Grammátik

[216] Grammátik (griech., Sprachlehre) ist die Gesamtheit der Regeln über die Laute (s. Lautlehre) und Formen (s. Flexion) einer Sprache und über die Aneinanderreihung der Wörter zu Sätzen (s. Syntax). Grammatiker war bei den alten Griechen soviel wie Philolog, Kritiker. Namentlich legte man diesen Titel den gelehrten Kennern des Homer und andrer griechischer Klassiker in Alexandria bei, die aber bei ihren sprachlichen Untersuchungen schon in den griechischen Philosophen, namentlich den Sophisten, dann Platon (im »Kratylos«) und Aristoteles und in den Stoikern, Vorläufer gehabt hatten. So rühren z. B. von den Stoikern die Namen der vier Hauptkasus oder Fälle (Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ) her. In die Fußstapfen der Stoiker troten die großen Kritiker der alexandrinischen Epoche, Aristarchos u. a., die durch das Studium der ältern Schriftsteller, namentlich des Homer, zu Beobachtungen über die Sprachformen und ihren Gebrauch, besonders über chronologische und dialektische Unterschiede der Sprache veranlaßt wurden. Aus diesen Studien ging die G. im heutigen Sinne des Wortes als selbständige Disziplin hervor; das erste grammatische Lehrbuch verfaßte Dionysius Thrax (etwa 100 v. Chr.). Bei den Römern fehlt es an originalen Leistungen, und ihr Verdienst beschränkt sich auf die Übertragung der griechischen Kunstausdrücke in die noch heute üblichen lateinischen Bezeichnungen grammatischer Verhältnisse und auf die Fortpflanzung der G. in die Schulen des Mittelalters. Auch das Mittelalter war ohne Bedeutung für die Entwickelung der G., und selbst der in der Renaissancezeit eingeleitete mächtige Aufschwung der philologischen Studien führte bei allem Sammelfleiß nicht zur Ausstellung neuer Gesichtspunkte. Erst im 19. Jahrh. bekam die G. einen wirklich wissenschaftlichen Charakter. Vgl. Sprache und Sprachwissenschaft.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 216.
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