Warme

[654] Warme (die), deren Wirkung wir z.B. empfinden, wenn wir uns der Sonne aussetzen, in ein geheiztes Zimmer treten oder am Zerfließen von über glühende Kohlen gebrachtem Wachse, Blei, sowie bei vielen andern allgemein bekannten Erscheinungen täglich wahrnehmen, ist ihrer eigentlichen Beschaffenheit nach zur Zeit nach nicht ergründet. Der jetzt gewöhnlichen Annahme zufolge liegt ihren Wirkungen ein ähnlicher seiner Stoff oder eine Materie wie denen des Lichts zum Grunde, der daher als Wärmestoff oder Wärmematerie bezeichnet worden ist. Dieser muthmaßliche Stoff ist so seiner Art, daß er nicht ins Gewicht fällt und daher ein Körper kalt und warm gleichviel wiegt. Auch nicht eingeschlossen kann er erhalten werden, indem kein Körper für die Wärme undurchdringlich ist. Alle Körper werden durch sie ausgedehnt, am meisten die luftförmigen. Sie kann feste Körper in tropfbarflüssigen Zustand, tropfbarflüssige in luftförmige verwandeln, wobei nicht blos ihre ausdehnende Kraft wird, indem manche Körper im festen Zustande umfänglicher als im tropfbaren sind, und bringt in Bezug auf Beförderung und Behinderung chemischer Vorgänge eine Menge bemerkenswerthe Wirkungen hervor. Der Grad der Wärme aber, welche zur Hervorbringung der davon bedingten Wechselwirkungen und Erscheinung erfodert wird, ist sehr verschieden. Hauptquelle der Wärme für unsere Erde ist die Sonne, doch haben ihre [654] Strahlen eine wärmende Wirkung nur insofern, als sie von den Körpern zurückgehalten, gleichsam verschluckt oder aufgesaugt werden, dagegen sie Körper kalt lassen, von denen sie sofort zurückgestrahlt werden oder welche dieselben unaufgesaugt hindurchlassen. Daher werden Brenngläser von den durchgehenden Sonnenstrahlen nicht bemerkbar erwärmt und in ihrem Brennpunkte entzünden sich auch die brennbarsten durchsichtigen Flüssigkeiten nicht. Aus gleichem Grunde herrscht in den höhern Luftgegenden Kälte, obgleich die Sonnenstrahlen dieselben ungeschwächter berühren, als die Ebenen, denn es fehlt in der Höhe an Gegenständen, welche dieselben verschlucken und in wirksame Wärme verwandelt zurückstrahlen könnten. Da endlich dunkelfarbige Körper das meiste des auf sie fallenden Sonnenlichts verschlucken, während weiße dasselbe meist zurückwerfen, so werden jene dadurch auch weit stärker erwärmt als diese. Auf eine zweite ursprüngliche Quelle von Wärme für unsere Erde führt die von vielen Naturforschern aufgestellte Annahme, daß sich der Erdball aus einer anfangs glühenden Kugel im Verlauf von Jahrtausenden bis zu seiner jetzigen Beschaffenheit abgekühlt, im Innern aber noch lange nicht alle Wärme verloren habe, woher sich auch die in sehr tiefen Bergwerken beobachtete, mit der Tiefe zunehmende Wärme erkläre. In Hinsicht der Wirksamkeit in der Natur erscheint die Wärme als Bedingung, allein auch zugleich mit als ein Erzeugniß (Product) alles tellurischen (d.h. in Beziehung zur Erde stehenden) und organischen Lebens. Die hauptsächlichsten Vorgänge, wo die Wärme als Product auftritt, sind: chemische Processe, bei denen sich Wärme entwickelt, wie bei dem allbekannten Vorgange des Verbrennens; der Übergang lust- oder dampfförmiger Körper in den tropfbaren, und tropfbarflüssiger in den festen Zustand; die Zusammendrückung oder Verdichtung der Körper (auch durch Stoß und Schlag), wodurch z.B. Schwamm im Compressions-oder pneumatischem Feuerzeuge (s.d.) entzündet wird; Reibung der Körper, wodurch schlecht geschmierte Achsen der Wagenräder bei rascher Umdrehung in Brand gerathen; Elektricität und Galvanismus, sowie endlich die Wärmeerzeugung durch organische oder Lebensprocesse. Die fühlbare mit dem Wärmemesser oder Thermometer (s.d.) wahrnehmbare Wärme eines Körpers