Gase (gasförmige Körper), Verflüssigung derselben

[247] Gase (gasförmige Körper), Verflüssigung derselben. Ueber grundlegende Neuerungen ist seit Erscheinen des ersten Ergänzungsbandes nicht zu berichten. Die physikalischen Eigenschaften der flüssigen Gase, insbesondere der Edelgase, sind auch in den letzten Jahren im Kryogenlaboratorium in Leyden weiter erforscht worden [1].

Dagegen hat die technische Anwendung der Gasverflüssigung einen großen Aufschwung genommen. Insbesondere hat die Industrie der künstlichen Düngemittel während des Krieges in großem Umfange Anlagen zur Gewinnung von Sauerstoff und Stickstoff aus verflüssigter Luft aufgestellt. Die größten für diesen Zweck gebauten Rektifikationskolonnen erzeugen stündlich 600 cbm Sauerstoff bezw. 2500 cbm Stickstoff, wobei sie mehr als 1 Sekundenliter flüssiger Luft verarbeiten. Auch zur Herstellung von Aceton aus Acetylen wird Sauerstoff in erheblichem Maße verwendet. Die Gewinnung von Argon aus flüssiger Luft durch Rektifikation ist in mehreren Patentschriften beschrieben worden [2]. Mit Argon bezw. einem Gasgemisch aus Argon und Stickstoff, das auf dem Wege über die Luftverflüssigung hergestellt ist, werden die gasgefüllten Glühlampen (sogenannten Halbwattlampen) beschickt. Das Argon eignet sich hierfür besonders wegen seines schlechten Wärmeleitungsvermögens. Die Edelgase Neon und Helium, deren Siedepunkte weit unterhalb dem des Stickstoffes liegen, können durch mehrfach wiederholte fraktionierte Kondensation der Luft mit Rückfluß des Kondensats in höheren Konzentrationen gewonnen werden [3]. Neon wird gelegentlich zur Füllung von Geißlerschen Röhren für Effektbeleuchtung verwendet. Es ergibt sich dabei ein schönes warmes Licht von hellrötlicher Farbe.

Für Kälteerzeugungsmaschinen, die Temperaturen unter – 50° C herstellen sollen, wird neuerdings mit Erfolg flüssiges Aethan C2H6 verwendet, das gegenüber der flüssigen Kohlensäure den großen Vorteil des viel tiefer liegenden Erstarrungspunktes hat. Mit der Aethanmaschine lassen sich unschwer Temperaturen bis zu – 100° C erreichen.


Literatur: [1] Commun. of the Kryogen Lab. of Leyden, Nr. 115, 138, 145, 150, 151. – [2] Claude, Schweiz. Pat. Nr. 56222; Ges. s. Lindes Eismaschinen D.R.P. Nr. 301940, 311958 und 313120. – [3] L'Air Liquide D.R.P. Nr. 239322.

F. Linde.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1920., S. 247.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: