Stolberg [2]

[307] Stolberg (Friedr. Leopold, Graf zu), aus der Linie S.-Stolberg, ein zu seiner Zeit berühmter deutscher Dichter, geb. am 7. Nov. 1750 in dem holsteinischen Flecken Bramstedt, studirte zu Göttingen, wurde dann königl. dänischer Kammerjunker, 1777 fürstbischöfl. lübeckischer bevollmächtigter Minister zu Kopenhagen, 1789 königl. dänischer Gesandter zu Berlin und 1791 Präsident der fürstbischöfl. lübeckischen Regierung zu Eutin, legte aber 1800 seine sämmtlichen Ämter nieder, trat mit seiner ganzen Familie, seine älteste Tochter ausgenommen, zur katholischen Kirche über und zog nach Münster. Er starb am 5. Dec. 1819 auf dem Gute Sondermühlen bei Osnabrück, niedergebeugt durch die bittern Kränkungen, die er wegen seiner Religionsänderung erfahren, besonders von seinem ehemaligen Freunde Voß. Als Dichter gehört S. mit den übrigen Mitgliedern des Hainbundes, als Voß, Bürger, Hölty und Andern, welchen die talentvollen Jünglinge zu Göttingen schlossen, zu Denjenigen, welche zu dem kräftigen Aufschwunge, den die deutsche Poesie damals nahm, thätig mitwirkten. S. blieb der damaligen Richtung der Poesie, die besonders durch Klopstock's Odendichtung veranlaßt war, getreu, und kühner Gedankenaufschwung, kräftiger Ausdruck und Fülle von Bildern, worunter freilich oft die Natürlichkeit leiden muß, daneben die edelste Gesinnung und Begeisterung für Religion, Freiheit, Liebe und Freundschaft charakterisiren seine Dichtungen. Diese, theils gereimt, theils in antikem Versmaße, bestehen in Liedern, unter denen indessen die besten ganz einfach gehalten (z.B. das oft componirte: »Süße, heilige Natur, Laß mich gehn auf deiner Spur«), in Oden, Elegien, Romanzen und Balladen (darunter die berühmte und durch Musik und Malerei verherrlichte Ballade: »Die Büßende«); ferner in Satiren, die er unter dem Namen »Jamben« herausgab, und in dramatischen Arbeiten, unter denen die Schauspiele mit Chören, deren er sowie sein Bruder verfaßte, zu bemerken sind. Auch schrieb er einen philosophisch-politischen Roman »Die Insel«. Seine sonstigen prosaischen Schriften sind: »Reise in Deutschland, der Schweiz, Italien und Sicilien«, »Leben Alfred's des Großen« und die nach seinem Übertritte zur katholischen Kirche verfaßten Werke: »Zwei Schriften des h. Augustinus von der wahren Religion und von den Sitten der katholischen Kirche«, und »Geschichte der Religion Jesu« (15 Bde.), die ohne wissenschaftlichen Werth ist, aber auf Veranstaltung des Papstes sogleich ins Italienische übersetzt wurde. Endlich hat sich S. als Übersetzer nicht unbedeutende Verdienste erworben. – Sein älterer Bruder Christian Graf zu S., geb. 1748, gest. 1821, hat mit ihm eine auffallende Geistesverwandtschaft, sowol nach dem Charakter seiner Dichtungen, als nach den Arten derselben, nur stehen seine Dichtungen im Ganzen denen des Vorigen an Werth nach. Auch er hat sich ebenfalls als Übersetzer verdient gemacht. Die poetischen Werke beider Brüder sind enthalten in den »Werken der Brüder S.«, die 1820–25 zu Hamburg in 20 Bdn. erschienen sind.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 307.
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