Ludwig [1]

[773] Ludwig (franz. Louis), altfränk. Mannesname, aus Chlodwig entstanden, bedeutet: ruhmvoller Kämpfer; ihm entsprechen die weiblichen Namen Ludovika und Ludovicia (woraus Luise). Die merkwürdigsten Träger des Namens L. sind:

Tabelle

[Römisch-deutsche Kaiser.] 1) L. I., der Fromme, bei den Franzosen le Débonnaire (»der Sanftmütige«), geb. 778 in Chasseneuil am Lot als der dritte Sohn Karls d. Gr. von dessen dritter Gemahlin, Hildegard, gest. 20. Juni 840. Schon 781 zum König von Aquitanien gekrönt, erlangte er große Fertigkeit im Waffengebrauch und viele Kenntnisse in geistlichen und weltlichen Dingen; er verstand sogar Griechisch. L. lebte einfach und mäßig wie sein Vater, aber es fehlte ihm dessen Selbständigkeit und Kraft des Willens; seine Abhängigkeit von der Geistlichkeit, die er begünstigte und überreich beschenkte, hat ihm den Beinamen »der Fromme« eingetragen. Nach dem Tode seiner ältern Brüder, Pippin (810) und Karl (811), von seinem Vater 813 in Aachen zum Kaiser gekrönt und zum Mitregenten erhoben, folgte L. 28. Jan. 814 dem Vater als Alleinherrscher. Seine ersten Regierungsmaßregeln zeugten von Tatkraft; er beseitigte die an dem Hofe zu Aachen eingerissene Zügellosigkeit der Sitten, bestrafte die Unterdrückung des Volkes durch die Großen, forderte bessern Lebenswandel der Weltgeistlichen und der Mönche und verpflichtete sich mit kluger Milde die Sachsen und Friesen. Bald aber folgten Mißgriffe. Die Diener und Ratgeber seines Vaters wurden zurückgesetzt, die königlichen Güter massenweise zu Lehen gegeben und der Geistlichkeit immer mehr Einfluß eingeräumt. Die unglücklichste Maßnahme war die bereits 817 ausgeführte Teilung des ganzen Reiches unter seine drei Söhne von seiner Gemahlin Irmengard, Lothar (s. Lothar 1), Pippin und Ludwig. Sein Neffe Bernhard von Italien, dadurch gereizt, empörte sich, ward aber 818 nach Châlon gelockt und hier geblendet, worauf Italien Lothar zufiel. Als sich L. nach dem Tode Irmengards (3. Okt. 818) in ein Kloster zurückziehen wollte, vereitelten[773] seine Ratgeber diesen Plan, indem sie 819 seine zweite Vermählung mit Judith, der Tochter des Grafen Welf, zustande brachten. Zugunsten des ihm von derselben 13. Juni 823 gebornen vierten Sohnes, Karl, nachher der Kahle genannt, schritt L. 829 zu einer zweiten Reichsteilung, wobei Karl Alemannien als Königreich erhielt. Darüber erbittert, griffen die Söhne erster Ehe zu den Waffen, zwangen, durch die mißvergnügten Großen unterstützt, 830 ihren Vater, Judith in ein Kloster zu verbannen, und verlangten von L. freiwillige Entsagung auf die Kaiserkrone. Indes L. weigerte sich, brachte seine Söhne Pippin und Ludwig wieder auf seine Seite und wurde auf dem Reichstag zu Nimwegen wieder eingesetzt; Lothar mußte sich unterwerfen. Judith kehrte zurück, und Karl erhielt nicht nur das vergrößerte Alemannien wieder, sondern 832, als Pippin sich empörte, auch Aquitanien. Dies veranlaßte einen neuen Aufstand der drei ältern Söhne, und nach dem Abfall seines Heeres auf dem Rothfeld (danach »Lügenfeld« genannt) unweit Kolmar 29. Juni 833 ergab sich L. freiwillig samt seiner Gemahlin und dem jüngsten Sohne Karl. Judith ward nach Tortona verwiesen, ihr Sohn Karl nach Prüm gebracht. Die Brüder teilten das Reich unter sich, der alte Vater tat im Oktober 833 in der Kirche zu Soissons vor Lothar und den versammelten Großen Kirchenbuße und ward der kaiserlichen Herrschaft für unwürdig erklärt. Lothars Herrschsucht rief aber bald die beiden Brüder gegen ihn zu den Waffen. Lothar floh nach Vienne, und L. wurde 1. März 834 zu St.-Denis wieder in die Herrschaft eingesetzt. 837 machte er mit Einwilligung Pippins eine neue Teilung, wobei Karl König von Neustrien wurde. Als jedoch L. nach Pippins Tode (13. Dez. 838) mit Ausschließung der Kinder desselben Westfranken an Karl und Italien nebst ganz Austrasien an Lothar vergab, griff sein gleichnamiger jüngster Sohn erster Ehe, später »der Deutsche« genannt (s. Ludwig 5), dem auf diese Weise nur Bayern blieb, zu den Waffen, während sich auch die Aquitanier 839 zugunsten der Söhne Pippins kämpfend erhoben. Um alle Wirren zu ordnen, berief der Kaiser einen Reichstag nach Worms, starb jedoch noch vor dessen Zusammentritt auf einer Rheininsel bei Ingelheim. Er wurde in der Kirche des heil. Arnulf zu Metz (seit 1552 zerstört) beerdigt. Vgl. »Die Lebensbeschreibungen Ludwigs des Frommen von Thegan und vom sogen. Anonymus« (»Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit«, Bd. 19, Leipz. 1889); Funk, L. der Fromme (Frankf. 1832); Himly, Wala et Louis le Débonnaire (Par. 1849); Simson, Jahrbücher des fränkischen Reiches unter L. dem Frommen (Leipz. 1874–76, 2 Bde.).

