Lunge

[783] Lunge heißt das in der Brusthöhle der Thiere eingeschlossene und zur Verrichtung des Athmens bestimmte Eingeweide. Es besteht bei dem Menschen und vielen Thieren aus zwei Hälften oder Flügeln, einem rechten und einem linken, die kurzweg auch die rechte und linke Lunge genannt und durch eine häutige Wand, das sogenannte Mittelfell, von einander getrennt werden, durch die Lungen-Schlag- und Blutadern mit dem zwischen ihnen gelegenen und zum Theil von ihnen bedeckten Herzen, sowie durch die Verzweigungen der Luftröhre in ihrem Gewebe mit dieser in Verbindung stehen und beinahe vollständig von den Brustfellen, die dazu beitragen, sie in ihrer Lage zu erhalten, umgeben sind. An jeder Lunge unterscheidet man eine äußere gewölbte, der äußern Brustwandung entsprechende, eine innere ausgehöhlte gegen den Herzbeutel stehende und eine untere, ebenfalls ausgehöhlte, gegen das Zwerchfell gekehrte Fläche. Jede Lunge hat für sich die Gestalt eines unregelmäßigen, nach innen der Länge nach durchschnittenen Kegels, indem sie nach oben in eine stumpfe Spitze, nach unten mit einer breiten Basis endigt. Die rechte Lunge ist etwas umfänglicher und breiter als die linke, etwas länglicher geformt und in ihrem vordern Rande mit einem Ausschnitte für den Herzbeutel versehen, erstere zugleich durch zwei tiefe, fast quere Einschnitte in drei, letztere durch einen einzigen Einschnitt in blos zwei Lappen getheilt. Der vordere und untere Rand jeder Lunge sind scharf, der hintere stumpf abgerundet. Das Gewebe, aus welchem die Lungen bestehen, ist zellig, schwammig und bei Erwachsenen von blaurother oder blaugrauer, mit schwarzen Flecken besetzter, bei dem noch ungeborenen Menschen aber von dunkelrother, [783] kurze Zeit nach der Geburt, sobald das Athmen begonnen, von gleichförmig rosenrother Farbe. Dieses Lungengewebe nun besteht wieder aus vielen kleinen Abtheilungen oder Läppchen, deren jedes durch viele kleine Scheidewände in unregelmäßige Fächer getheilt ist, welche Lungenbläschen genannt werden. In diese Lungenbläschen endigen sich die feinsten Zweige der Luftröhrenäste, die zuletzt so zart werden, daß sie blos häutig sind. An dem Umfange der Lungenläppchen und Lungenbläschen verästeln sich die feinsten Zweige der Lungen-Schlag- und Lungen-Blutadern, und hier ist es, wo das Blut die durch das Athmen bedingte Veränderung erleidet. Außerdem erhalten die Lungen zahlreiche Saugadern oder Lymphgefäße, deren blauschwarzgefärbte Drüsen sich vorzugsweise an den Theilungswinkeln der Luftröhrenzweige vorfinden und Nerven, die zusammen das sogenannte Lungengeflecht bilden, welches die in die Lungen eintretenden Luft- und Blutgefäße zu begleiten pflegt. Wie sämmtliche Luftwege (Mund, Schlund, Kehlkopf und Luftröhre), werden auch die, welche sich in die Lungen fortsetzen, von einer Schleimhaut ausgekleidet, in der zahlreiche Schleimbälge liegen. Da jedes Thier des Einflusses der atmosphärischen Luft zur Erhaltung seines Lebens bedarf, so besitzen auch alle Thiere Organe, welche zur Aufnahme und Verbreitung der Luft im Innern des Körpers dienen; indeß sind dieselben je nach den verschiedenen Thierclassen sehr verschieden beschaffen. Bei den Insekten verrichten diesen Dienst die Luftkanäle, bei den Fischen die sogenannten Kiemen. Das ausgedehnteste Lungensystem besitzen die Vögel, indem sich bei ihnen die Luftzellen nicht nur bis in den Unterleib, sondern auch bis in die Zwischenräume der Muskeln und in die Höhlen der Röhrenknochen fortsetzen. Der Umstand, daß Lungen, welche geathmet haben, im Wasser schwimmen (weil sie die einmal aufgenommene Luft nie wieder ganz von sich geben), während solche, welche noch nicht zum Athmen gedient haben, darin untersinken, hat zu der sogenannten Lungenprobe, Schwimmprobe, Wasserprobe, Athemprobe Veranlassung gegeben, einem gerichtlich-medicinischen Verfahren, welches zur Beantwortung der Frage, ob ein todtgefundenes neugeborenes Kind nach der Geburt geathmet, folglich gelebt habe oder nicht, benutzt wird. Dieses Verfahren besteht darin, daß zuerst beide aus der Brusthöhle herausgenommene Lungen sammt dem Herzen, dann ohne dieses und zuletzt in Stücke zerschnitten in ein hinreichend tiefes, mit reinem kalten Wasser angefülltes Gefäß gebracht werden.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 783-784.
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