Syrien

[495] Syrien, Soristan, das thatenreiche Land voll heiliger Schauer, die orientalisch-christliche Landschaft mit ihren herrlichen Gottesreliquien, wo der Libanon sein stolzes Haupt zu den Wolken emporhebt, der Jordan seine heiligen Wellen über Nazareths Gefilde ergießt, und der Oelberg träufet von dem Salbungsöle göttlicher Erinnerung. Ja, und nur die Erinnerungen Syriens sind noch schön: – denn still und in sich gebückt wie eine gealterte Matrone denkt jetzt Antiochien seiner alten Herrlichkeit; auf eine todte Wüste schaut mit schwermüthigen Blicken der Berg Karmel, und längst geborsten sind die Mauern seiner stolzen Tempelherrnburg; verschwunden ist der königliche Cedernwald des Libanongebirgs und gleich verlassenen Waisen vertrauern nur noch einige wenige Sprößlinge desselben ihr einsames Dasein in den Schluchten von Kannobin, unscheinbar wie einst liegt auch jetzt Joppe's Strand, keine Kauffahrer fremder Zonen: doch weht auch hier nimmer wieder die Oriflamme des Kreuzes, kein Richard Löwenherz entfaltet sein Löwenbanner, und wie eine Sclavin aus königlichem Geblüt, die unter den Fußtritten der Fremde erseufzend, nur der einsamen Mitternacht ihr einsam Leid vertraut, so erbebt das entheiligte Jerusalem unter dem Zeichen des Halbmonds und wagt es nur in der heiligen Nacht seiner Tempel, seine Wünsche und Hoffnungen zu klagen! – Eine 20–25 M. breite, 2000 Quadrat M. enthaltende Landschaft zwischen dem mittelländischen Meere und der syrisch-arabischen Wüste, im Norden vom kleinasiatischen Ejalet Meraasch, im Süden von dem steinichten Arabien begrenzt, ist S. ein Hochland voll merkwürdig zerklüfteter Kalkgebirgsmassen, die sich in der Mitte des Landes im Libanon und Antilibanon zu einer Höhe von 9–10,000 F. erheben, und im Süden, in dem alten Palästina (s. d.), in ein Plateau von einer Durchschnittshöhe von 3000 F. auslaufen. Vom Libanon ergießt sich der Aasi (der alte Orontes), vom Antilibanon der silberne Jordan, jener nach Norden, dieser nach Süden. In seinem mittleren Laufe bildet der heilige Jordan den[495] See von Tabarieh oder Genezareth (das galiläische Meer der Bibel), und strömt durch ein ödes Felsenthal dem todten Meere zu, das rings von nackten, schauerlichen Gebirgen umschlossen, ein 12 M. langer, 1½–3 M. breiter See in. fürchterlicher Einöde, mit der leblosen Monotonie seiner schwarzen Wogen und den schilflosen Gestaden wie eine grauenhafte Ahnung der Unterwelt erscheint. Das Klima im Innern des Landes ist ebenso angenehm als gesund. Wo es nicht an Wasser fehlt, ist der Boden sehr fruchtbar, doch liegt aus Mangel an Kultur der größte Theil desselben wüst. Die wichtigsten Producte sind Baumwolle, Seide, Honig, Wachs, Oel, Tabak, Salz und Erdpech. Die Einwohner, die man der Anzahl nach auf 2½ Mill. schätzt, sind Syrer mit arabischer Sprache, orientalische Christen von verschiedenen Secten, Griechen, Armenier, Juden, Zigeuner, Türken, Kurden, Turkmannen, welche drei letzteren meist als Nomaden leben, zum Theil auch durch ihre Räubereien den Handel erschweren. In den östlichen Wüsten wohnen in großer Menge Araber, die meistlich alle, wie die Aeneze, völlige Beduinen sind. – Seit 1833 ist S. an Mehmed Ali von Aegypten gefallen. Nach der, wenigstens jetzt noch bestehenden, Eintheilung zerfällt es in die Paschaliks: Halep oder Aleppo (mit der Hauptstadt gl. N. und Antiochien), Tarablüs oder Tripolis (mit der gleichnamigen Paschastadt), Damas oder Damask (mit der Hauptstadt Damask, den Ruinen von Palmyra, mit Jerusalem und den andern heiligen Stätten) und Akra mit der Hafenstadt Jean d'Acre, dem alten Ptolemais, Said, sonst Sidon (s. d.) und dem Berge Tabor. – –

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 9. [o.O.] 1837, S. 495-496.
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