2) L. II., ältester Sohn Lothars I., geb. 825, gest. 12. Aug. 875, ward von seinem Vater als König von Italien eingesetzt, vom Papst Sergius 15. Juni 844 zum König der Langobarden, 6. April 850 von Leo IV. zum römischen Kaiser gekrönt und erhielt bei seines Vaters Abdankung 855 von dessen Reich Italien. Das römische Kaisertum verlor unter ihm jede Oberhoheit über die übrigen fränkischen Königreiche. Ein Bund mit dem griechischen Kaiserreich zur Vertreibung der Sarazenen führte zwar zur Eroberung Baris 871; indes bald entzweiten sich die beiden Kaiser, da die Griechen L. nicht den Titel Imperator Augustus zugestehen wollten. Nach seines jüngsten Bruders, Karl, kinderlosem Tode (863) hatte er sich mit Lothar II. in Burgund geteilt; als aber auch Lothar II., zu dessen Gunsten er 864 einen Zug nach Rom unternommen, um Nikolaus I. zur Nachgiebigkeit in dessen Ehestreit zu zwingen, 869 ohne Erben starb, tat er nichts, um dessen Land in Besitz zu nehmen, das seinen Oheimen Karl dem Kahlen und Ludwig dem Deutschen zufiel. Von einem erfolglosen Rachezug gegen Benevent nach Oberitalien zurückgekehrt, starb er bei Brescia. Da seiner Ehe mit Engelberga, Tochter Ludwigs des Deutschen, kein Sohn entsprossen war, erlosch mit ihm der italienische Zweig der Karolinger.

3) L. III., geb. 880, gest. 928, Sohn König Bosos von Niederburgund und der Irmengard, einer Tochter des vorigen, folgte seinem Vater 887 in Burgund, nachdem er Karls des Dicken Oberhoheit anerkannt hatte und von ihm als Sohn angenommen worden war, konnte aber lange der übermütigen, unbotmäßigen Großen nicht Herr werden. 900 von den Langobarden gegen die Ungarn zu Hilfe gerufen, erhielt er die langobardische Königskrone und im Februar 901 aus Benedikt IV. Hand auch die römische Kaiserkrone, wurde aber 905 von Berengar von Friaul in Verona überfallen, geblendet und nach Arles zurückgeschickt, wo er im Elend starb.

