Hamburg

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[318] Hamburg, eine freie Stadt und die größte Handelsstadt Deutschlands, umfaßt mit Einschluß des Amtes Bergedorf, welches H. mit Lübeck gemeinschaftlich besitzt, ein Gebiet von 7 ! M., auf dem etwa 150,000 Menschen in zwei Städten, einem Flecken, 47 Dörfern und verschiedenen einzelnen Höfen wohnen.

Der größte Theil dieses von Hanover, Lauenburg und Holstein begrenzten Gebiets liegt auf der rechten Seite der Elbe und besteht aus fruchtbarem Marschlande, während das Amt Ritzebüttel auf dem linken Elbufer sandigen Boden hat. Die Stadt H. selbst liegt auf dem rechten Elbufer in einer schönen Ebene, da, wo sich die Alster in dieselbe ergießt, 18 M. von der Mündung der Elbe in die Nordsee. Drei Stunden von der Stadt theilt sich die bis Hamburg für Seeschiffe fahrbare Elbe in zwei Arme, die Süderelbe und die Norderelbe, welche sich wieder in verschiedene kleinere Arme spalten. Die Norderelbe geht an der Südseite von H. hin und steht mit einer Menge von Kanälen, Fleete genannt, in Verbindung, von denen der untere Stadttheil in verschiedenen Richtungen durchschnitten wird. Während die verschiedenen Arme, welche die Stadt bewässern, sich im Oberhafen vereinigen, bildet der Hauptstrom der Norderelbe selbst den Niederhafen. In jenem liegen die Flußschiffe, welche die Elbe herabgekommen sind, in diesem, dem Rummelhafen, die auf der Elbe herausgekommenen Seeschiffe. Die aus Holstein kommende Alster bildet im Norden der Stadt ein großes Becken, mit dem ein kleineres innerhalb der Stadt zusammenhängt. Schleusenwerke und Mühlgraben setzen die Alster mit der Elbe in Verbindung. Die Elbarme bilden mehre Inseln, auf denen die Altstadt H. liegt und welche durch Brücken miteinander verbunden werden. Die Neustadt liegt auf dem Westufer der Alster. Zwei Vorstädte, nordwestl. der hamburger Berg und östl. St.-Georg, gehören zu H., dessen ehemalige Festungswerke in anmuthige Spaziergänge umgewandelt worden sind. Von den 115,000 Einw. H.'s sind 14,000 Juden, 4000 Reformirte, 3000 Katholiken, 500 Herrnhuter und Mennoniten, die übrigen Protestanten. Die Altstadt hat enge und krumme Gassen, besser gebaut ist die Neustadt; die schönsten Stadttheile aber sind der Jungfernstieg an der Alster, die Esplanade, eine 165 F. breite Straße mit vier Reihen Ulmen in der Mitte, die Gröningerstraße und die Admiralitätsstraße. Eine in ihrer Art einzige Anstalt ist die 1804 eröffnete, hier abgebildete Börsenhalle, ein Privatunternehmen. Drei große Säle mit Säulengängen im Erdgeschoß dienen allen Fremden, namentlich allen mit dem Handel in Verbindung stehenden, zum Vereinigungspunkte. Alle für diese interessanten und wichtigen Bekanntmachungen sind hier angeschlagen, die wichtigern Zeitschriften aller Nationen liegen auf, und ebenso alle übrigen interessanten literarischen Neuigkeiten, Kupferwerke u.s.w. Mit dieser Börsenhalle steht eine große Druckerei in Verbindung, in welcher die Zeitschriften, welche die Börsenhalle selbst herausgibt, gedruckt werden. Von den fünf Hauptkirchen ist die Petrikirche die älteste, die Michaeliskirche mit einem 456 F. hohen Thurme die schönste. Ausgezeichnete Gebäude sind ferner das weitläufige Stadthaus, das Rathhaus, welches 21 steinerne Bildsäulen röm. Kaiser zieren und gegenüber das auf 14 Doppelpfeilern ruhende Börsengebäude, welches in der nachstehenden Abbildung dargestellt ist. Unter den Schulanstalten [318] zeichnet sich das Johanneum aus, welches 1528 gegründet wurde, und aus einer höhern Bürgerschule und einer Gelehrtenschule besteht. Auf dem 1613 eröffneten Gymnasium werden die Schüler weiter bis zur Universität vorbereitet. Andere Bildungsanstalten sind die Navigationsschule zur Bildung tüchtiger Steuermänner, die pharmaceutische Lehranstalt, das akademische Handelscomtoir zur Ausbildung junger Kaufleute, die 1830 vom Verein für vaterländisches Schul- und Erziehungswesen gestiftete Unterrichtsanstalt für Schulgehülfen, die Zeichnenschule der Gesellschaft für Kunst und nützliche Gewerbe, eine Akademie der zeichnenden Künste u.s.w. Seit 1826 besteht zu H. eine Sternwarte; der botanische Garten hat einen großen Reichthum von seltenen Pflanzen; das Röding'sche Museum enthält schöne Naturalien, eine naturgeschichtliche Bibliothek, Kupferstichsammlungen und Geräthschaften ausländischer Völker. Die Stadtbibliothek besitzt viele Handschriften und seltene Druckwerke, und die 1735 gestiftete Commerzbibliothek eine ansehnliche Sammlung von den Kaufmann und Seefahrer interessirenden Schriften, sowie von Landkarten. H. hat viele Stiftungen zu wohlthätigen Zwecken. Das aus dem 16. Jahrh. stammende Waisenhaus erzieht mehr als 700 Kinder. Nicht minder nützlich sind das Taubstummeninstitut, die Kleinkinderschulen (Warteschulen), das allgemeine Krankenhaus, welches Raum für 1200 Kranke hat, das Magdalenenstift zur Besserung sittenloser Mädchen. Die allgemeine Armenanstalt H.'s ist vortrefflich eingerichtet. Außer ihr gibt es noch ein Armenhaus für Seefahrer und andere Verpflegungsanstalten, in welche sich alte Leute für geringe Kosten einkaufen können. Zum Empfang der Reisenden stehen mehre ausgezeichnet eingerichtete Gasthöfe offen, unter ihnen das Baumhaus mit einer herrlichen Aussicht auf den Hafen.

