Gracchus

[257] Gracchus (Tiberius Sempronius und Cajus), zwei ausgezeichnete Römer aus einem der edelsten Geschlechter der röm. Republik. Ihre Mutter, die durch ihre Frauentugenden berühmte Cornelia, eine Tochter des ältern Scipio, erzog ihre Söhne, in denen sie ihren schönsten Schmuck und Stolz erblickte, auf das sorgfältigste. Tiberius Sempronius, ungefähr neun Jahre älter als sein Bruder, hatte sich als Krieger bereits vortheilhaft ausgezeichnet und verschiedene höchst ehrenvolle Staatsämter bekleidet, als er, ergriffen von der Noth, in welcher die ärmere Volksclasse schmachtete, und um der Sittenlosigkeit zu steuern, welche die Folge jener Noth war und dem Staate selbst Verderben drohte, sich um die Stelle eines Volkstribuns bewarb. Mit dieser Würde war Unverletzlichkeit der Person verbunden und so konnte es G. wagen, nachdem er jene 133 v. Chr. erlangt hatte, die Erneuerung eines alten vergessenen Gesetzes in Vorschlag zu bringen, nach welchem kein Bürger Roms mehr als 500 Acker von dem Gemeinlande des Staats besitzen sollte. Vergebens wandten die Reichen und Vornehmen alle Mittel an, um die Absichten G.'s zu hintertreiben; mit Muth, Kraft und Klugheit wußte dieser alle Hindernisse zu besiegen; das Gesetz ging durch. Noch heftiger wurden die Vornehmen durch einen neuen Gesetzvorschlag G.'s erbittert, nach welchem das Volk Geld zur Anschaffung von Ackergeräthen erhalten sollte. Es bildete sich eine starke Partei gegen G. und als dessen Tribunat abgelaufen war und er sich auch für das nächste Jahr wieder um dasselbe bewarb, kam es zu einem Auflauf, bei welchem er mit 300 seiner Anhänger erschlagen ward. Der Anführer der. angreifenden Partei, Scipio Nasica, von dem Senate zu Rom selbst begünstigt, entging der Strafe. In die Fußtapfen seines Bruders trat Cajus G., als er 123 v. Chr. Tribun geworden war. Er schlug eine Anzahl von Gesetzen vor, welche sämmtlich den Zweck hatten, gegen das Interesse der Vornehmen die ärmern Volksclassen zu heben. Er ging noch viel weiter als sein Bruder, und da seine Vorschläge zum Theil von wirklich gefährlicher Art für das Bestehen des Staats waren, auch unkluge und unredliche Volksaufwiegler, durch der Gracchen Beispiel ermuntert, eine Pöbelherrschaft herbeizuführen bestrebt waren, so verließen die edelsten und weisesten Römer, welche auf der Seite des ältern G. gestanden hatten, den jüngern, obschon dieser an glänzenden Eigenschaften, besonders an Beredtsamkeit, jenen noch übertraf. Das. Volk hatte auch 122 den G. zum Tribun erwählt, aber im dritten Jahre wurde er nicht gewählt. Einer von der Partei G.'s tödtete von ungefähr einen Lictor, und der Consul Opimius, ein eifriger Gegner der Volkspartei, benutzte sogleich die Gelegenheit, die Vornehmen und deren Anhänger gegen die Freunde des G. zu bewaffnen. Mit 3000 röm. Bürgern wurde Cajus G. selbst umgebracht und der Consul Opimius errichtete der Eintracht einen Tempel.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 257.
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