4) L. IV. oder der Bayer, geb. 1287, gest. 11. Okt. 1347, der Sohn Herzog Ludwigs des Strengen von Oberbayern (gest. 1294), ward in Wien mit seinen Verwandten, des Herzogs Albrecht von Österreich Söhnen, erzogen und kam nach langem Hader 1313 mit seinem ältern Bruder, Rudolf, dahin überein, daß beide das väterliche Erbe gemeinsam besitzen, der ältere aber die Kurstimme führen sollte. Im Streit über die Vormundschaft der unmündigen Herzoge von Niederbayern besiegte L. Friedrich den Schönen von Österreich 6. Nov. 1313 bei Gammelsdorf. Nach Heinrichs VII. Tod auf Betrieb des Erzbischofs von Mainz, Peter von Aspelt (s. d.), 20. Okt. 1314 in Frankfurt a. M. von vier Kurstimmen zum König erwählt und zu Aachen gekrönt, zwang er 1317 seinen Bruder Rudolf, ihm das gesamte väterliche Erbe abzutreten, besiegte auch seinen Nebenbuhler Friedrich den Schönen (s. Friedrich 3) mit Hilfe der Städte 28. Sept. 1322 bei Mühldorf und nahm ihn gefangen. Indes Friedrichs Bruder, Leopold, setzte den Kampf fort, unterstützt vom König Karl IV. von Frankreich, der selbst nach der Krone strebte, und dem von ihm abhängigen Papst Johann XXII. Dieser verbot L., ohne päpstliche Bestätigung den königlichen Titel zu führen, und als sich L., durch die Stimmung des deutschen Volkes ermutigt, nicht fügte, wurde er 1324 gebannt und abgesetzt. Selbst die Entlassung Friedrichs aus der Hast 1325 endete den Streit nicht, erst der Tod Leopolds 1326 brachte Frieden. Nachdem L. Friedrich von Österreich die Verwaltung des Reichs übertragen, zog er nach Italien, erhielt 1327 in Mailand die lombardische und 17. Jan. 1328 in Rom die Kaiserkrone, die ihm ein Laie, Sciarra Colonna, aussetzte. Denn durch Ludwigs Zug nach Italien war der Streit mit dem Papst, wobei die einflußreichen Minoriten lebhaft für L. Partei nahmen, aufs neue heftig entbrannt. L. erklärte Johann XXII. für abgesetzt und erhob Nikolaus V. auf den päpstlichen Stuhl. Indes verlor L. durch Mißgriffe in Italien seine Anhänger und trat verlassen und verachtet 1329 einen fluchtähnlichen Rückzug nach Deutschland an. Dem Papst machte er die demütigsten Anerbietungen, um eine Aussöhnung herbeizuführen, die nur deshalb nicht zustande kam, weil der starrsinnige Johann XXII. mit Hartnäckigkeit auf Ludwigs Thronentsagung bestand. Ja, die Rücksicht auf die Kurie hielt ihn ab,[774] bei Beginn des französisch-englischen Krieges eine entschiedene, für das Reich vorteilhafte Stellung einzunehmen. Endlich schritten die Kurfürsten ein und erklärten auf dem Kurverein zu Rhens 16. Juli 1338 die päpstliche Einmischung für unberechtigt; der Frankfurter Reichstag im August d. J. bestätigte dies und hob Bann und Interdikt als rechtswidrig auf. Aber auch nachher war Ludwigs Haltung gegen den Papst schwankend. Die Hauptfrage für L. war die Vergrößerung seiner Hausmacht. Nachdem er 1323 Brandenburg an sein Haus gebracht, nahm er 1341 Niederbayern in Besitz, erwarb seinem Haus 1342 Tirol und Kärnten, indem er seinen Sohn Ludwig mit Margarete Maultasch vermählte, nachdem er deren Ehe aus kaiserlicher Machtvollkommenheit getrennt hatte, und erbte 1346 durch seine Gemahlin Margarete von Holland die Länder Holland, Seeland, Friesland und Hennegau. Dieser Zuwachs an Macht erregte aber die Eifersucht der deutschen Fürsten, und der Einwirkung des Papstes, der L. von neuem mit dem Bann velegte, nachgebend, stellten die drei geistlichen Kurfürsten und zwei weltliche, der König Johann von Böhmen und der Herzog Rudolf von Sachsen, in Karl IV. einen Gegenkönig auf. Doch blieben die meisten Reichsstände, namentlich die Städte, L. treu, und dieser erhielt sich daher im Besitz der Kaiserwürde bis an seinen Tod, der auf einer Bärenjagd bei Fürstenfeld unfern München erfolgte. Er wurde in der Frauenkirche zu München beigesetzt, wo ihm 1622 Kurfürst Maximilian I. ein von Peter Candid entworfenes Denkmal errichtete (s. Tafel »Bildhauerkunst X«, Fig. 5); ein zweites Denkmal (von Miller) wurde 1905 in München enthüllt. Die Stelle, wo er starb, bezeichnet eine marmorne Spitzsäule. Vgl. Mannert, Kaiser L. IV. (Landshut 1812); A. Fischer, L. IV., der Bayer, 1314–1338 (Nordh. 1882); v. Weech, Kaiser L. der Bayer und König Johann von Böhmen (Münch. 1860); Riezler, Die literarischen Widersacher der Päpste zur Zeit Ludwigs des Bayers (Leipz. 1874); Preger, Der kirchenpolitische Kampf unter L. dem Bayer (Münch. 1877) und Die Verträge Ludwigs des Bayern mit Friedrich dem Schönen (das. 1883); Karl Müller, Der Kampf Ludwigs des Bayern mit der römischen Kurie (Tübing. 1879–80, 2 Bde.); Altmann, Der Römerzug Ludwigs des Bayern (Berl. 1886); Chroust, Beiträge zur Geschichte Ludwigs des Bayern (1. Teil: Die Romfahrt, Gotha 1887); »Quellen zur Geschichte Ludwigs des Bayern« (deutsch von Friedensburg, Leipz. 1898, 2 Tle.); »Vatikanische Akten zur deutschen Geschichte in der Zeit Kaiser Ludwigs des Bayern« (Innsbr. 1891); Sievers, Die politischen Beziehungen Kaiser Ludwigs des Bayern zu Frankreich (Berl. 1896); Steinberger, Kaiser L. der Bayer (Münch. 1901); Ueding, L. der Bayer und die niederrheinischen Städte (Paderb. 1904).

