Wille [1]

[734] Wille (der), das Wollen ist das geistige Vermögen des Menschen, sich für oder wider eine von ihm vorzunehmende Handlung zu bestimmen, über ein Bestreben zu entscheiden. Der entschiedene Wille eines wird daher ein Streben oder ein Unterlassen, das aber wesentlich vom bloßen Begehren und Trachten nach Etwas und von dem entgegengesetzten Widerwillen vor Etwas unterschieden ist. Letztere sind auch ein Streben oder ein Verabscheuen, aber unter der vorwaltenden Bestimmung des Triebes, dem Genusse des sinnlich Angenehmen nachzugehen und das sinnlich Widerwärtige zu meiden, während der Wille solchen Anregungen allein nicht folgt, sondern ihnen nur nachgibt, wenn sie auch mit den Foderungen der Vernunft, der Rechts- und Tugendgesetze, mit dem »Gewissen« übereinstimmen. Daher kommt es, daß der Wille sich für etwas entscheidet, was der Trieb verabscheut, wie z.B. den Tod für eine heilige Überzeugung und für das Vaterland, und das gegen andere Dinge ist, die der Trieb begehrt, wie etwa den Besitz fremder Güter. Insofern sich also der Wille über den Einfluß des Triebes zu erheben vermag, heißt er frei; seine Freiheit aber ist keine gesetzlose, sondern eine vernünftige und er beweist sie am entschiedensten, indem er sich eben nur für sittlich Gutes und wider das Böse entscheidet. Er wird in dieser Beziehung auch reiner Wille genannt, dagegen als pathologisch bezeichnet, insofern er durch den Trieb, durch Begierden und Leidenschaften bestimmt werden kann.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 734.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: