Concurs

[456] Concurs bedeutet im Lateinischen eigentlich Zusammenlauf, Zusammentreffen, daher auch die Bewerbung Mehrer um eine Sache, z.B. um eine Stelle, um Lösung einer Preisaufgabe so genannt wird. Die Bewerber heißen davon Concurrenten, welchen Namen man auch Kauf- und Geschäftsleuten gibt, die gleiche Waaren führen oder gleiche Geschäfte betreiben, daher gleichsam um die Gunst ihrer Abnehmer sich um die Wette bewerben. In rechtswissenschaftlicher Bedeutung entsteht Concurs der Gläubiger, wenn das Vermögen eines Gemeinschuldners nicht mehr zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten ausreicht. So lange dieser Zustand noch nicht gerichtlich anerkannt ist, nennt man den Concurs den materiellen und unterscheidet ihn von dem formellen, welcher erst mit dem eröffneten gerichtlichen Verfahren beginnt und nicht eher eintreten kann, als bis der Richter vom erstern hinlängliche Überzeugung erlangt hat. Diese Überzeugung kann auf Antrag des Schuldners selbst bewirkt und demgemäß ein gerichtliches Verfahren, der Concurs- oder Gantproceß, eröffnet werden, wenn er seine Zahlungsunfähigkeit erklärt, um das beneficium cessionis bonorum, die Wohlthat der Güterabtretung, zu erlangen, auf die er aber nur Anspruch hat, wenn er seinen unverschuldeten Vermögensverlust nachweisen kann. Er tritt dann sein sämmtliches Vermögen den Gläubigern ab, behält jedoch [456] so viel, als er zum nothdürftigen Lebensunterhalte bedarf, welches ihm auch späterhin bleibt, wenn er wieder in bessere Verhältnisse kommt. Auf Antrag der Gläubiger kommt es zum Concurs, wenn ein Schuldner, nachdem der Richter ihm eine bestimmte Zeit zur Darlegung seiner Zahlungsunfähigkeit gesetzt hat, dieser nicht entsprechen kann; worauf dem Schuldner die Disposition über sein Vermögen entzogen und zu dessen Sicherstellung vom Gericht zweckdienliche Maßregeln ergriffen werden. Aus demselben wird nun eine Gesammtmasse gebildet, welche auf die sämmtlichen Gläubiger nach Verhältniß ihrer Ansprüche übergeht. Diejenigen Besitzthümer des Gemeinschuldners oder Gantmanns, welche nicht unter dem Concursgerichte liegen, sucht man dort zu vereinigen. Damit aber das Gesammtvermögen gehörig verwaltet, auch der Schuldner gegen seine Gläubiger vertreten werde, hat das Gericht einen Gütervertreter (Curator bonorum, auch massae), und einen Concursvertreter (Curator litis oder contradictor) zu bestellen, von denen Ersterer für die Verwaltung und Vermehrung des Vermögens, Letzterer, welcher ein Rechtsgelehrter sein muß, für das Beste des Gemeinschuldners den Gläubigern gegenüber sorgt. Im Verfolge des Verfahrens werden durch eine Edictalcitation Alle, welche aus irgend einem Rechtsgrunde an dem Vermögen des Gemeinschuldners Ansprüche zu haben vermeinen, auf einen bestimmten Tag vorgeladen. An diesem, dem Liquidationstermine, ruft nun der Contradictor die Gläubiger zur Angabe und Darlegung ihrer Ansprüche auf und beschuldigt die Nichterschienenen des Ungehorsams, der Richter aber versucht zuvor einen Vergleich zu Stande zu bringen und verweist, wenn ihm dies nicht gelingt, zum rechtlichen Verfahren. In demselben streiten die einzelnen Gläubiger theils gegen den Curator litis über die Richtigkeit, theils gegen ihre Mitgläubiger über die Priorität oder den Vorzug ihrer Foderungen. Wenn dieses Verfahren, welches den Umständen nach sechs Wochen und länger dauern kann, geschlossen ist, so erfolgt das Locationserkenntniß, auch Prioritäts-und Classificationserkenntniß genannt, welches über die Richtigkeit der einzelnen Foderungen erkennt und jeder die ihr nach der gesetzlichen Rangordnung gebührende Stelle anweist, auch die Ausschließung nichtangemeldeter Foderungen ausspricht, wenn dies nicht bereits früher durch einen eignen Präclusivbescheid geschehen ist. Zur Entscheidung der Frage: wie viel ein Jeder bekommt, wird in der Regel noch ein besonderer Distributionsbescheid erlassen, welcher die Berechnung über den Geldertrag und die Verwaltung der Masse, die Bestimmung des Tages der Auszahlung enthält und weiter nichts ist als ein Rechenexempel, wodurch das Locationserkenntniß ausgeführt wird.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 456-457.
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