[Ostfränkisch-deutsche Könige.] 5) L. I., der Deutsche, geb. 804, gest. 28. Ang. 876, dritter Sohn Ludwigs des Frommen (s. Ludwig 1) und der Irmengard, erhielt bei der ersten Reichsteilung (817) Bayern und die nach Osten hin angrenzenden Länder, empörte sich aber wegen der neuen, zugunsten Karls des Kahlen vorgenommenen Teilung (829) mit seinen Brüdern Lothar und Pippin zweimal (830 und 833) gegen seinen Vater, half diesem aber 834 wieder gegen Lothar. Bei der Teilung nach Pippins Tod 839 mit Undank belohnt, erhob er sich 840 von neuem gegen den Vater. Nach dessen baldigem Tode begann unter den Brüdern ein mehrjähriger Streit über das Erbe. L. und Karl vereinigten sich gegen Lothar (s. Ludwig 1), schlugen ihn 841 bei Fontenoy und nötigten ihn, nachdem L. vorher noch die von Lothar zur Empörung gereizten Sachsen wieder unterworfen und 842 im Februar zu Straßburg sein Bündnis mit Karl erneuert hatte, zum Teilungsvertrag zu Verdun von 843, wodurch L. Ostfranken bis zum Rhein und überdies Mainz, Speyer und Worms erhielt. Schon in der frühern Zeit der Statthalterschaft in Bayern, seit 825, hatte L. wiederholte Kämpfe mit den von Südosten her andrängenden Bulgaren und mit einzelnen slawischen Völkerschaften, den Böhmen, Sorben und Moraven, zu bestehen; mehr aber noch machten ihm nach seinem Regierungsantritt die Einfälle der Normannen in die Rheinlande und in Friesland zu schaffen. Mit Westfranken lag er fortwährend im Krieg. Nach Lothars II. Tod erwarb er im Vertrag zu Mersen 22. Jan. 870 die deutsche Hälfte von Lothringen, dagegen kam ihm Karl nach Ludwigs II. Tod 875 in der Bewerbung um die Kaiserkrone zuvor. L. rächte sich durch einen verheerenden Einfall in Westfranken. Er starb in Frankfurt und wurde im Kloster Lorsch begraben. Er hinterließ von seiner Gemahlin Hemma drei Söhne, Karlmann, Ludwig und Karl, unter die er schon 865 sein Reich so geteilt hatte, daß Karlmann Bayern, Ludwig (s. Ludwig 6) Ostfranken und Sachsen. Karl Alemannien erhielt, und drei Töchter. L. war ein guter König, fromm und freigebig gegen die Kirche und auch geistigen Interessen nicht abhold; namentlich für seine Muttersprache zeigte er Sinn. Otfried widmete ihm sein deutsches Evangelienbuch, das Gedicht Muspilli soll er selbst abgeschrieben haben. Er ist der Begründer des ostfränkischen, später Deutschen Reiches und führt daher seinen Beinamen. Vgl. Dümmler, Geschichte des ostfränkischen Reichs, Bd. 1 u. 2 (2. Aufl., Leipz. 1887).

6) L. III., der Jüngere, zweiter Sohn des vorigen, fiel 854 in Aquitanien ein, erhielt bei der vorläufigen Teilung des Reiches 865 Ostfranken, Sachsen und Thüringen, aber nicht den Königstitel, empörte sich daher 866 gegen seinen Vater, ward aber bald unterworfen, ebenso wie bei einem zweiten Aufstand 871, begleitete Ludwig den Deutschen 875 bei seinem Einfall in Frankreich, schlug nach dessen Tode den verräterischen Angriff Karls des Kahlen bei Andernach zurück (8. Okt. 876) und erhielt bei der Reichsteilung Ostfranken, Thüringen, Sachsen und Friesland. 879 unternahm er einen Zug nach Westfranken, um sich die Krone dieses Reiches zu erwerben, begnügte sich aber mit der Abtretung ganz Lothringens und erwarb auch noch bei Lebzeiten des gelähmten Karlmann durch Vertrag mit seinem Bruder Karl 880 Bayern. Nach wechselvollen Kämpfen mit den Normannen, deren Besiegung 881 das althochdeutsche Ludwigslied (s. d.) besingt, starb er 20. Jan 882 in Frankfurt und wurde in Lorsch beigesetzt. Vermählt war er mit Liutgard, Tochter des Herzogs Ludolf von Sachsen. Sein einziger Sohn war 879 durch einen Sturz aus dem Fenster verunglückt.

