Pflanzen

[479] Pflanzen werden alle Gewächse genannt, die höchsten Bäume, wie das geringste Gras, die Pilze und der zarteste Schimmel, und die Gesammtheit derselben macht eins der sogenannten drei Naturreiche, das Pflanzenreich, aus. Die Pflanzen sind organische Körper (s. Organ), denen aber Gefühl, sinnliche Wahrnehmung und freiwillige Bewegung abgehen und bestehen gleich allen organischen Körpern aus festen und flüssigen Theilen. Die ersten bilden die Zellen, Röhren und sonstigen Gefäße, aus welchen die Gewächse zusammengesetzt sind, auch gehört dazu das Mark (s.d.); Luft und Flüssigkeiten, die andern, werden von jenen aufgenommen und auf dem Wachsthum der Pflanzen gemäße Art verändert, vertheilt und ausgeschieden. Wie die verschiedenen Pflanzenstoffe durch die Lebensthätigkeit der Pflanzen entstehen, sucht die Pflanzenchemie vorzugsweise zu erforschen, als deren Begründer A. L. Lavoisier (s.d.) anzusehen ist und die in neuester Zeit besonders durch Berzelius und Agardh in Schweden vervollständigt wurde, während die Untersuchung der Natur der Pflanzenstoffe und ihrer Verhältnisse zu andern, mehr die Aufgabe der allgemeinen Chemie bleibt. Ursprünglich bestehen alle Pflanzenstoffe zufolge chemischer Zerlegung aus Wasserstoff, Kohlenstoff und Sauerstoff und die Verschiedenheit ihrer Vereinigung begründet auch die der Pflanzenkörper. Hiernach wird der dem Wachsthum der Pflanzen oder der Vegetation zum Grunde liegende Vorgang dahin erklärt, daß der hauptsächlich aus Wasser bestehende Nahrungssaft derselben, welcher zugleich dem Gedeihen förderliche Theile in der feinsten Zerkleinerung aus dem Boden aufnimmt, sowie der Kohlenstoff sich in ihre Bestandtheile auflösen und mittels Eingehung von neuen Verbindungen die festen Theile der Pflanzen bilden. Der Wasserstoff trennt sich also vom Sauerstoffe und verbindet sich mit Kohlenstoff, woraus Harz, Öl u. dergl. hervorgehen, während der Sauerstoff sich aus dem Wasser und der Kohlensäure entwickelt und in Verbindung mit Licht und Wärme entweicht. Wie aber durch das Zusammenwirken jener Stoffe die Vergrößerung der Pflanze eigentlich herbeigeführt werde, diesen sogenannten organischchemischen Vorgang vermögen wir freilich noch nicht zu durchschauen. Die Erde selbst trägt jedenfalls nur sehr wenig zur unmittelbaren Pflanzennahrung bei, ja es wurzeln nicht einmal alle Gewächse im Boden; manche Wasserpflanzen breiten ihre Wurzeln im Wasser aus, die Mistel (s.d.) und andere Schmarotzerpflanzen, die Moose und Pilze in vielen Fällen, wurzeln auf andern Gewächsen. In der Regel ist zwar die Wurzel das vornehmste Nahrungswerkzeug, allein viele auf Felsen, Dächern und Mauern wachsende Pflanzen ernähren sich auch vorzugsweise mittels der Blätter. Diese sind, gleich der ganzen Oberfläche der Gewächse, wie die Wurzel mit seinen Öffnungen für das Aufsaugen der Nahrungsstoffe und zugleich zur Aussonderung des Überflüssigen versehen. Die Blätter sind namentlich die Werkzeuge [479] zum Athmen der Pflanzen und enthalten fastleere Lücken, welche meist an der untern Seite, allein bei Gräsern, Palmen, Nadelhölzern auch auf beiden Seiten und bei Wasserpflanzen an der obern mittels zarter Öffnungen in Verbindung mit der umgebenden Luft stehen. Im Allgemeinen saugen gesunde Blätter im Sonnenschein Kohlensäure ein und hauchen