Pückler-Muskan

[436] Pückler-Muskan, Hermann Ludwig Heinrich, Fürst von, Schriftsteller, geb. 30. Okt. 1785 zu Muskau in der Lausitz, gest. 4. Febr. 1871 auf Schloß Branitz bei Kott bu s, besuchte das herrnhutische Institut zu Uhyst bei Bautzen, dann das Pädagogium in Halle, studierte in Leipzig Rechtswissenschaft, trat aber 1803 in Dresden als Leutnant in das Regiment Gardedukorps ein. Nach einigen Jahren nahm er mit dem Rang eines Rittmeisters seinen Abschied, bereiste Frankreich und Italien und ward nach seiner Rückkehr 1811 durch den Tod seines Vaters Besitzer der Standesherrschaft Muskau. Bei Eröffnung des Feldzugs von 1813 trat P. als Major in russische [436] Dienste und begleitete dann als Adjutant den Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar. Zum Oberstleutnant ernannt, zeichnete er sich mehrfach aus (z. B. bei dem Sturm auf Merxem), und auch als Gouverneur von Brügge erwarb er sich Anerkennung. Nach Abschluß des Friedens bereiste er England, lebte dann abwechselnd in Berlin, Dresden und Muskau und verheiratete sich 1817 mit der verwitweten Reichsgräfin von Pappenheim, einer Tochter des Fürsten von Hardenberg. von der er sich 1826 im gegenseitigen Einverständnis gerichtlich trennen ließ, um durch eine glänzende Heirat in England seine zerrütteten Finanzen zu ordnen. Als dieser Plan scheiterte, lebten die geschiedenen Gatten ohne neue Verheiratung einträchtig weiter. Unterdessen hatte ihn 1822 der König in den Fürstenst. ind erhoben, weil P. durch die Einverleibung der Lausitz in den preußischen Staat mannigfache Privilegien verloren hatte. 1828 bereiste er zum zweitenmal England und Frankreich, 1835 Algerien und Nordafrika, 1837 Ägypten, Kleinasien und Griechenland, von wo er erst 1840 nach Deutschland zurückkehrte. Nachdem er 1845 die Herrschaft Muskau verkauft hatte, lebte er an verschiedenen Orten Deutschlands und Italiens und nahm schließlich seinen Wohnsitzauf Schloß Branitz bei Kottbus. Er führte fest 1861 den Titel »Durchlaucht« und war 1863 vom König zum erblichen Mitgliede des Herrenhauses ernannt worden. Fürst P. war der bedeutendste Gartenkünstler Deutschlands. Nach einem Studium der Anlagen W. Kenls in England schuf er den Park in Muskau, wo er zuerst das fruchtbare Prinzip zur Anwendung brachte, die umgebende Landschaft in die Anlagen hineinzuziehen (s. Tafel »Gartenkunst III«). Nach dem Verkauf von Muskau begann er gleich geniale Schöpfungen in Branitz und wußte in der ödesten Gegend ein unerreichtes Muster des freien und unabhängigen Gartenstils hinzustellen. Auch auf die Gestaltung der Parke in Babelsberg, Ettersburg bei Weimar, Wilhelmsthal bei Eisenach, Altenstein bei Liebenstein etc. hatte der Fürst Einfluß. Durch seine »Andeutungen über Landschaftsgärtnerei«, eine Beschreibung seiner Parkanlagen in Muskau (Stuttg. 1834, mit 48 landschaftlichen Darstellungen von Schirmer; neue Ausg., Berl. 1903), gelangte diese Richtung zu allgemeiner Geltung in Deutschland. Als Schriftsteller erregte Fürst P. zuerst Aufsehen durch die anonymen »Briefe eines Verstorbenen« (Stuttg. 1830–3 lu. ö., 4 Bde.). Später folgten: »Tut li Frutti, aus den Papieren des Verstorbenen« (Stuttg. 1834, 5 Bde.); »Jugendwanderungen« (das. 1835); »Semilassos vorletzter Weltgang, erster Gang: Europa« (das. 1835, 3 Bde.); »Semilasso in Afrika« (das. 1836, 5 Bde.); »Der Vorläufer« (das. 1838); »Südöstlicher Bildersaal« (das. 1810, 3 Bde.); »Aus Mehemed Alis Reich« (das. 1814, 3 Bde.); »Die Rückkehr« (Berl. 1846–48, 3 Bde.). Püklers Reisewerke galten der jungdeutschen Literaturrichtung, die den Schein über das Wesen. den Esprit über die Wahrheit, den glänzenden Stil über das Verständnis der Dinge setzte, für Meisterleistungen. Nicht ohne die Gabe ansprechender Schilderung und scharfer Beobachtung, vereinte der Fürst die anmutige und doch hochmütige Leichtfertigkeit eines Aristokraten des 18. Jahrh. mit dem absprechenden Ton eines modernen Literaten und stellte mit seinem glänzenden Stil die Oberflächlichkeit seiner Natur mehr ins Licht, als daß er sie verhüllte. Aus seinem Nachlaß veröffentlichte Ludmilla Assing eine große Anzahl zum Teil wertvoller Briefe (»Briefwechsel und Tagebücher«, Berl. 1873–76, 9 Bde.). Vgl. Ludmilla Assing, Fürst H. von P. (Hamb. 1873); Petzold, Fürst P. in seiner Bedeutung für die bildende Gartenkunst (Leipz. 1874).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 436-437.
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