7) L. das Kind, geb. 893 in Öttingen, gest. 24. Sept. 911, der Sohn des Königs Arnulf und der Ota, wurde auf Betrieb Hattos von Mainz im Januar 900 in Forchheim zum König gekrönt, und dieser kluge Bischof leitete auch hauptsächlich an Stelle des unmündigen L. die sehr unruhige Regierung des Reiches. Namentlich herrschten unaufhörliche Kämpfe unter den Vasallen, wie die Babenberger Fehde (s. d.), und wiederholt fielen die Ungarn ein, vor denen sich Deutschland nur durch Zahlung eines jährlichen Tributs[775] sichern konnte. L. starb unvermählt, und mit ihm erlosch der karolingische Stamm in Deutschland.

[Baden.] 8) L. Wilhelm 1., Markgraf von Baden, der »Türken-Louis«, geb. 8. April 1655 in Paris, wo seine Mutter getrennt von ihrem Gemahl lebte, gest. 4. Jan. 1707 in Rastatt, Sohn des Erbprinzen Ferdinand Maximilian von Baden-Baden und der Luise Christiane von Savoyen, diente seit 1675 unter Montecuccoli und dem Herzog von Lothringen gegen Frankreich, kehrte nach dem Frieden zu Nimwegen (1678) nach Baden-Baden zurück, wo er nach seines Großvaters Wilhelm Tod (1677) an Stelle seines 1669 verstorbenen Vaters zur Regierung gekommen war. Bald darauf trat er als Feldmarschallleutnant in kaiserliche Dienste, zog 1683 vor das von den Türken belagerte Wien, wohnte der Schlacht am Kahlenberg bei und focht hierauf erfolgreich in Ungarn. 1689 mit dem Kommando der ganzen kaiserlichen Armee in Ungarn betraut, schlug er die Türken 24. Sept. 1689 bei Nissa, eroberte diese Stadt und Widdin, schlug 1690 Tököly in Siebenbürgen, erfocht 19. Aug. 1691 den Sieg bei Salankemen und nahm Lippa, Großwardein, Brod und Gradisca, worauf er Feldzeugmeister und Gouverneur von Raab wurde. 1693 erhielt er das Kommando der Reichsarmee am Oberrhein und eroberte Heidelberg wieder, hielt sich aber dann meist allzu vorsichtig stets hinter seinen´Linien von dem Schwarzwald bis an den Rhein (den Stollhofener Linien) bis zum Frieden von Ryswyk (1697). 1696 bewarb er sich vergeblich um die polnische Königskrone. Im Spanischen Erbfolgekrieg nahm er 1702 Landau, trug 2. Juli 1704 zum Sieg am Schellenberg bei und ward Reichsfeldmarschall, focht aber 1706 allzu bedächtig mit weniger Glück gegen die Franzosen. Vermählt war L. mit Franziska Sibylla Augusta von Sachsen-Lauenburg. Vgl. Röder v. Diersburg, Des Markgrafen L. Wilhelm von Baden Feldzüge wider die Türken (Karlsr. 1839–42, 2 Bde.) und Kriegs- und Staatsschriften des Markgrafen L. Wilhelm von Baden (das. 1850, 2 Bde.); Schulte, Markgraf L. Wilhelm von Baden und der Reichskrieg gegen Frankreich 1693–1697 (das. 1892, 2 Bde.); K. J. Bauer, L. Wilhelm, Markgraf von Baden, der Türkenlouis (Heidelb. 1904); Neff, L. Wilhelm, Markgraf von Baden, eine Lebensskizze (Berl. 1892).

9) L. Wilhelm August, Großherzog von Baden, geb. 9. Febr. 1763 in Karlsruhe, gest. daselbst 30. März 1830, dritter Sohn des Großherzogs Karl Friedrich, trat 1785 in die preußische Armee ein, machte den Krieg von 1792 mit, ward Generalmajor, nahm aber 1795 seinen Abschied und begann das badische Heer neu zu organisieren, ward aber durch ein Machtwort Napoleons zur Untätigkeit gezwungen. 1818 seinem Neffen, dem Großherzog Karl Ludwig, in der Regierung Badens folgend, ordnete er die Finanzen, regelte die kirchlichen Verhältnisse und zeigte namentlich für das Militär ein reges Interesse; gegen die Kammern wahrte er seine landesherrliche Würde mit Eifersucht und bemühte sich, die einer Reaktion im Sinne Metternichs hinderlichen Verfassungsbestimmungen zu beseitigen. Da er unvermählt starb, folgte ihm sein Stiefbruder Leopold aus der Hochberger Linie.

