Sauerstoff

[47] Sauerstoff oder. Oxygen ist ein chemisch einfacher nichtmetallischer Stoff, welcher bis jetzt für sich nur in gasförmiger Gestalt (s. Gase) bekannt ist und so häufig vorkommt, daß er wol ein Drittheil der ganzen Erde, soweit sie bekannt ist, ausmacht, indem er namentlich 8/9 alles Wassers und 1/5 der Luft ausmacht, auch in allen Salzen, in den meisten Steinen und Erden enthalten ist und einen Bestandtheil der organischen Wesen bildet. Rein kommt er in der Natur nicht vor, denn er ist derjenige Stoff, welcher die meiste Begierde hat, mit allen andern Stoffen chemische Verbindungen einzugehen, und die meisten Veränderungen in der Natur geschehen durch das Zustandekommen von Verbindungen mit Sauerstoff. Namentlich sind es der Oxydationsproceß, der Verbrennungsproceß und der Lebensproceß, welche sich aus der Bildung von Sauerstoffverbindungen erklären. Durch Kunst stellt man ihn rein dar, indem man Stoffe, welche ihn in großer Menge enthalten und ihn leichter fahren lassen, so behandelt, daß sie ihn ausscheiden. Namentlich gewinnt man ihn durch Erhitzung von Braunstein, rothem Quecksilberoxyd, Salpeter und chlorsaurem Kali. Dabei bedient man sich eines Gasentbindungsapparats. (S. Gase.) Der Sauerstoff wurde 1744 von den beiden Naturforschern Priestley und Scheele fast gleichzeitig entdeckt. Er ist ein farbloses, geruch- und geschmackloses Gas, etwas schwerer als atmosphärische Luft und leuchtet beim Zusammenpressen stark. Da er derjenige Bestandtheil der atmosphärischen Luft ist, welcher das Verbrennen und das Athmen unterhält, so verbrennen in dem reinen Sauerstoff die Körper lebhafter als in der Luft. Wenn man z.B. an eine Stahlfeder ein wenig glühenden Schwamm befestigt und jene dann in eine mit Sauerstoffgas gefüllte Flasche taucht, so verbrennt der Schwamm und gleich darauf auch der Stahl mit lebhaftem Lichte unter Funkensprühen; Phosphor verbrennt in ihm mit einem blendenden, weiß glänzenden Lichte. Beim Athmen wird von den Thieren fortwährend Sauerstoff verzehrt und in einem eingeschlossenen Raume können Thiere nur so lange leben, als noch der darin enthaltene Sauerstoff nicht verzehrt ist. Sind daher viele Menschen in einem engen Zimmer bei brennenden Kerzen, so werden diese allmälig immer schlechter brennen, endlich verlöschen, und die Menschen endlich ersticken, wenn nicht alsbald frische Lust zugelassen wird. Sperrt man ein Thier in einen mit reinem Sauerstoff erfüllten [47] Raum, so vermag es darin viermal so lange zu leben, als in einem gleichgroßen mit atmosphärischer Luft erfüllten Raume.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 47-48.
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