Stolz

[307] Stolz nennt man das gegen Andere an den Tag gelegte Selbstgefühl seines Werthes. Bleibt derselbe innerhalb der Grenzen der Gerechtigkeit gegen sich selbst und gegen Andere, so bezeichnet man ihn als edlen Stolz und kann ihn nicht tadeln, sondern nur loben. Ja da nur der gute Mensch sich wahrhaft selbst achten kann, so ist ein edler Stolz auch ein Zeichen einer ehrenwerthen Gesinnung. Er kann bei der größten Bescheidenheit bestehen, indem er sich nicht dadurch äußert, daß äußere Ehrenbezeigungen in Anspruch genommen werden, sondern darin, daß Alles abgelehnt wird, was der sittlichen Würde des Charakters entgegen sein könnte. Dagegen ist der falsche Stolz mehr auf die äußerliche Anerkennung einer eingebildeten oder erheuchelten Würde gerichtet und beruht auf Selbstüberschätzung oder Verachtung Anderer. Derselbe ist tadelnswerth und sündhaft, weil er die sittliche Ausbildung hemmt, und überdies beschwerlich und die Nebenmenschen zum Haß aufregend. Er wird in seinen Extremen zur Hoffahrt und Aufgeblasenheit; bei jener sucht sich der falsche Stolz durch äußern Glanz, bei dieser durch imponirendes Benehmen geltend zu machen. Jene ist widerlich, diese lächerlich. Der Hochmuth ist namentlich die Art des falschen Stolzes, welche aus einer wirklichen Überschätzung seiner selbst hervorgeht, also auch die, welche die größte sittliche Verdorbenheit, die Lüge gegen sich selbst, voraussetzt. Er ist stets mit der Verachtung der Nebenmenschen vereinigt. Bei einem kleinlichen Charakter, welcher die Vorzüge des Menschen in allerlei Äußerlichkeiten, wie Körperschönheit, Kleidung und dergl., sucht und sich daher einbildet, wenn er diese in vorzüglichem Grade besitze, besser als Andere zu sein, wird der Hochmuth zur Eitelkeit.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 307.
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