Mathematik

[80] Mathematik ist der Name derjenigen Wissenschaft, die sich blos mit Dem beschäftigt, was in Zeit und Raum anschaulich ist und daher mit Zahlen oder Figuren dargestellt, folglich überhaupt berechnet oder gemessen werden kann, weshalb man sie auch eine Größenlehre und eine Meßkunst genannt hat. Man unterscheidet die reine und die angewandte Mathematik, und die erstere betrachtet die Größen nur an und für sich, d.h. als bloße Zahlen oder Figuren, die andere aber sucht die in der That vorhandenen, von [80] Natur oder Kunst gegebenen Größen mathematisch zu bestimmen; es kann daher die reine Mathematik auch als Theorie oder Grunderkenntniß, die angewandte als Benutzung derselben für wirkliche Gegenstände und Vorfälle im Leben angesehen werden. Insbesondere begreift man unter reiner Mathematik die Zahlenlehre oder Ari thmetik (s.d.) und die Geometrie (s.d.), welche es mit räumlichen Größen zu thun hat, und Buchstabenrechnung oder Algebra, Rechnenkunst und Analysis (s.d.) vermitteln die Lösung ihrer Aufgaben. Die angewandte Mathematik umfaßt die Anwendung und Ausübung der Lehren der reinen Mathematik bei allen möglichen geschäftlichen Berechnungen, beim Land- und Feldmessen, Nivelliren (s.d.) und Markscheiden, in den mechanischen (s. Mechanik), optischen (s. Optik) und astronomischen Wissenschaften (s. Sternkunde), in der Akustik (s. Schall), bei Messung und Berechnung der Zeit (s. Zeitkunde), in der Gnomonik (s. Sonnenuhr), in der bürgerlichen, Wasser- und Schiffbaukunst, in den Kriegswissenschaften und besonders bei der Artillerie und Befestigungskunst, in der Schiffahrtskunft u.s.w. Die Mathematik beschäftigt sich demnach überall nur mit formalen Größen und ist bei der Bestimmtheit, Strenge und genauen Stufenfolge von Erklärungen, Schlüssen und Beweisen, durch welche ihre Lehren zur überzeugendsten Anschauung gelangen und ein von keiner andern Wissenschaft erreichter Grad von Wahrheit erzielt wird, zur Bildung und Gewöhnung des Geistes an ein streng wissenschaftliches Verfahren und zur Schärfung der Denkkraft vortrefflich geeignet. Ihre früheste wissenschaftliche Begründung wird den Indiern und Ägyptern zugeschrieben, ihre erste Ausbildung aber finden wir bei den Griechen, deren Weltweise sie als Vorschule der Philosophie ansahen, und Plato war ein so großer Verehrer derselben, daß er keinem in der Mathematik Uneingeweihten den Eintritt in seinen Hörsaal gestatten wollte. Zu den berühmtesten griech. Mathematikern gehören Euklides, Archimedes (s.d.) und Apollonius von Perga in Pamphylien, der um 250 v. Chr. zu Alexandrien lebte; bei den alten Römern geschah dagegen wenig in dieser Wissenschaft, die dafür von den Arabern mit besonderer Vorliebe aufgenommen wurde, denen namentlich Algebra und Trigonometrie zweckmäßige Verbesserungen danken. Durch sie ward die Mathematik nach Spanien verpflanzt, wo sie im 13. Jahrh. besonders gedieh, wanderte dann nach Italien, nahm jedoch erst im 15. Jahrh. auch durch Mitwirkung von deutschen Gelehrten einen neuen Aufschwung. Den im 16. Jahrh. zunehmenden Fortschritten in dieser Wissenschaft kamen im 17. Jahrh. mehre wichtige Erfindungen zu Hülfe, von denen namentlich die der Logarithmen (s.d.) und der Differential- und Infinitesimalrechnung (s.d.) sowol das bisher ungemein schwierige Verfahren bei größern mathematischen Operationen wesentlich erleichterten, als auch für den Mathematiker bisher verschlossene Gebiete eröffneten. Das folgende Jahrh. verbreitete und erweiterte das Gewonnene immer mehr und die Mathematik hat bei beständigem Fortschreiten seitdem in allen ihren Theilen eine bewundernswürdige Ausdehnung und vor andern Wissenschaften einen wichtigen Einfluß auf das praktische Leben erlangt, indem sie Aufklärung über Erscheinungen und Kräfte der Natur und deren zweckmäßigere Verwendung für menschliche Zwecke und nicht blos Aufschlüsse über unsere Erde, sondern auch über die rund um dieselbe schwebenden Weltkörper ertheilte. Beim Studium der Mathematik muß natürlich der besondere Zweck das Nähere bestimmen, zu dem es vorgenommen wird, und es gibt der ältern und neuen Schriften über ihr ganzes Gebiet und einzelne Theilen derselben, auch mit Bezug auf bestimmte Zwecke, eine große Zahl, daher hier nur der allgemeinen Lehrbücher: »Mathematik für Praktiker«, von A. Gregory, aus dem Engl. von Drobisch (2. Aufl., Leipz. 1835), und I. Sachs, »Elementarunterricht in der reinen und angewandten Mathematik, sowie in den damit in Beziehung stehenden Wissenschaften; durchaus faßlich und praktisch dargestellt u.s.w.« (3 Thle., Berl. 1833–35), gedacht wird. – Mathematisch wird Alles genannt, was mit der Mathematik in Berührung und Beziehung steht, daher heißen auch mathematische Zeichen, die der Kürze wegen bei den mathematischen Operationen angenommenen Schriftzeichen für gewisse Größenverhältnisse. So ist z.B. + (lat. plus, d.i. mehr), das Zeichen der Vermehrung und einer positiven Größe, – (minus) das Zeichen der Verminderung und der negativen Größe; das Zeichen der Multiplication ist × das der Gleichheit =, das des Verhältnisses:, das für Größersein > für Kleinersein und für Winkel <. Das Zeichen der Wurzel ist %, das eines Dreiecks Ã, eines Vierecks !, des Halbmessers oder Radius eines Kreises R oder r und des Umfangs oder der Peripherie desselben π oder φ.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 80-81.
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