Sauerstoff aus, im Schatten und des Nachts aber tritt der entgegengesetzte Fall ein. Wasser eignen sich die Pflanzen ebenfalls mittels der Blätter an und dünsten Feuchtigkeit aus. Die Fortpflanzung der Gewächse findet durch Keime (Augen oder Knospen), Wurzeln und Stecklinge und durch Samen statt, welcher sich in den befruchteten Blüten bildet. (S. Blume.) In Betracht des Alters der Pflanzen dauern manche Pilze und ähnliche Gewächse nur wenige Stunden und Tage; die sogenannten Sommergewächse wachsen innerhalb der wärmern Monate eines Jahres heran, blühen, tragen Samen und sterben ab, daher sie auch einjährige heißen. Andere bringen Blüten und Früchte erst im zweiten Sommer und sterben dann ebenfalls ab, daher sie zweijährige, alle übrigen von längerer Dauer aber ausdauernde oder perennirende Pflanzen genannt werden. Erhält sich das Leben von Jahr zu Jahr bei diesen nur in der Wurzel, sodaß die jährlich frischen Triebe fast jedesmal absterben, so heißt eine solche Pflanze eine Staude; treibt sie mehre holzige und nicht absterbende Stengel über der Wurzel, so wird sie Strauch und mit einfachem und starkem holzigen Stamm ein Baum (s.d.) genannt. Mit der genauern Erforschung des Baues der Pflanzen beschäftigt sich die Phytotomie oder Pflanzenanatomie (Pflanzenzergliederung), um die sich vorzüglich deutsche und einige franz. Naturforscher verdient gemacht haben. Von den Standorten oder dem Vorkommen der Pflanzen und von ihrer Verbreitung über die Erde handelt die Pflanzengeographie. Die Gesammtzahl der auf der ganzen Erde vorkommenden Gewächse wird auf 300,000 geschätzt, wovon bis jetzt 1/2 beschrieben sind. Die allgemeine Pflanzenkunde oder Naturgeschichte des Pflanzenreichs wird von der Botanik (s.d.) erforscht und gelehrt und bildet bei der umfänglichen, für uns unentbehrlich gewordenen Benutzung der Pflanzen den wichtigsten Theil der Naturgeschichte. Denn die Gewächse liefern uns und unsern vornehmsten Hausthieren nicht blos mannichfaltige Nahrungsmittel, sondern gewähren uns auch Stoffe zur Bekleidung, eine Menge Farbestoffe (Pflanzenfarben) und Heilmittel, Material zur Feuerung, zum Bauen und zur Verfertigung zahlloser Geräthschaften, die zum Nutzen oder zur Bequemlichkeit dienen. – Durch einfaches Pressen erhält man aus verschiedenen Samenkörnern sehr dicke, der Butter ähnliche Öle, die daher im Allgemeinen Pflanzenbutter genannt werden und zu denen namentlich die Cacaobutter gehört. – Eine Substanz, welche blos im Pflanzenreiche und als Hauptbestandtheil aller Gewächse vorkommt, ist die Pflanzenfaser oder der Holzstoff; sie stellt gleichsam das Gerippe der Gewächse dar und verleiht ihnen Zähigkeit und Festigkeit. In Hinsicht ihrer chemischen Beschaffenheit scheint keine große Abweichung unter den verschiedenen Arten derselben zu sein, deren Zahl so groß wie die der Pflanzen und ihrer Theile ist. Am deutlichsten stellt sich dieser Stoff in gut ausgelaugtem Holze und Stroh und im gebleichten Hanf oder Flachs, also auch in der Leinwand dar. – Die Pflanzensäuren sind zum Theil in den Gewächsen schon vorhandene Verbindungen non Sauerstoff mit Pflanzenstoffen, wie die Citronensäure, mm gehören zu den organischen Säuren (s.d.).

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 479-480.
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