Ernährung

[483] Ernährung nennt man den Prozeß, durch welchen Stoffe in einen organischen Körper aufgenommen, durch besondere Kräfte, den Säften desselben angemessen, verändert werden, zum Fortbestehen und Wiederersatz verloren gegangener Theile dienen, und dann auf verschiedenen Wegen wieder ausgeführt werden. Die Pflanzen saugen[483] vermöge der Wurzeln erdig wässerrige, durch die Blätter luftförmige oder Dunststoffe ein, welche durch die Röhrchen und Canäle zu allen Theilen gehen und in den Canalöffnungen der Oberhaut verflüchtigen, nachdem sie gewisse Theile zurückließen. Bei den niedrigsten Geschöpfen der Thierwelt, den Feder- und Weichthieren, ist die Ernährung pflanzenähnlich, bei den mit einer edlern Organisation begabten aber vermehren sich die chemischen Umwandlungen der eingesogenen oder eingenommenen Stoffe nach der Mehrheit der Organe, und dieß steigert sich um so mehr, als das Geschöpf sich der vollkommensten Klasse, der der Säugethiere, nähert. Die Ernährung des menschlichen Körpers, des ersten Wesens der Schöpfung, ist sehr zusammengesetzt. Speisen und Getränke werden in den Mund gebracht, um von da in den Magen zu gelangen. Auf dem Wege zu demselben werden schon durch einsaugende Gefäße Theile davon in die Säftemasse geführt, was man daraus sehen kann, daß Ausspülen des Mundes den Durst mildert. Im Magen fängt die Verdauung durch Zermalmen, Vermischen der Nahrungsmittel an, setzt sich in den Gedärmen fort, und durch die dazu kommenden Stoffe, wie Galle, scharfer Saft, Schleim u. s. w., welche besondere Organe hergeben, zersetzen sich die Theile in ihre einfachern oder Grundstoffe. Auf diesem ganzen Wege ist die Einsaugung thätig: am thätigsten ist sie in den Gedärmen, wo eine unendliche Menge ganz kleiner, drüsiger Organe die ausgesognen Stoffe zum Milchsaft oder weißen Blute umändert. Dieser Milchsaft geht nicht weit vom Herzen (s. Adern) in die Blutmasse über, welche, befreit von nährenden Stoffen, zum Herzen zurückkehrt; mit dieser vermischt, gelangt der Milchsaft in die Lungen, wo durch das Athmen dieser auf's Neue nahrhaften Blutmenge das aus der Luft gesogne belebende Wesen, der Sauerstoff, beigemischt wird, und sie röthet. Von hier aus dringt dieses erkräftigte Blut zum linken Herzen, in alle Schlagadern und in die feinsten Enden derselben, wo es aus den undenklich kleinen Mündungen als Dunst ausgehaucht, [484] und von den der Nahrung bedürfenden Theilen ein- oder angesogen wird, wobei auf uns unbekannte Weise die Natur zu jedem Punkte besondere Stoffe vertheilt, Knochenmasse in die Knochen, Faser in das Fleisch, Fett in die Hautgebilde, Feuchtigkeiten in verschiedne Höhlen oder Organe. Eine andere Art der Ernährung findet durch die Haut Statt, und wie der niedrigstehende Polyp umgestülpt, also von Innen wie von Außen sich nährt, nährt sich auch der Mensch von Außen. Die Haut saugt Wasser im Bade, Luft und Dünste ein, und man kann Kranke, die nicht schlucken können, lange durch Milch- und andere nährende Bäder erhalten. Aus diesem ergibt es sich, warum Menschen, die in schlechter Luft oder unreinlich, ohne an die Kultur der Haut zu denken, leben, ungesund und schlecht genährt sein müssen. Das weibliche Geschlecht hat einen weit schnellern Ernährungsprozeß als das männliche; Frauen essen zwar weniger auf einmal, aber öfter, erholen sich schneller nach Krankheiten und erhalten sich bei schlechter Kost besser als Männer. Auch ist ihnen eine einfache Kost zuträglicher, als eine reizende, die alle Thätigkeiten ihres für solche Erregungen nicht geschaffnen Körpers bald krankhaft steigert oder stört. Die Ernährung wird von allen Einwirkungen beeinträchtigt, welche die Verdauung stören, und besonders sind Gemüthsbewegungen, Mangel an Bewegung und freier Luft, unverdauliche schlechte Kost, große Anstrengung des Körpers und der Seele dahin zu rechnen.

D.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 3. [o.O.] 1835, S. 483-485.
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