Zeitkunde

[787] Zeitkunde oder Chronologie. Man versteht darunter die Lehre von den Zeiten und ihrer genauen Bestimmung hinsichtlich der Reihenfolge und Dauer der Begebenheiten. Als Maßstab hat man sich dazu der Bewegungen der Himmelskörper, besonders der Sonne und des Mondes, bedient und dadurch eine natürliche Eintheilung der Zeit in Jahre, Monate, Tage erhalten (s. Jahr und Kalender), der sich die kleinere in Stunden u.s.w. anschloß. Indem aber die bürgerliche Gesetzgebung wiederholt Anordnungen der Zeiteintheilung und Berechnung traf, entstanden Unterschiede der bürgerlichen und der natürlichen Eintheilung der Zeit, daher man jetzt eine mathematische oder astronomische Chronologie, welche die Dauer der natürlichen Zeittheile nach den genau beobachteten Umläufen der Gestirne bestimmt, und eine historische annimmt, welche von den Zeitrechnungen oder Ären der verschiedenen Völker, den alten Perioden oder berühmtesten Zeitepochen u.a. willkürlichen Eintheilungen der Zeit handelt. Eine Zeitrechnung oder Ära heißt nämlich eine Art, die Jahre in fortlaufender, nicht wiederkehrender Anordnung zu zählen. Beide Arten der Chronologie bedürfen einander, um verständlich zu sein; die historische gründet sich durchaus auf die astronomische, die aber nicht im Stande ist, die Dauer der Zeittheile bestimmt anzugeben, ohne die bürgerliche Zeiteintheilung zu benutzen. Die historische Chronologie belehrt über die Art der Jahre, wie sie durch Gesetzgeber, Religionsstifter u.a. Anordner der bürgerlichen Gesellschaft bestimmt wurden (s. Jahr), sowie über die Begebenheiten, welche von verschiedenen Völkern zum Anfangspunkt ihrer Zeitrechnungen gewählt worden sind. So rechnen die Juden nach angeblichen Jahren der Welt von der Schöpfung an, es kann aber Niemand wissen, wann diese stattfand. Die Seleucidische Ära (s. Seleukus Nikanor) war bei Syrern, Chaldäern, Persern üblich und hob 312 v. Chr. an; die Griechen bedienten sich der Zeitrechnung nach Olympiaden (s. Olympia), die Römer der nach Erbauung der Stadt Rom, welche nach gewöhnlicher Annahme ins Jahr 753 v. Chr. fällt. Unter den Ptolemäern zählten die Ägypter nach der Philippischen Ära, welche 324 v. Chr. anhob und vom (natürlichen) Bruder und Nachfolger Alexander's des Großen, vom Philippus Arrhidäus ihren Namen hat. Die christliche Zeitrechnung beginnt mit der Geburt Christi, die der Mohammedaner 622 n. Chr. mit der Flucht Mohammed's (s.d.) von Mekka nach Medina und heißt davon Hegira (s.d.). Die brauchbarste für die geschichtliche Zeitbestimmung ist unstreitig die nach Jahren vor und nach der Geburt Christi, welche angeblich im 6. Jahrh. von dem röm. Abte Dionysius Exiguus und von dem brit. Mönche Beda Venerabilis im 8. Jahrh. nach und nach eingeführt worden ist, obgleich man das Geburtsjahr Christi nicht genau weiß und dieselbe wahrscheinlich 4–5 Jahre [787] früher fällt, als es dabei angenommen worden ist. Der Chronolog und Geschichtsforscher muß es verstehen, die Angaben nach jetzt nicht mehr gebräuchlichen Arten der Zeitrechnungen nach den in Europa üblichen auszudrücken.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 787-788.
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