Nichts

[621] Nichts (lat. nihil, nihilum), wörtlich das Gegenteil von »Ichts« (»Etwas«), die Verneinung von etwas, ein rein negativer Begriff, der erst unter Voraussetzung eines positiven Bedeutung gewinnt. Wie die Negation, ist auch das N. entweder das Gegenteil eines einzelnen Dinges: relatives N., was also immer noch ein Positives ist, nur mit dem Mangel gerade dieser Position (daher auch privatives N.), oder die Verneinung aller Dinge und aller Existenz; absolutes N. Die griechische und indisch-brahmanische Metaphysik hatte den Grundsatz: aus N. wird N., weil sie es unbegreiflich fand, wie etwas aus seinem Gegenteil, dem N., entstehe oder in N. sich auflösen könnte. Sie ließ darum entweder ein Sein aus dem andern entstehen, oder sie erklärte das Sein für ewig, d.h. das Entstehen eines Seins aus anderm Sein (das relative N. ebenso wie das absolute) für bloßen Schein. Die jüdisch-christliche und die indischbuddhistische Metaphysik haben den entgegengesetzten Grundsatz, und zwar lehrt die erstere, daß (durch die Schöpfung) aus N. Sein, die letztere, daß (durch den Eingang in Nirwâna) aus Sein N. werde. Leugnung des Seins überhaupt nennt man absoluten, eines vom Denken unterschiedenen Seins (wie es der Idealismus tut) relativen (theoretischen), die Leugnung allgemein gültiger Sitten- und Rechtsgesetze praktischen (moralischen) Nihilismus.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 621.
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