Sophisten

[616] Sophisten (griech.), zur Zeit des Perikles und Sokrates eine Klasse von Philosophen, die den Unterricht in der Philosophie und der Rhetorik nicht als Sache der freien Mitteilung trieben, sondern, meist von Ort zu Ort reisend, um Geld erteilten. Die Sophistik, die Platon und Aristoteles als die Kunst, mit Hintansetzung ernsten wissenschaftlichen Sinnes den leeren Schein des Wissens zu erregen, bezeichnen, entwickelte sich zunächst aus dem Streben, dem Gedanken und der Sprache durch Biegsamkeit und Gewandtheit für politische Zwecke die möglichste Kraft, nicht sowohl der Überzeugung als der Überredung, zu geben. Ihre Bedeutung für die Geschichte der Philosophie beruht vorzugsweise darauf, daß sie in ihrem übrigens durch mannigfache Kenntnisse und zum Teil durch glänzende Talente unterstützten Streben, die Haltbarkeit alles durch Denken zu erreichenden Wissens durch das Denken selbst zu untergraben und die Festigkeit sittlicher Überzeugung aufzulösen, für Sokrates und seine Nachfolger die Veranlassung wurden, die Probleme der Wissenschaft tiefer aufzufassen, als es bisher geschehen war. Die S. waren meist Lehrer der Rhetorik, erniedrigten diese aber zu einer Kunst, je nach Bedürfnis ebensowohl für wie gegen jeden beliebigen Gegenstand einzutreten. Je ausschließlicher sich die Sophistik dieser Richtung hingab, um so mehr verfiel sie in ein gehaltloses, nur auf Beifall und Gewinn gerichtetes Wesen und endigte mit frivoler Ableugnung jeder sittlichen Verbindlichkeit und mit spottender Ableitung des Guten und Gerechten aus dem Belieben des Mächtigern. Wer die Macht habe, sollte auch das Recht haben. Die einen, wie Gorgias (s. d.), knüpften an die eleatische Schule, die andern, wie Protagoras (s. d.), an die heraklitische an. Jene gaben den Eleaten darin recht, daß das Viele nicht, aber darin unrecht, daß das Eine sei; denn wäre dies, so müßte es irgendwo sein. Dann aber wäre es nicht das Einzige; also sei überhaupt Nichts (metaphysischer Nihilismus). Diese stimmten mit den Herakliteern darin überein, daß alle Dinge veränderlich seien, gingen aber dadurch über diese hinaus, daß auch das Wissen veränderlich sei: also gebe es überhaupt kein Wissen (logischer Nihilismus). Die berühmtesten S. außer Georgias und Protagoras waren: Prodikos, Hippias, Thrasymachos, Kritias u. a. Vgl. Wecklein, Die S. (Würzb. 1866); Funck-Brentano, Les sophistes grecs et les sophistes contemporains anglais (Par. 1879). In den nachchristlichen Jahrhunderten hießen die Rhetoren S.

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 616.
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