Ebenbürtigkeit

[615] Ebenbürtigkeit nennt man im Allgemeinen das als auf der Geburt beruhend betrachtete gleiche Standesverhältniß verschiedener Personen, was in frühern Zeiten von weit größerer Bedeutung war, als heutzutage, indem nur Ebenbürtige übereinander richten, gegeneinander zeugen, miteinander einen Zweikampf bestehen und Heirathen untereinander schließen konnten. In Bezug auf den Zweikampf herrscht auch jetzt noch häufig das Vorurtheil, daß nur Adelige, Offiziere und Studenten satisfactionsfähig oder ebenbürtig sind, sowie man auch thöricht genug die Heirath eines Adeligen mit einer Bürgerlichen noch eine Misheirath zu nennen pflegt. Bei Fürsten und dem hohen Adel hat indeß eine Heirath unter dem Stande noch mancherlei rechtliche Nachtheile, indem die Kinder aus solchen Ehen nicht zur Regierungsnachfolge und zur Succession in die Lehns- oder Stammgüter fähig sind, auch der äußern Ehrenvorzüge nicht theilhaftig werden. Der niedere Adel wird im Verhältniß zu den Fürsten und zu dem hohen Adel nicht für ebenbürtig gehalten, dagegen sind den ehemaligen Gliedern des hohen Adels, welche seit der Auflösung des deutschen Reichs der Landeshoheit unterworfen sind, den sogenannten Standesherren, in der deutschen Bundesacte ausdrücklich die [615] Rechte der Ebenbürtigkeit, sowie auch das Recht der Autonomie vorbehalten, vermöge dessen sie Familien- und Hausgesetze geben können, in welchen häufig auch Bestimmungen über die Ebenbürtigkeit vorkommen, wodurch die allgemeinen Grundsätze mehr oder weniger modificirt werden.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 615-616.
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