Fürst

[129] Fürst heißt so viel wie der Vorderste, der Erste. Bei den alten Deutschen nannte man so diejenigen Beamten, welche in Friedenszeiten an der Spitze des Volkes standen und über dasselbe Recht sprachen; in Kriegszeiten wurden sie Herzöge genannt und vom Volke gewählt; späterhin aber erhielt das Wort Fürst eine allgemeinere Bedeutung und man bezeichnete damit jedes Staatsoberhaupt. Die Franken, welche sich über die übrigen deutschen Völkerstämme erhoben, nannten ihr Staatsoberhaupt König und dieser ernannte sich Herzöge zu seinen Heerführern und Grafen zur Verwaltung der Rechtspflege. Der Name Fürst kam sowol als Bezeichnung des Königs wie auch als Benennung für die Großen des Reichs vor. Nach dieser Zeit wurde das Wort Fürst aber ein besonderer Amtstitel, den Derjenige erhielt, welcher der Nächste nach dem Könige war und von diesem das Recht empfangen hatte, zu Gericht zu sitzen und den Heerbann aufzubieten. Dieses Recht wurde späterhin erblich, sowie überhaupt unter den deutschen Kaisern die Fürsten die Schwäche der Nachfolger Karl's des Großen zur Erweiterung ihrer Macht zu benutzen wußten, bis sie endlich als unabhängige Landesherren dastanden. Daher heißen jetzt alle regierenden Häupter Fürsten und man unterschied schon früher weltliche und geistliche Fürsten und unter diesen wieder mancherlei Abstufungen, als: Herzöge, Mark-, Pfalz- und Landgrafen, auch gefürstete Grafen. Sie bildeten unter einem gemeinschaftlichen Oberhaupte, das sie selbst wählten, das deutsche Reich. Dieses Wahlrecht ging indeß bald in die Hände einiger Wenigen über und die Übrigen mußten ihre Zustimmung geben. Daher entstand der Name Kurfürsten, welches die zur Wahl (Kur) berechtigten Fürsten bezeichnet. Ihre Würde fiel aber mit dem deutschen Reiche zusammen und nur der Fürst von Hessen-Kassel hat diesen Titel noch beibehalten. Durch die deutsche Bundesacte sind viele kleinere Reichsstände mediatisirt worden, doch haben sie die Rechte der Ebenbürtigkeit behalten und ist ihnen der Titel »Erlaucht« beigelegt worden. Der Name Fürst ist in neuester Zeit, nach Napoleon's Vorgange, häufig auch als bloßer Ehrentitel einzelnen Personen beigelegt worden. Bis auf Peter den Großen, welcher sich zuerst Kaiser nannte, hießen die Beherrscher Rußlands Großfürsten, jetzt führen die Kinder und Geschwister des russ. Kaisers diesen Titel.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 129.
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