Pückler-Muskau, Hermann, Fürst von

[302] Pückler-Muskau, Hermann, Fürst von. Es möchte wohl schwerlich ein deutscher Schriftsteller neuester Zeit der gebildeten Damenwelt bekannter sein, als der eben genannte, dessen fashionable Ritterlichkeit zum Sprichwort geworden. Fürst P., geb. am 30. Oct. 1785, liebte von Jugend auf das Außergewöhnliche. Ihm war Alles zu langweilig, gesetzlich, abgerundet, er sehnte sich nach etwas Eckigem, und besann sich nicht lange da, wo er dergleichen nicht vorfand, es selbst hineinzubringen. So bildete er sein ganzes Leben in einen genialen Roman um, in dem nichts gewöhnlich, und doch[302] Alles natürlich ist. Sobald er in das Jünglingsalter getreten war, schwärmte er hinaus in die weite Welt, und durchstreifte mit keckem Jugendübermuth ohne Unterstützung von seinem Vater, mit dem er in schlechtem Vernehmen stand, Frankreich und Italien. Zurückgekehrt nach Deutschland, hielt er sich bis zum Tode seines Vaters in Berlin auf. Hierauf trat er in den Besitz der bedeutenden Standesherrschaft Muskau in der Ober-Lausitz, und erhielt dadurch Gelegenheit, die lebhafte Beweglichkeit seines Geistes auf Verschönerung seines Stammschlosses zu wenden. Umgeben von dem geistvollen Dichter Clemens Brentano und dem tiefsinnig-gemüthlichen Novellisten Leopold Schefer, lebte er in Muskau bis zum Ausbruche des Krieges 1813. Eine Krankheit verhinderte ihn, sogleich daran Theil zu nehmen; erst im October trat er in russ. Dienste und begleitete den Großherzog von Sachsen-Weimar als Adjutant. Tapfer von Haus aus, in allen ritterlichen Künsten wohl erfahren, war er stets den Kämpfenden voran, und als er einst einen französischen Husarenoberst auf sich zusprengen sah, eilte er ihm ganz allein entgegen und ging im Angesicht beider Heere einen Zweikampf mit dem Feinde ein, der damit endigte, daß P. seinen Gegner niederhieb. Die fortwährende Unerschrockenheit bei allen Kriegsunternehmungen und seine vielfachen Heldenthaten verschafften ihm den Rang eines Oberst-Lieutenants und später (1822) die Erhebung in den Fürstenstand. Nach Beendigung des Krieges ging er nach England, kehrte zurück nach Muskau, begann seine berühmten Parkanlagen und die Errichtung des Hermannsbades. Die angeborne Unruhe seines Naturells trieb ihn dabei fortwährend bald nach Dresden, bald nach Berlin, und als ihm einmal die liebe Erde zu fest und solid ward, versuchte er sich mit Reichard auch als Luftschiffer, von welcher improvisirten Reise er in seinen »tutti frutti« ein sehr ergötzliches Gemälde entwirft. Alle diese Absonderlichkeiten waren jedoch nur die Vorübungen zu seinen späteren abenteuerlichen Entschlüssen und Weltfahrten. Nachdem[303] er sich 1817 mit der Tochter des Staatskanzlers Fürsten von Hardenberg vermählt und 1826 wieder von ihr geschieden hatte, ging er 1828 abermals nach England und Frankreich, und gab als Frucht dieser umfassenderen Reise 1830 nach und nach 4 Bände der »Briefe eines Verstorbenen« heraus, wodurch bald sein Name, der ungeachtet der Anonymität leicht zu errathen, europäischen Ruf erhielt. Die leichtfertige Ungenirtheit, womit der in die höchsten Cirkel der Gesellschaft Zugelassene Personen und Zustände einer fremden Nationalität schildert, mußten um so mehr die allgemeine Aufmerksamkeit erregen, als sich dieser Manier so viele naive Gutmüthigkeit, ungekünstelte Eitelkeit mit seiner eigenen Person und das offenbare Gefallen, Anderer Geheimnisse auf eine Weise zu verrathen, die weder undelicat, noch beleidigend genannt werden konnte, beimischte. Hierdurch ward er der fashionable Schriftsteller par excellence. Die vornehme Welt und die höchsten Klassen der Gesellschaft fanden sich geschmeichelt durch sein chevalereskes Festhalten des aristokratischen Lebenselementes, und in den Herzen der Bürgerlichen und mehr zu republikanischer Lebensbewegung hinneigenden Jugend fand er Anklang durch die Freisinnigkeit, womit er der Demokratie die Hand schüttelt. Er ist der Schriftsteller für Jedermann, weil er immer nur den Menschen sucht, und wenn er auch oft dem Altangestammten eine flüchtige Lobrede hält, so gehört dieß in die Branche der Koketterie, der er nun einmal nicht entsagen mag. Sein schriftstellerischer Ruf stieg noch höher mit Herausgabe der »Tutti frutti« (1834), einem bunten Allerlei von Erlebtem und Erdachtem, in das sich geeigneten und ungeeigneten Ortes Raisonnements über gesellschaftliche und politische Zustände mischen, die oft treffend und geistreich sind, nicht gar selten, aber auch bloße Grillen und Einfälle zum Besten geben. Noch in demselben Jahre ergriff ihn abermals die alte Wanderlust, die sich dießmal ihr Ziel in weitester Ferne suchte. P. faßte den Plan nach Amerika einen Spaziergang zu unternehmen, zwar nicht[304] zu Fuße, wie weiland Seume nach Syrakus, aber doch mit gleicher Luft, Abenteuern nachzujagen. Er durchstreifte einen Theil Süddeutschlands und ging von da nach Paris. Die Ergebnisse dieser Reise waren »Semilasso's vorletzter Weltgang.« In Paris änderte der Fürst seinen Reiseplan, und ging, nachdem er zuvor einen Zweikampf an der Grenze Belgiens mit gewohnter Ritterlichkeit glücklich bestanden, nach Afrika, von wo aus er nach längerem Aufenthalte in Algier, Tunis und den umliegenden Gegenden Malta besuchte, dann nach Griechenland übersetzte und jetzt im Begriff steht, in Kleinasien, Syrien und Arabien möglichst weit vorzudringen. Ein Theil dieser abenteuerlichen Weltfahrt liegt bereits in 5 Bänden dem Publikum vor, voll anziehender, geistreicher Bemerkungen über Länder, Völker und Sitten der afrikanischen Küstenbewohner. Immer originell und nie ermüdend in Auffindung neuer Sonderbarkeiten, hat er sich jüngst unweit der Ruinen des alten Sparta in Morea ein Stück Land gekauft, und läßt nun eine Villa, umgeben von schönen Parkanlagen, im Angesicht des Taygetes, auf griechischer Erde bauen. Sehr wahrscheinlich erhält die elegante Welt noch zahlreiche Mittheilungen von dem unermüdlichen Weltgänger, die, wenn auch nicht immer neu, doch gewiß bunt und bewegt genug sein werden, um die deutsche Lesewelt in angenehmer Spannung zu erhalten. – Fürst Pückler ist am 30. Oct. 1785 zu Muskau in der Lausitz geboren. Näheres über seine Persönlichkeit, Leben und Streben findet man in dem trefflichen »Lebensbilde,« welches Th. Mundt im »deutschen Taschenbuche auf das Jahr 1837,« herausgegeben von Karl Büchner, entworfen.

W.....m.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 8. [o.O.] 1837, S. 302-305.
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