Fremde

[109] Fremde im rechtlichen Sinne sind Personen, welche sich in einem Lande, in welchem sie nicht geboren sind, vorübergehend aufhalten. Man setzt sie den Einheimischen entgegen, welche entweder in dem Lande selbst geboren sind oder doch das Bürgerrecht darin erworben haben. Den Inbegriff derjenigen Rechte, welche dem Einheimischen vor dem Fremden zustehen, nennt man das Indigenat. Noch heutigen Tages werden in manchen Ländern, z.B. in China und Japan, die Fremden als Feinde des Staats angesehen. Auch in Deutschland war in frühern Zeiten die Gesetzgebung gegen die Fremden weit strenger als gegen die Einheimischen. Sie mußten diesen bei Concursen nachstehen, waren nicht erbfähig, konnten keinen Grundbesitz erwerben und nach einigen Localrechten selbst nicht einmal ein gültiges Zeugniß ablegen. Diese Härten sind indeß mit fortschreitender Bildung aus unserer Gesetzgebung verschwunden, namentlich sichert die deutsche Bundesacte den Unterthanen der Bundesstaaten das Recht zu, auch außerhalb des Staats, in welchem sie ihren wesentlichen Wohnsitz haben, Grundeigenthum zu erwerben; sie müssen aber auch, wie sich von selbst versteht, dann dieselben Lasten und Abgaben tragen, welche den Einheimischen obliegen. Nur in Bezug auf Anstellung im Staatsdienste und Zulassung zur juristischen Praxis sind die Fremden meist noch den Einheimischen nachgesetzt, wenigstens werden sie häufig nur unter der Bedingung zugelassen, daß sie zuvor das Indigenat oder das Bürgerrecht des Staats erwerben. Auch haben bei der Erwerbung des Bürgerrechts in einzelnen Städten die Fremden in der Regel mehr zu bezahlen als die Einheimischen. Als Folge des Unterschieds zwischen Einheimischen und Fremden ist das Wildfangsrecht anzusehen, welches dem Kurfürsten von der Pfalz nach altem, durch kais. Privilegien bestätigtem Herkommen nicht nur in den eignen pfälzischen Kurlanden, sondern auch in mehren benachbarten Rheinlanden zukam und welches darin bestand, daß alle herrenlose Leute welche sich Jahr und Tag in jener Gegend aufhielten, als Wildfänge in Anspruch genommen und zur Entrichtung des sogenannten Fahrguldens und zu alle Dem angehalten wurden, wozu andere Leibeigene verpflichtet waren. Hierher gehört auch das sogenannte Heimfalls- oder Fremdlingsrecht, vermöge dessen sich der Fiscus die Verlassenschaft, welche ein im Lande verstorbener Fremder bei sich hatte, mit Ausschluß aller Vertrags-, Testaments- und Intestaterben zueignete. Es bestand am längsten in Frankreich, wo es erst durch die Nationalversammlung am 6. Aug. 1790 aufgehoben wurde. Während in Frankreich in Folge der Revolution duldsamere und humanere Gesinnungen gegen die Fremden vorherrschend wurden, so veranlaßte dieselbe 1793 in England ein Gesetz, welches der entgegengesetzten Tendenz huldigt, die sogenannte Fremdenbill. Sie ward in Vorschlag gebracht, weil man den Einfluß franz. Emissaire fürchtete. Nach ihr wurde jeder Ausländer bei seiner Ankunft in England einer sorgfältigen Untersuchung unterworfen, mußte sich einen Sicherheitspaß lösen und konnte auf jeden Argwohn hin fortgewiesen werden. Diese letztere Bestimmung ist indeß bei der Modification dieser Bill 1814 weggefallen und es herrschen gegenwärtig in England sehr tolerante Principien in Bezug auf Fremde und selbst auf Flüchtlinge aus andern Staaten. Die vollen Rechte eines Eingeborenen können Fremde jedoch nur durch ausdrückliche Bestimmung des Parlaments erhalten. Gegenwärtig sind in Folge der politischen Untersuchungen und der vielen in Folge derselben unstät sich herumtreibenden Flüchtlinge in den meisten Staaten die Paßverordnungen (s. Paß) so streng gehandhabt worden, daß dadurch dem Aufenthalte und dem Reisen der Fremden große Schwierigkeiten in den Weg gelegt werden.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 109.
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