Gregor Alexandrowitsch, Fürst von Potemkin

[280] Gregor Alexandrowitsch, Fürst von Potemkin, russisch kaiserlicher Feldmarschall, war im September 1736 auf einem kleinen Landgute bei Smolensk geboren, und stammte aus einer Moskauischen adlichen Familie. Von seinem Vater, Hauptmann eines Garnisonregiments, zum geistlichen Stande gegen seine Neigung bestimmt, kam er in ein moskowitisches Kloster; allein da jener zeitig starb, nahm er Kriegsdienste, ward bald Sergeant unter einem Feldregimente, und kam nach ungefähr zwei Jahren durch Empfehlung zur kaiserlichen Garde. Sein schönes Aeußere, sein gesittetes Betragen, seine einnehmende Beredtsamkeit, machten ihn beliebt; man empfahl ihn der Kaiserin Catharina II., sie verlangte ihn zu sprechen, und er hatte das Glück, ihr sogleich zu gefallen. Schon vorher hatte er sich in den Wissenschaften gebildet; jetzt that er es noch mehr, da er von Catharinen große Unterstützung erhielt. Aus Dankbarkeit war er, als Catharina am 9. Juli 1762 ihren Gemahl vom Throne stieß, einer der ersten, der sie zur Kaiserin von Rußland ausrief. Von jetzt an, und besonders seit dem Sturz des Fürsten Gregor Orlof (s. d. Art.); stieg er nach und nach von einer Ehrenstelle zur andern auf, und vereinigte so viele Titel, als wohl jemals ein russischer Großer vereinigt hat. Er war deutscher Reichsfürst, russischer Generalfeldmarschall, Mitglied des hohen [280] Conseils, Gros-Hettmann der Cosaken von Catharinoslaw und am schwarzen Meere, Generalcommandant der sämmtlichen regulairen und irregulairen Cavallerie, der Flotte auf dem schwarzen Meere und vieler andern Truppen zu Wasser und zu Lande, Präsident des Kriegscollegiums, Senator, Generaladjutant der Kaiserin, Generalgouverneur von Catherinoslaw, Taurien und Charkow, Chef der Chevaliers-Garden und des Cuirassierregiments Catharinoslaw, Oberstlieutenant der Garde Preobrciczensky, wirklicher kammerherr, General-Inspector der Armee, Director des griechischen Cadetten-Corps und des alten Arsenals in Moskow, Ritter des Andreas- und Alexander-Newsky-Ordens, Groskreuz des militairischen Georg- und des Wladimir-Ordens von der ersten Klasse, Ritter des Annen-, des schwarzen und weißen Adler-Ordens, des Stanislaus-, Elephanten und Seraphinen-Ordens. Auch erhielt er, nach Catharinens II. Zurückkunst von Cherfon 1787, für die Besitznahme der Krimm, oder des nachherigen Taurien, die er Rußland von den Türken erwarb, den Namen Tawritscheskoi oder der Taurier. Alle diese Ehrenstellen waren aber, wie man sagt, seinem Ehrgeize noch nicht genug. Man behauptet, daß er im Geheim Anstalten getroffen habe, um den pohlnischen Thron oder den Thron der Moldau und Wallachei zu besteigen. Allein sein Tod, der so sonderbar war, als sein ganzes Leben, machte plötzlich seinen Plänen ein Ende. Der seit 1787 und besonders seit 1790 zwischen Rußland und der Türkei ausgebrochene Krieg, wurde größtentheils auf seine Veranlassung und unter seiner Leitung geführt. Im März 1791 kam er von der Armee auf einige Zeit nach Petersburg zurück, um seine große Wohlthäterin zu sehen, und veranstaltete ihr zu Ehren ein, an Pracht beinahe beispielloses, Fest. Im Herbst desselben Jahres ging er nach Jassi, der Hauptstadt der Moldau, wieder zur Armee, fiel aber in eine Krankheit, die in einem heftigen Uebel im Unterleibe bestand. Er wollte keine Arzneimittel gebrauchen, und entschloß sich endlich, Jassi zu verlassen und in dem Kloster Nicolaewo, fünf Meilen von jener Stadt, das Ende seinen Krankheit abzuwarten. Auf dieser Reise überfielen ihn [281] am 16. October 1791 solche heftige Schmerzen im Unterleibe, daß er sich aus dem Wagen tragen und auf eine Matratze unter einen Baum hinlegen ließ, wo er nach einigen Augenblicken starb. – Potemkins Geschichte ist im Ganzen, und vorzüglich was den politischen Theil derselben betrifft, noch ziemlich dunkel. Nur so viel ist gewiß, daß er sowol im Cabinet, als im Felde, gleichsam Regent war. Sein vorzüglichster Plan war: die Türken ganz aus Europa zu vertreiben, und er suchte sie immer durch neue Anmaßungen zum Kriege zu reitzen, um sie zu demüthigen. In seinem häuslichen Leben war er der größte Sonderling. Er liebte die auffallendste Pracht und den sonderbarsten Glanz, und aus dieser Hinsicht war er ein Beförderer der Künste. Er war stolz, und ließ selbst die Vornehmsten seinen Stolz und Größe fühlen; er empfing z. B. die Aufwartungen derselben im Pudermantel. So sehr er dadurch die Anzahl seiner Feinde vermehrte, so wußte er sich doch, selbst mit ihrem Willen, bei seiner Macht und in Ehrenstellen zu erhalten, indem er ansehnliche Summen von ihnen borgte, ungeachtet er derselben nicht bedurfte, da er selbst ungeheure Schätze aufgehäuft hatte. Ob übrigens Potemkinʼs Ministerium dem russischen Reiche mehr Nutzen als Schaden gebracht habe, scheint fast zweifelhaft zu sein. Zwar wurde dasselbe durch ihn an Umfange vergrößert; allein da der Krieg gegen die Türken, durch den er dies bewirkte, dem Lande sehr große Summen kostete, da er selbst durch seinen Hang zur Wollust und Verschwendung ein sehr schädliches Beispiel gab; so scheinen die Vortheile, die er dem Staate verschaffte, den Nachtheil, der ihm zugleich erwuchs, zu überwiegen.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 8. Leipzig 1811, S. 280-282.
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