe keinen nachtheiligen Einfluß hat. Dagegen sind sie im Allgemeinen weniger sicher als die gewöhnlichen Schlösser, und obschon man verschiedene Sicherheitsvorkehrungen erfunden hat, so hat sich doch noch keine allgemeine Einführung verschafft. Der Ladestock, ein die Länge des Rohres etwas übertreffender eiserner oder hölzerner Stock, dient, die Ladung in das Rohr festzustoßen, und hat seine Stelle, wenn er nicht in Gebrauch ist, unterhalb des Rohres im Schaft. Der Beschlag oder die Garnitur des Gewehrs besteht aus verschiedenen Messingstücken. und Ringen, um das Rohr an den Schaft zu halten; einem gebogenen Stück, welches über die Zunge geht, um diese zu sichern, damit das Gewehr nicht durch eine zufällige Berührung losgedrückt werde, endlich einer Platte, welche den untersten Theil des Kolben bedeckt. Zu diesen Theilen kommt bei den meisten Gewehren für das Militair noch ein Bayonnet (s.d.).

Man unterscheidet verschiedene Arten der Feuergewehre. Die Büchse hat einen gezogenen, d.h. inwendig gerieften Lauf, und unterscheidet sich dadurch von der glattläufigen Flinte. Diese trat bei den Soldaten an die Stelle der alten schwerfälligen Muskete (s.d.). Die Jagdflinten zeichnen sich durch Leichtigkeit aus und sind häufig nur halbgeschäftet, d.h. der hölzerne Schaft geht nur bis gegen die Mitte des Rohrs. Bei den Doppelflinten, welche zur Jagd sehr beliebt sind, liegen zwei Rohre nebeneinander, und jedes Rohr hat ein eignes Schloß mit einer eignen Zunge. Die östr. Schützen haben Doppelflinten mit einem glatten und einem gezogenen Rohre übereinander und sind so eingerichtet, daß man den Lauf, welcher abgefeuert werden soll, herausdrehen kann. Noch anders sind die Doppelbüchsen der tiroler Gemsenjäger eingerichtet, indem hier in einem starken gezogenen Laufe zwei Schüsse übereinander geladen werden, jeder Schuß aber durch ein eignes Schloß abgefeuert wird. Über Carabiner und Pistolen s. d. Art. Man hat eine Menge verschiedener Erfindungen beim Feuergewehr gemacht, welche theils zu größerer Sicherung gegen Gefahr, theils zu größerer Brauchbarkeit zum Schießen dienen sollen, und hat einzelne außerordentlich künstliche derartige Instrumente hergestellt. Zu den scharfen Waffen gehören außer den Seitengewehren (Degen. Säbel, Pallasch) [213] auch Dolche, Piken, Lanzen, Hellebarden, Partisanen u.s.w. Man unterscheidet Hiebwaffen, welche zum Schlagen dienen, schwer und scharf sind, und Stoßwaffen, welche leicht und spitzig sind.

In den Gewehrfabriken werden die einzelnen Theile der Schießgewehre besonders gefertigt und später erst zusammengesetzt. Das Eisen, aus dem die Rohre gearbeitet werden sollen, wird auf Hammerwerken in Platten, Platinen genannt, geschlagen; aus diesen macht der Rohrschmied Röhren; diese müssen noch gerichtet, gebohrt, geschliffen, polirt und mit Schwanzschrauben versehen werden. Alle einzelnen Theile des Gewehrs werden durch den Equipeur zusammengesetzt. Ebenso werden auch die scharfen Gewehre erst in ihren einzelnen Theilen besonders verfertigt und hernach zusammengesetzt. Jeder größere Staat hat seine eignen Gewehrfabriken. Die Gewehrfabriken zu Lüttich sollen allein jährlich 6000 Jagdflinten, 27,000 Soldatengewehre und 2000 Pistolen liefern. Zu den ältesten und größten Gewehrfabriken Deutschlands gehören die in Suhl, welche ehemals jährlich gegen 60,000 Rohre lieferten. Ausgezeichnete Seitengewehre liefern die Fabriken zu Solingen und Remscheid, die gegen 800 Schwertfeger, welche Klingen arbeiten, beschäftigen. Damascenerklingen (s. Damaskus) werden in Mailand gearbeitet, und die besten span. Degenklingen kommen aus Toledo.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 213-214.
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