10) L. II., Großherzog von Baden, geb. 15. Aug. 1824 in Karlsruhe als zweiter Sohn des Großherzogs Leopold und Sophiens von Schweden, gest. 22. Jan. 1858, studierte 1842–45 in Wien und Heidelberg, konnte aber einer unheilbaren Krankheit wegen beim Tode seines Vaters (24. April 1852) die Regierung nicht antreten, die deshalb sein Bruder Friedrich führte.

[Bayern.] 11) L. I., der Kelheimer, Herzog von Bayern, geb. 1174 in Kelheim, gest. 15. Sept. 1231, folgte seinem Vater Otto I. 1183 unter Vormundschaft und trat 1192 selbständig die Regierung an. Als Anhänger der Staufer half er die Acht gegen seinen Vetter Otto von Wittelsbach. den Mörder König Philipps, vollziehen, ließ die Burg Wittelsbach abbrechen und erhielt dafür die Familiengüter Ottos, von König Otto IV. die Herrschaft Möhringen und 1208 die Erblichkeit des Herzogtums anerkannt. Dafür stand er im Thronstreit gegen Friedrich II. anfangs auf seiner Seite, ging jedoch 1214 zu Friedrich über und erlangte von ihm die Anwartschaft auf die Pfalz, nachdem er seinen Sohn Otto mit der Tochter des Pfalzgrafen Heinrich, Agnes, vermählt hatte; 1214 fiel sie ihm wirklich zu. 1221 trat er einen Kreuzzug an, erreichte auch Damiette, kehrte jedoch, als der Feldzug unglücklich endete, bald nach Bayern zurück. Von Kaiser Friedrich II. zum Reichsverweser bestellt, führte er im Namen des jungen römischen Königs Heinrich die Reichsgeschäfte, wurde aber, 1228 auf Anstiften des Papstes vom Kaiser abgefallen, 1230 von Heinrich bekriegt und 15. Sept. 1231 auf der Brücke in Kelheim von einem unbekannten Mann ermordet. Man beschuldigte allgemein Friedrich II. der Urheberschaft.

12) L. II., der Strenge, Herzog von Bayern, geb. 1228 in Heidelberg, gest. daselbst 1. Febr. 1294, Ottos des Erlauchten ältester Sohn, regierte nach des Vaters Tod 1253 mit seinem Bruder Heinrich gemeinschaftlich, teilte aber 1255 das Erbe und erhielt Oberbayern und die Pfalz am Rhein. Er hieß »der Strenge«, weil er in einem Anfall von Eifersucht seine erste Gemahlin, Maria von Brabant, 1256 in Donauwörth hatte hinrichten lassen; seitdem verfiel er oft in finstere Schwermut. Er führte Kriege mit dem Erzbischof von Salzburg, dem Bischof von Regensburg, Ottokar von Böhmen, seinem Bruder u.a. Seinen Neffen und Mündel, Konrad von Schwaben, unterstützte er 1267 mit Geld bei seinem Zuge nach Italien, begleitete ihn bis Verona und wurde deshalb gebannt, ließ sich aber dafür von Konradin zum Erben einsetzen, nahm nach dessen Hinrichtung den größten Teil seiner Güter in Besitz und teilte sie 1269 mit seinem Bruder. Gemeinsam mit dem Erzbischof von Mainz förderte er Rudolfs von Habsburg Wahl zum König, mit dessen ältester Tochter, Mathilde, er sich 1273 in dritter Ehe vermählte, und dem er im Kampf gegen Ottokar half. Er war der mächtigste Fürst in Süddeutschland und die »unerschütterliche Säule« von Rudolfs Herrschaft. Auch nach dessen Tod hielt er allein von allen Kurfürsten an dem habsburgischen Haus fest. Seine Söhne Rudolf und Ludwig (der spätere Kaiser) teilten sich in seine Lande. Vgl. Söltl, L. der Strenge (Nürnb. 1857).

