Samojēden

[527] Samojēden, so von den Russen genannt, bedeutet angeblich »Selbstesser«, d.h. Kannibalen, stammt aber wahrscheinlich von Same ädnam, dem einheimischen Namen von Lappland; sie selbst bezeichnen sich als Chasowa, Hasawa, d.h. Menschen, und sind ein zur uralaltaischen Gruppe der Mongoloiden gehöriges Volk, das mit den von ihnen sprachlich verschiedenen Finnen den uralischen Zweig bildet. Früher sehr zahlreich, sind sie jetzt nach verschiedenen Schätzungen 15,000–22,000 Köpfe stark, wovon 5370 den Kreis Mesen des Gouv. Archangel, die übrigen Sibirien vom 44.° östl. L. ostwärts bis zur Taimyrhalbinsel bewohnen. Südwärts reichten sie früher bis zur Sajanischen Gebirgskette und saßen am Ob und Jenissei, bis sie von ostjakischen und tatarischen Stämmen nach N. gedrängt wurden. Sie zerfallen in vier Stämme: den jurakischen, dentawgyischen (Awamsche S.), den jenisseischen und den ostjakischen. Die beiden ersten Stämme sind Renntiernomaden und wohnen in Zelten, der vierte ernährt sich vorwiegend durch Jagd und Fischfang und wohnt in kleinen Hütten, während der dritte an beiden Beschäftigungen teilnimmt. Zu den S. im weitern Sinne gehören noch die Sojoten zwischen dem Altai und Sajanischen Gebirge, teilweise auch auf chinesischem Gebiet, wo sie Ulyanghai heißen, die Karagassen am Nordabhang des Sajanischen Gebirges, die Matoren nördlich von diesen, die Koibalen am obern Jenissei und die Kamassinzen nördlich von den Sojoten. Doch haben die südlichen Stämme größtenteils ihre alten Sitten aufgegeben und sich mit den Turkvölkern vermischt; ein Teil der Sojoten hat die mongolische Sprache an genommen. Als Durchschnittsgröße hat man für die Männer 1,59, für die Frauen 1,48 m ermittelt (s. Tafel »Asiatische Völker I«, Fig. 5). Das schwarze, struppige Haar wird nach hinten in zwei mit Riemen zusammengeflochtene Haarbüschel geteilt. Die S. sind friedlich und ehrlich; die Frauen gelten als unrein und dürfen gewisse Teile des Tschum (konisches Zelt aus Renntierhäuten) nicht betreten. Die Kleidung wird vorwiegend aus Renntierfellen hergestellt und besteht bei den Männern aus weitem und langem Rock (Päsk) mit reichverziertem Gürtel, aus hohen Stiefeln und Mütze. Die Frauen tragen ein eng anschließendes Kleid aus Renntierhaut, das in regelmäßigen Falten herunterfällt und mit Fransen von Hundefell besetzt ist (vgl. Tafel »Asiatische Kultur I«, Fig. 3, 16, 18, 23, 25, 27; III, Fig. 13–16). Die S. sind dem Namen nach Christen, im Grunde aber noch immer Heiden, die an ein höchstes Wesen (Num) glauben und hölzernen Götzenbildern Opfer bringen. Ihre Schamanenpriester, Tadebi, genießen großes Ansehen. Für die Sprache der S. lieferte Castrén eine Grammatik (Petersb. 1854) sowie ein Wörterbuch (das. 1855). Vgl. Le Bruyn, Historische Nachricht von den S. (Riga 1769); Castrén, Ethnologische Vorlesungen (Petersb. 1857); Friedr. Müller, Grundriß der Sprachwissenschaft, Bd. 2 (Wien 1882); Sommier, Un estate in Sibiria, fra Ostiachi, Samojedi [527] etc. (Flor. 1885); Jackson, The great frozen land across the Tundras and among the Samoyads (Lond. 1895); Dunin-Gorkawitsch, in »Iswestijä« der Kaiserlich Russischen Geographischen Gesellschaft zu St. Petersburg, 1904, S. 31–77, russ.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 527-528.
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