Die Verfassung des Freistaats ist demokratisch, aber die Zahl der bevorrechtigten (der erbgesessenen) Bürger gegen die Gesammtzahl der Bewohner ist sehr gering. Der Senat, [319] in dessen Händen die vollziehende Gewalt liegt, besteht aus vier Bürgermeistern und 24 Rathsherren. Von diesen müssen drei Bürgermeister und elf Rathsherren Doctoren der Rechte, die übrigen Kaufleute sein. Die erbgesessenen Bürger wählen in jedem der fünf Kirchspiele 36 Bürger, welche Mitglieder des Collegiums der Hundertachtziger oder des großen Ausschusses sind, und aus denen wieder das Collegium der Sechsziger gewählt wird. Die ältesten Bürger des letztgenannten bilden das Collegium der 15 Oberalten. Diese und die Mitglieder des Raths erhalten Besoldungen. Die von dem Rathe vorgeschlagenen Gesetze treten durch die Bestimmung der erwähnten Collegien in Kraft. Eine eigne Commission von Bürgern hat die Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben und legt dem Rathe Rechenschaft ab. Jene sollen ungefähr 2 Mill. Conventionsgulden jährlich betragen. Die Policeiverwaltung wird von zwei damit beauftragten Senatoren verwaltet. Mit der Rechtspflege beschäftigen sich verschiedene Gerichtshöfe; die letzte Instanz aber bildet das Oberappellationsgericht der deutschen freien Städte zu Lübeck. H. hat auf dem deutschen Bunde in dem engern Rathe mit den übrigen freien Städten gemeinschaftlich Eine, in dem weitern Rathe aber für sich allein Eine Stimme. Es hat zum Bundesheer 1298 M. zu stellen. Zum Bürgermilitair gehört alle waffenfähige Mannschaft von 22–45 Jahren und dieselbe besteht aus 8 Bataillonen Infanterie, 1 Jägerbataillon, 2 Compagnien Artillerie und 1 Schwadron Reiter. Außerdem hat H. noch eine eigne Besatzung, welche aus 1 Infanteriebataillon, 2 Compagnien Artillerie und 1 Schwadron Reiter besteht.

