Artillerie

[126] Artillerie nennt man nicht nur im Allgemeinen die Artilleriewissenschaft, sondern auch insbesondere das grobe Geschütz, nämlich Kanonen, Mörser und Haubitzen, nebst allem Zubehör, sowie die zur Bedienung desselben nöthige Mannschaft. Die Artilleriewissenschaft umfaßt Alles, was zum Dienste der Artillerie zu wissen nöthig ist, insbesondere die Kenntniß von der Einrichtung, Anfertigung und dem Gebrauche aller Feuerwaffen, des bei Anwendung derselben nöthigen Materials, z.B. des Schießpulvers, der Munition u.s.w., sowie der Kunstfeuer, da sie nicht nur das grobe Geschütz zu bedienen, d.h. zu laden, zu richten und abzufeuern, sondern auch das zum Feuern nöthige Material und alle Arten Kunstfeuer zu fertigen und die Anfertigung aller Feuerwaffen wenigstens zu beaufsichtigen und zu verwahren hat. Insofern man unter Artillerie das Geschütz selbst nebst den dazu gehörigen Munitions-, Vorraths-, Trainwagen, Feldschmieden u.s.w. versteht, zerfällt sie in Feld-, Festungs- und Belagerungsartillerie. Zu der erstern gehören blos leichte zwölf- und sechspfündige Kanonen, kleine Haubitzen und Brandraketen, während die schwerern Kanonen, Mörser und Haubitzen als Festungs- und Belagerungsgeschütz dienen. In der Regel werden auf 1000 Mann drei Geschütze gerechnet. Die zur Bedienung des Geschützes bestimmte Mannschaft, die Artilleristen, deren zehn bis zwölf bei einer Kanone oder Haubitze nöthig sind, nannte man ursprünglich Büchsenmeister. Sie bildeten eine Zunft, gingen in Dienste, wo es Krieg gab, standen dann unter dem Befehle eines Zeugmeisters, erhielten einen hohen Sold und genossen manche Vorrechte. Später unterschieden sie sich in Feuerwerker, Büchsenmeister und Schlangen- oder Feldschützen. Die Erstern mußten mit der Artilleriewissenschaft in ihrem ganzen Umfange bekannt sein; die Büchsenmeister hatten das grobe Geschütz zu bedienen und das dabei nöthige Material zu fertigen, die Feldschützen endlich waren zur Bedienung des Feldgeschützes. Die blos mechanischen Handarbeiten bei der Geschützbedienung hatten die sogenannten Schanzbauern zu besorgen. Erst als die stehenden Heere immer gewöhnlicher wurden, fing man an, auch die Zunftverhältnisse der Artilleristen aufzuheben. Jetzt bildet im Gegensatze der Infanterie und Cavalerie die Artillerie die dritte Haupttruppengattung und besteht, außer den Officieren und Feldwebeln, aus Oberfeuerwerkern, welche die Arbeiten in den Laboratorien leiten, Feuerwerkern und Corporalen, welche die Mannschaften der einzelnen Geschütze commandiren, Kanonieren [126] zur Bedienung der Kanonen, Bombardirern zur Bedienung der Mörser, und Handwerkern, z.B. Schmiede, Wagner, Stellmacher, Sattler, Seiler u.s.w. zur Wiederherstellung schadhaft gewordener Geräthschaften. Auch werden bei einigen Armeen die Pontonniers und Minirer zur Artillerie gerechnet. Wie das Geschütz, so theilt sich auch die Mannschaft in Feld-, Festungs- und Belagerungsartillerie, und zwar die erstere wieder in Fuß-, reitende und fahrende Artillerie. – Artilleriepark nennt man das in einer bestimmten Ordnung dem Heere folgende oder bei Belagerungen und im Felde reihenweise aufgefahrene Geschütz nebst Munitions- und andern Wagen. – Artillerieschulen zur Bildung der Artilleristen wurden zuerst im 15. Jahrh. von den Venetianern, dann im 16. Jahrh. von Kaiser Karl V. in Spanien und Sicilien, und gegen Ende des 17. Jahrh. in Frankreich eingerichtet. Die erste Artillerieschule in Deutschland begründete Xavier, der Administrator des Kurfürstenthums Sachsen, im J. 1766. – Artillerietrain nennt man im Allgemeinen den zu einer Armee gehörenden Geschützzug und insbesondere die dazu nöthigen Wagen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 126-127.
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