13) L. der Ältere, Herzog von Bayern, Markgraf von Brandenburg, geb. 1315, gest. 18. Sept. 1361, ältester Sohn Kaiser Ludwigs des Bayern (s. Ludwig 4) aus dessen Ehe mit Beatrix von Glogau, ward von seinem Vater 1323 mit der Mark Brandenburg belehnt. Unter seiner minderjährigen Regierung, während der sein Vater die Vormundschaft führte, ward die Mark in dessen Streit mit dem Papst verwickelt, mit dem Interdikt belegt und von den Polen furchtbar verwüstet. Durch die Vermählung mit Margarete Maultasch 1342 erlangte L. auch Tirol. Nach[776] seines Vaters Tod 1347 Haupt des Hauses Wittelsbach, weigerte er sich, Karl IV. anzuerkennen, und dafür begünstigte dieser das Unternehmen des falschen Waldemar 1348, dem die Märker anhingen. Indes, als L. Günter von Schwarzburg als Gegenkönig aufstellte, verglich sich Karl IV. 1350 mit ihm gegen Abtretung der Oberlausitz. Bei der Teilung mit seinen Brüdern (1349) erhielt L. mit Ludwig dem Römer und Otto Oberbayern, die drei andern dagegen Niederbayern und die Niederlande. 1351 trat er Brandenburg an seine Brüder Ludwig den Römer und Otto ab und regierte seitdem in Oberbayern allein, wo er für die Städte und besonders für München viel tat. Er hinterließ als Nachfolger seinen einzigen Sohn von der Margarete Maultasch, Meinhard, der aber schon 1363 starb. Vgl. Taube, L. der Ältere als Markgraf von Brandenburg (Berl. 1900).

14) L. der Römer, Herzog von Bayern (als erster Sohn Ludwigs des Bayern als römischen Kaisers aus seiner zweiten Ehe mit Margarete von Holland so genannt), geb. 1330 in München, gest. 1365, Halbbruder des vorigen, verzichtete auf das Erbe seiner Mutter, die niederländischen Grafschaften, zugunsten seiner jüngern Brüder, Wilhelm und Albrecht, da er durch die Heirat mit einer Tochter des Königs Kasimir von Polen zur polnischen Krone zu gelangen hoffte. Bei der Teilung mit seinen Brüdern (1349) erhielt er gemeinsam mit Ludwig dem Ältern und Otto Oberbayern, das sie 1351 gegen Brandenburg und die Niederlausitz vertauschten. Hier zwang er den falschen Waldemar zum Verzicht, erlangte durch die Goldene Bulle 1356 die Kurwürde und schloß aus Haß gegen seine bayrischen Brüder, mit denen er wegen der Kur und der Erbschaft seines Bruders Ludwig des Ältern in Streit geriet, 1363 eine Erbverbrüderung mit Karl IV., die diesem nach seinem und Ottos kinderlosem Tode die Mark zusicherte.

15) L. der Bärtige (im Bart), Herzog von Bayern-Ingolstadt, geb. 1365, gest. 1. Mai 1447, Stephans II. Sohn, begleitete 1384 seine Schwester Elisabeth (Isabella), Gemahlin des Königs Karl VI. von Frankreich, dahin und vermählte sich dort zuerst mit Anna von Bourbon, die ihm Ludwig den Höckerigen gebar, dann mit Katharina von Alençon, die ihm die Grafschaft Mortagne in der Normandie und die Pairswürde zubrachte. Als Schwager des wahnsinnigen Karl VI. besaß L. zehn Jahre einen bedeutenden Einfluß auf die Regierung und sammelte Reichtum. 1413 geriet er in die Gefangenschaft der aufständischen Pariser und ward nur durch den Dauphin vom Tode gerettet. Auch in Deutschland nahm er an den Parteiungen teil, begleitete 1401 Ruprecht nach Italien und trat 1406 dem Marbacher Bund bei. Nach dem Tode seines Vaters 1413 in Ingolstadt zur Regierung gelangt, lebte er mit seinen Verwandten in fortwährendem Unfrieden. Mit Herzog Heinrich dem Reichen, seinem Vetter, hatte er 1417 in Konstanz vor den Augen Kaiser Siegmunds einen heftigen Zank; am Abend wurde er von demselben überfallen und durch mehrere Dolchstiche schwer verwundet. In der Fehde mit Heinrich und dessen Schwager, Markgraf Friedrich von Brandenburg, über dessen Belehnung mit dem früher wittelsbachischen Brandenburg L. erzürnt war, plünderte er die feindlichen Lande, unterlag aber 1422 bei Alling unweit München und nahm hierauf Kaiser Siegmunds Vermittelung des Friedens an. 1425 kam es wegen des Straubinger Erbes zwischen den bayrischen Herzogen wieder zum Streit; im Vergleich von 1429 erhielt L. das Schärdinger Viertel. Wegen Übergriffen gegen die Klöster 1433 vor das Konzil in Basel geladen, erschien er nicht, ward mit dem Bann, 1434 auch mit der Acht belegt und befreite sich nur durch Unterwerfung und Zahlung großer Summen. Da er seinen natürlichen Sohn Wieland von Freiberg begünstigte, so begann sein ältester Sohn, Ludwig der Höckerige (Bucklige, geb. 1404), 1438 Krieg gegen den Vater und brachte ihn 1443 in seine Gewalt, in der er bis zum Tode seines Sohnes 1445 blieb. Nun bemächtigte sich Albrecht von Brandenburg seiner und lieferte ihn 1446 an seinen Todfeind Heinrich von Landshut aus. L. starb in Burghausen im Kerker. Sein Vermögen und Gebiet erbte Heinrich. Vgl. K. v. Lang, Geschichte Ludwigs des Bärtigen, Herzogs zu Ingolstadt (Nürnb. 1821).