Der bedeutendste Erwerbszweig H.'s ist der Handel, dessen Lebhaftigkeit man schon daraus ersieht, daß H. 800 Mäkler nöthig hat. Über H. wird ein großer Theil aller überseeischen Waaren bezogen, die in Norddeutschland verbraucht werden. Hauptgegenstand der Ausfuhr ist die Leinwand. Die 1619 gegründete Bank wirkt mächtig zur Förderung des Handels. Nach Hull, London, Amsterdam, Havre gehen regelmäßig Dampfboote ab. Von Fabriken blühen besonders die Tabacksfabriken, die Zuckersiedereien, die Wachsbleichen, Segeltuchmanufacturen und Blechwaarenfabriken. In dem Hafen von H. laufen jährlich über 2000 Seeschiffe ein und aus. Es ist in Absicht, von H. aus Eisenbahnen nach den wichtigen Handelsplätzen im Innern von Norddeutschland zu führen.

Die Entstehung H.'s soll schon in die Zeiten Karl's des Großen fallen. Um eine von diesem Kaiser gebaute Burg und eine Kirche sollen sich allmälig immer mehr Menschen angesiedelt haben. Es war schon eine ansehnliche Stadt, als sie Kaiser Otto IV. 1215 zur freien Reichsstadt erhob; aber ihr Wohlstand wurde erst bedeutend, nachdem die Hansa (s.d.), zu deren Entstehung H. wesentlich beitrug, mächtig geworden war und dem Handel Freiheit und Sicherheit verschafft hatte. Gleichzeitig bildete sich auch die Verfassung der Stadt aus, welche bisher mancherlei Wechseln unterworfen gewesen war. Die reichen und betriebsamen Bewohner H.'s vermehrten sich durch Einwanderungen aus Antwerpen, Lissabon und andern Orten, wo Religions- und Handelsbeschränkungen stattfanden, während H. zeitig in beiden Beziehungen eine größere Freiheit weise gestattete, die nur selten durch den Eigennutz der Bürger und den Religionseifer der Geistlichkeit einige Störungen erfuhr. Großen Vortheil brachte es der Stadt, daß sie vom dreißigjährigen Kriege nicht unmittelbar getroffen wurde. Im Kriege gegen Napoleon mußte aber H. desto mehr leiden und verlor sogar auf einige Zeit seine Selbständigkeit. Schon 1806 wurde es von den Franzosen besetzt und 1810 dem franz. Reiche einverleibt. Die Franzosen verließen es 1813 und alsbald errichteten die Einwohner eine hanseatische Legion, welche an dem Kampfe der Deutschen gegen die übermüthigen Eroberer theilnehmen sollte. Aber die Franzosen kehrten noch in demselben Jahre zurück und H. mußte nun für seine Erhebung gegen das Joch der Ausländer schwere Bedrückungen und Gewaltthätigkeiten leiden, bis es endlich 1814 von den Russen besetzt wurde. Die alte Verfassung wurde 1815 wiederhergestellt und H. als freie Stadt in den deutschen Bund aufgenommen. Seitdem hat sich H.'s Handel wieder mächtig gehoben und am 29. Sept. 1828 wurde das 300jährige Jubelfest der bürgerschaftlichen Verbindung H.'s feierlich begangen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 318-320.
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318 | 319 | 320
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