Sidon

[242] Sidon, die einst so glänzende, jetzt nur den traurigen Anblick weniger Ruinen darbietende Hauptstadt von Phönizien (s. d.), eine der größten Handels- und Industriestädte der alten Welt, mit einem herrlichen Doppelhafen am Mittelmeer, – ein goldner Bienenkorb, dem die nimmerrastenden Phönizier entschwärmten, um in allen Weltgegenden den Honig der Wildniß zu sammeln, und ihn daheim kunstsinnig in Honigseim von Hymettus umzuwandeln. Berühmt war S's Glas- und Linnenindustrie, berühmt seine herrlichen Kunst- und Spielsachen, die unter dem Namen der »sidonischen Arbeiten« weit in den Orient hinein verführt wurden. Mutter der[242] meisten phönizischen Städte, und schon zur Zeit der Einwanderung der Israeliten nach Canaan groß und blühend, war selbst Tyrus nur eine einzelne, goldene Aehre ihrer reichen Aussaat. Noch geben einzelne Trümmer Zeugniß von ihrer ehemaligen Größe: aber der Wind der Wüste weht jetzt über eine Wüste, im Schlamme des Hafens umschlingt sich wild mit den grünen Schlangenarmen die Schilfbrut des Oceans, und nur die Mythe webt noch gleich der Fata morgana eine güldene Nebelkrone über die entgötterte Stadt.

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Damen Conversations Lexikon, Band 9. [o.O.] 1837, S. 242-243.
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