Latente Wärme

[72] Latente Wärme (verborgene Wärme) nannte man früher allgemein solche Wärme, welche verborgen schien, weil sie durch das Thermometer nicht mehr nachweisbar war.

So bleibt die Temperatur eines unter konstantem Drucke verdampfenden Körpers trotz fortwährender Wärmezufuhr konstant, und ebenso ändert sich die Temperatur eines bei konstantem Drucke schmelzenden Körpers während der Wärmezufuhr nicht. Man spricht in diesen Fällen noch heute mitunter von latenter Verdampfungswärme und latenter Schmelzwärme anstatt einfach von der Verdampfungswärme (s.d.) und der Schmelzwärme (s.d.). In andern Fällen, z.B. beim Ausfluß von Gasen und Dämpfen ohne Wärmezu- oder -abfuhr, verschwindet zwar keine augenblicklich zugeführte Wärme, aber man erkennt den Wärmeverlust an einer Temperaturerniedrigung. Vgl. a. Adiabatische Zustandsänderung, Gase, gasförmige Körper (Verflüssigung derselben) und Kältemaschine. Der Name latente Wärme kam mehr und mehr ab, als man erkannt hatte, daß die fragliche Wärme nicht verborgen, sondern wirklich verbraucht ist, daß sie in andre Formen der Energie (s.d.) verwandelt wurde. In den beiden ersterwähnten Fällen war insbesondere die gegenseitige Einwirkung der Körperteilchen zu überwinden, im letzten Falle mußte der Druck der äußeren Luft gegen den austretenden Strahl auf gewissen Wegen überwunden werden (beim Ausfluß atmosphärischer Luft in den luftleeren Raum beobachteten Gay-Lussac, Joule u.a. nach Eintritt des Gleichgewichts keine Temperaturänderung oder doch nur eine solche, wie sie durch die geringe Wechselwirkung der Gasteilchen allein erklärlich war). In allen drei Fällen war also Arbeit zu leisten, wofür Wärme verbraucht wurde (s. Wärmeäquivalent, mechanisches). Sollte die letztere auch fernerhin latente Wärme heißen, so könnte man ebensogut die bei der Reibung, beim Stoß u.s.w. verschwindende Arbeit latente Arbeit nennen. In diesem Sinne würde die Lehre von der latenten Wärme und von der latenten Arbeit das ganze Gebiet der mechanischen Wärmetheorie umfassen. Geschichtliches über die latente Wärme (nachgewiesen[72] 1754 von de Luc) s. Gehlers Physikalisches Wörterbuch, Bd. 1, Abteilung 1, Leipzig 1841, S. 836.

Weyrauch.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 6 Stuttgart, Leipzig 1908., S. 72-73.
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