Samojeden

[31] Samojēden ist der Name eines Völkerstammes, über dessen frühere Geschichte wir ebenso wenig etwas Bestimmtes wissen, als über den Ursprung der Benennung selbst. Im Allgemeinen wissen wir nur, daß einige nomadische Völkerschaften von verschiedenem Namen und Dialekt in den nördlichsten Gegenden des europ. und asiat. Rußlands, von Archangel bis an die Lena sich erstreckend, darunter begriffen werden. Denn die Russen selbst, die sich die europ. Samojeden schon 1525 zinsbar machten, haben sie nicht näher kennen gelernt. Schon damals hatten sie ihre ursprüngliche, eigenthümliche Verfassung nicht mehr und waren von den Tataren schon aus ihrer eigentlichen Heimat verdrängt und von verwandten Stämmen getrennt. Ohne alle geschichtliche Cultur, ohne Schrift- und Zeitrechnung, leben sie als Nomaden in den unwirthbarsten Gegenden des Nordens; kaum bewahren sie das Gedächniß an einige Volksereignisse und Helden in liederartigen Weisen. Die einzigen Fremden, die zu ihnen gelangen, sind Tribut einfodernde Russen, die sich um ihre frühern Schicksale und ihre besondern Einrichtungen wenig kümmern; selbst Forscher haben noch nicht ihre entfernten, ödegelegenen Wohnsitze aufzusuchen gewagt. Durch jene Russen, oder selten durch einzelne Missionare nur hat man spärliche Nachrichten über jene einzeln und zerstreut wohnenden Völkerschaften, deren Ähnlichkeit in Sprache, Körperbildung und Lebensweise auf ihre Verwandtschaft hindeutet. Sie selbst nennen sich Nenetsch, d.h. Menschen, oder Chosowo, d.h. Männer. Die europ. Samojeden bekennen sich jetzt bis auf wenige Hunderte zum Christenthume; die sibir. leben zerstreut in ungeheuren Ländereien in der Statthalterschaft Tobolsk, am Ausflusse des Ob. Sie sind von unschönem, kurzem Körperbau, wohnen in Jurten, leben von Jagd, Fischerei, Rennthierzucht (mancher hat 1000–2000 Stück Rennthiere im Besitz), und sind sehr gutmüthig, aber faul und lieben den Trunk. Ihren Zins entrichten sie in Pelzwerk.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 31.
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