wird freie Wärme genannt. Außer ihr hat jeder Körper noch einen Antheil Wärme, für die Gefühl und Thermometer unempfindlich sind und die als gebunden bezeichnet wird. Erwärmte Körper theilen minder warmen, mit denen sie in Berührung kommen, von ihrem Überschusse so lange mit, bis sie mit ihnen die Temperatur der Umgebung angenommen haben, vorausgesetzt, daß ihnen für die abgegebene Wärme kein Ersatz wird. Die Fortpflanzung der freien Wärme erfolgt durch Strahlung, indem sie von manchen Körpern wie das Licht, in den Einfallswinkeln gleichen Winkeln zurückgeworfen wird, daher sie mittels Brennspiegel (s.d.) concentrirt werden kann oder, jedoch nur in Verbindung mit Sonnenlicht, durch feste durchsichtige Körper durchstrahlt. Daher strahlt die Sonnenwärme durch Glastafeln, was mit der eines Holzfeuers nicht geschieht. Beim Durchgange erleidet sie übrigens mit dem Lichte gleiche Brechung, worauf die Wirkung des Brennglases beruht. Eine andere Art des Überganges der Wärme geschieht durch unmittelbare Mittheilung und in mehr oder weniger Zeit erfolgende Leitung derselben von Theilchen zu Theilchen der Körper oder deren Durchdringung. Es heißen daher Körper gute Wärmeleiter, wenn sie die Wärme schnell aufnehmen und schnell wieder abgeben, während die als schlechte Wärmeleiter bezeichnet werden, bei denen das Gegentheil stattfindet. Die besten Wärmeleiter sind die Metalle, und zwar in abnehmender Leitungsfähigkeit nach dem Golde und Silber, Kupfer, Platina, Eisen, Zink, Zinn, Blei u.s.w.; zu den schlechten Wärmeleitern gehören Glas, gebrannter Thon, Kohle, Federn, Haare, Wolle, Stroh, unbewegte Luft, weshalb Doppelfenster so viel zum Warmhalten der Zimmer beitragen, Strohdächer im Sommer die Wohnungen kühler, im Winter wärmer halten als Ziegeldächer. Die Kenntniß des Wärmeleitungsvermögens der Körper ist bei der Anlegung von Heizungen, bei der Auswahl von Gefäßen, welche die Wärme gut oder schlecht leiten sollen, beim Aufbewahren von Eis (s.d.) und in vielen andern Fällen von großer Wichtigkeit. Endlich wird die Wärme bei theilweiser Erwärmung einer Luft- oder Wassermasse von den erwärmten Theilchen derselben, indem sie sich nach der kalten Stelle hinbewegen, auch mit fortgeführt. Die Wärme heftet sich nämlich so zu sagen an jene Theilchen, dehnt sie aus und macht sie leichter, daher sie aufsteigen und woraus sich erklärt, daß es in geheizten Zimmern stets in der Nähe der Decke wärmer als am Fußboden ist. – Unter Wärmecapacität, specifischer oder auch comparativer, d.h. eigenthümlicher oder vergleichungsweiser Wärme eines Körpers wird die Menge von Wärme verstanden, deren er bedarf, um bei gleichem Gewichte die höhere Temperatur eines andern anzunehmen oder umgekehrt: die Menge Wärme, welche er verlieren muß, um sich zur Temperatur eines kältern abzukühlen. Der hierin bestehende Unterschied hängt von der mehren oder wenigern gebundenen (latenten) Wärme ab, welche ein Körper besitzt; denn bei einem. größern Antheile davon wird er zur Erhöhung seiner Temperatur bis auf einen gewissen Punkt allemal weniger freie Wärme aufzunehmen brauchen, als ein anderer, der arm an latenter Wärme ist. Daher rührt es, daß ungleichartige Körper, einer und derselben Temperatur ausgesetzt, dennoch sehr verschiedene Temperaturen annehmen. – Um Wärme unter Umständen zu messen, welche die Anwendung des Thermometer und Pyrometer nicht gestatten, hat man Calorimeter oder Wärmemesser ersonnen, mittels der die Messungen nach einer zum Schmelzen gebrachten Menge Eis oder nach dem Temperaturgrade geschieht, welchen eine bestimmte Menge von Wasser annimmt.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 654-655.
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