Heide [1]

[58] Heide (Haide), ein baumloses, mageres, mit Heidekraut bestandenes Ödland, in andern Gegenden aber auch Bezeichnung einer ausgedehnten Waldstrecke. In der Pflanzengeographie bedeutet H. ein offenes Gelände mit nährstoffarmem Boden, dessen Pflanzendecke weder erheblichen Baumwuchs noch eine geschlossene saftige Grasnarbe aufweist, vielmehr vorherrschend aus schwachwüchsigen Halbsträuchern und niedern Sträuchern gebildet wird, zwischen denen saftarme Kräuter nebst Moosen und Flechten den Boden bedecken. Als Charakterpflanze der H. ist das Heidekraut (Calluna vulgaris) anzusehen, das mit dem dunkeln, fast bräunlichen Grün seiner Vegetationsorgane auch den Grundton in der Färbung der Heideflora abgibt. Zu ihm gesellen sich Heidelbeeren (Vaccinium Myrtillus) und Preißelbeeren (V. Vitis idaea), Krähenbeeren (Empetrum nigrum) und Bärentrauben (Arctostaphylos uva ursi), an feuchtern Stellen auch die Glockenheide (Erica tetralix), ferner Quendel (Thymus serpyllum), Arten von Pulsatilla, Genista, Sarothamnus, Juncus, von Gräsern und Halbgräsern, Moosen[58] und Flechten und viele für die Pflanzendecke der H. weniger typische Vertreter andrer Pflanzengruppen mit geringem Bedarf an mineralischen Nährstoffen. Auf dem feuchten Grunde der Heidenmoore treten in und zwischen den niemals fehlenden Polstern des Torfmooses (Sphagnum), die Moosbeere (Vaccinium oxycoccus) und die Sumpfbeere (V. uliginosum) hinzu und Arten von Sonnentau (Drosera) und Fettkraut (Pinguicula), die als Insektenfänger auf dem nahrungsarmen Boden den Kampf mit den anspruchslosen Vegetationsgenossen aufzunehmen vermögen. Den echten Heiden oder Zwergstrauchheiden schließen sich als verwandte Formationen die Waldheiden und Grasheiden an, in denen zahlreiche Heidepflanzen mit typischen Vertretern andrer Formationen gemischt auftreten. Das Vorkommen der H. ist auf das kalttemperierte Europa beschränkt, wo namentlich im Nordwesten von Deutschland die Zwergstrauchheide in typischer Ausbildung große Areale bedeckt. Am bekanntesten ist die Lüneburger H., die den etwa 12 Meilen langen Geestrücken zwischen Aller und Elbe im preußischen Regierungsbezirk Lüneburg einnimmt. Die wirtschaftliche Nutzbarkeit der H. ist gering; man benutzt das Gelände als Weide für Schafe, von denen in der Lüneburger H. eine besonders genügsame Rasse, die Heidschnucken, gezüchtet wird; man baut auf den von der natürlichen Vegetation entblößten Flächen das Heidekorn (Buchweizen), nutzt die Heideblüte zur Bienenweide und erntet Heidel- und Preißelbeeren zum Verkauf. In neuerer Zeit sind an manchen Stellen erfolgreiche Versuche zur Aufforstung des Heidebodens und zur Hebung der Landwirtschaft in der H. gemacht worden, indem man den für die Pflanzenwurzeln undurchdringlichen Ortstein, der in 10–15 cm dicker Schicht und meist in einer Tiefe von 30–50 cm die obern ausgelaugten Bodenschichten von den untern, an mineralischen Nährstoffen reichern Schichten trennt, mit Hacke und Spaten oder rationeller mit Dampfpflügen durchbricht und den Boden durch Mergelung und Düngung für den Futter- und Getreidebau geeignet macht. Vgl. Graebner, Die H. Norddeutschlands und die sich anschließenden Formationen in biologischer Betrachtung (Leipz. 1901) u. Handbuch der Heidekultur (das. 1904).

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 58-59.
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