Schlaf

[82] Schlaf bezeichnet denjenigen Zustand, in welchem die Thätigkeit der Sinne und der Muskeln, sowie das Bewußtsein für die uns umgebende Außenwelt für einige Zeit unterbrochen oder wenigstens in hohem Grade beschränkt ist, kurz alle Organe, welche dem Willen unterworfen sind, mehr oder minder ruhen, während die Verrichtungen des Athemholens, des Blutumlaufs, der Ernährung, des Wachsthums u.s.w. ungestört von statten gehen. Der Schlaf ist ein natürliches, allen Thieren gemeinschaftlich zukommendes Bedürfniß, welches durch die im Zustande des Wachens allmälig eintretende Erschöpfung des Nervenlebens bedingt ist. Dieses Bedürfniß verräth sich zunächst durch das Schläfrigwerden. Sobald aber der Mensch in Folge von Ermüdung schläfrig wird, beginnen die Sinne und bald auch die Muskeln, ihm den gewohnten Dienst zu versagen. Er sieht und hört nicht mehr deutlich, was um ihn vorgeht, bald sieht und hört er gar nichts mehr, in Folge der gleichzeitig eintretenden Erschlaffung der Muskeln sinkt das obere Augenlid über das Auge herab, der Kopf kann sich nicht mehr aufrecht halten, sondern beginnt zu nicken und neigt sich endlich auf die Brust herab, der Hand entfällt was sie eben noch gefaßt hatte u.s.w., bis völlige Bewußtlosigkeit eintritt oder das Einschlafen in vollkommenen Schlaf übergeht, der je nach dem Alter, der Körperconstitution, dem Grade der während des Wachens stattgefundenen geistigen oder körperlichen Thätigkeit längere oder kürzere Zeit dauert. Je jünger der Mensch ist, desto längern Schlafes bedarf er; so wacht das Kind in der ersten Zeit nach der Geburt fast nur, um die Brust der Mutter zu nehmen, und schläft selbst an dieser wieder ein, ja selbst wenn es bereits das Alter von einem Jahre erreicht [82] hat, schläft es immer noch längere Zeit, als es wacht. Nach und nach nimmt indeß das Bedürfniß des Schlafes immer mehr ab, sodaß ein gesunder Erwachsener bei einer vorzugsweise geistigen Berufsthätigkeit an 6–7 Stunden Schlafs vollauf genug hat, während bei blos körperlicher Arbeit nicht einmal so viel vonnöthen ist. Schwächliche und kränkliche Menschen machen eine Ausnahme hiervon. Ferner gilt als Regel, daß ein tiefer, fester Schlaf mehr erquickt und stärkt als ein leiser, durch lebhafte Träume gestörter, selbst wenn ersterer kürzer ist als letzterer. Im Allgemeinen schlafen alle Menschen in den ersten Stunden am festesten und darum am besten aus dem einfachen Grunde, weil zu dieser Zeit das Bedürfniß des Wiederersatzes der durch die Thätigkeit im wachenden Zustande verloren gegangenen Nervenkraft durch Ruhe am größten ist. So erquickend ein bei großer Müdigkeit sich einfindender Schlaf in der Regel zu sein pflegt, so ist dagegen eine allzu große Erschöpfung ein wesentliches Hinderniß eines guten Schlafes. So schlafen z.B. kleine Kinder, wenn man sie zu lange wach erhalten hat, schwer ein. Allzu häufiger Mangel des nothwendigen Schlafes, wie lange fortgesetztes Nachtwachen, zumal wenn damit noch niederdrückende Gemüthsbewegungen, geistige Anstrengungen u.s.w. verbunden sind, sowie Übermaß des Schlafes wirken beide nachtheilig auf die Gesundheit. Gesunde Menschen und vorzugsweise wieder Kinder können schlafen, wann sie wollen, sobald sie sich nur zum Schlafen hinlegen und die Augen schließen. Außer der natürlichen Ursache des Schlafes, der Ermüdung durch des Tages Last und Hitze, bewirkt denselben auch Alles, was die freie Gehirnthätigkeit aufhebt, daher insbesondere Alles, was den Rückfluß des Blutes vom Kopfe erschwert, großer Blutverlust, große Kälte, der Genuß berauschender Getränke, narkotische (betäubende) Arzneien. – Schlafsucht wird ein krankhafter Zustand genannt, der meist im Gefolge anderer Krankheiten, wie z.B. in bösartigen Wechsel- und Nervenfiebern, namentlich im sogenannten Typhus, bei Schlagflüssen, Gehirnwassersucht, Gehirnerschütterungen u.s.w. vorkommt, oder künstlich durch den Genuß narkotischer Pflanzen, namentlich des Opium, hervorgebracht wird, in welchem Falle er gewöhnlich mit krampfhaften Erscheinungen und Irrereden verbunden ist. Man unterscheidet gewöhnlich drei dem Grade nach verschiedene Arten von Schlafsucht: 1) nämlich einen Zustand von sehr tiefem Schlafe, aus welchem der Kranke zwar noch auf kurze Zeit erweckt werden kann, aber nur, um sehr bald, nachdem er vielleicht nicht einmal zu klarem Bewußtsein erwacht ist, wieder in denselben zu verfallen; 2) einen noch tiefern, oft lange anhaltenden, mit großer Geistes- und Körperschwäche verbundenen Schlaf, aus welchem der Kranke nie hellen Geistes, sondern meist unter Irrereden erwacht, und 3) den sogenannten Todtenschlaf, aus dem ein Erwecken fast nicht mehr möglich ist.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 82-83.
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