16) L. IX., der Reiche, Herzog von Bayern-Landshut, geb. 21. Febr. 1417, gest. 18. Jan. 1479, ward von seinem Vater Heinrich dem Reichen aus Geiz knapp in Burghausen gehalten und folgte ihm 29. Juli 1450. Ungeheuer reich, freigebig und prachtliebend, hielt er einen prunkvollen Hof; sein Hochzeitsfest mit Amalie von Sachsen und später das seines Sohnes Georg mit der polnischen Königstochter Hedwig blieben wegen der entfalteten Pracht noch lange in Andenken. Obwohl friedliebend, suchte er das Ansehen des wittelsbachischen Hauses im Reich zu heben, nahm im Verein mit seinem Vetter Friedrich dem Siegreichen von der Pfalz 1458 Donauwörth und kämpfte glücklich gegen Albrecht Achilles von Brandenburg, der sich ein Gericht über ihn angemaßt hatte. Er zwang ihn 1460 zum Vertrag von Roth, und als Albrecht von neuem den Reichskrieg gegen L. erregte, besiegte er ihn 19. Juli 1462 bei Giengen. Hierdurch erwarb er Bayern die ihm gebührende Stellung im Reiche wieder und brachte es durch eine weise Verwaltung in Sicherheit, Rechtspflege, Hebung des Ackerbaues, Handels und Gewerbes, endlich auch in geistiger Bildung zu hoher Blüte; 1472 gründete er die Universität Ingolstadt. Vgl. A. Kluckhohn, L. der Reiche (Nördling. 1865).

17) L. I. Karl August, König von Bayern, ältester Sohn des Königs Maximilian Joseph aus dessen erster Ehe mit Auguste von Hessen-Darmstadt, geb. 25. Aug. 1786 in Straßburg, wo sein Vater als Oberst des französischen Regiments d'Alsace stand, gest. 29. Febr. 1868 in Nizza. Er ward in Mannheim, wohin seine Eltern 1789 vor der Revolution flüchteten, und in Rohrbach an der Bergstraße einfach und streng erzogen und genoß den Unterricht vortrefflicher Lehrer. Als sein Vater 1799 Kurfürst von Bayern wurde, siedelte er mit seinen Eltern nach München über und studierte seit 1803 in Landshut, dann in Göttingen Staatsrecht, Philosophie und Geschichte. Damals versuchte er sich zuerst in Gedichten, die zwar barock in Wort- und Satzbau und voll Verstöße gegen die Metrik sind, aber von dem Geist und Gemüt des Verfassers zeugen; eine hohe Begeisterung für das Vaterland, den Genius des deutschen Volkes erfüllte ihn. Seine erste Reise nach Italien 1804 förderte seinen lebhaften Kunstsinn. 1806 begleitete er Napoleon nach Paris und befehligte 1807 im französischen Heer die bayrische Division, ebenso im Kriege von 1809 eine Division des bayrischen Korps unter Lefebvre, obwohl er Napoleon haßte. Um so schmerzlicher war es ihm, an dem Kriege gegen Frankreich 1813–14 nicht teilnehmen zu dürfen. In der Friedenszeit widmete er sich besonders der Kunst, namentlich in Rom, wo er sich zweimal, 1817–18 und 1820–21, länger aufhielt, und begann den Bau der Glyptothek, für[777] deren Sammlung er schon 1804 die Ankäufe begonnen hatte. An der Politik nahm er wenig Anteil; nur den Sturz Montgelas' (s. d.) 1817, dessen bureaukratischer Rationalismus seinen romantischen Anschauungen zuwiderlief, und die Einführung der Verfassung beförderte er. Seine liberalen Grundsätze betätigte er auch in den ersten Jahren nach seiner Thronbesteigung (12. Okt. 1825): das Zensuredikt wurde aufgehoben, der Kirche größere Freiheit gelassen, und seine erste Thronrede 17. Nov. 1827 verkündete noch weitere Reformen. Die arg zerrütteten Finanzen wurden durch bedeutende Ersparungen in Ordnung gebracht, die Universität Landshut wurde reorganisiert und 1826 nach der Hauptstadt verlegt, sowie die großartigen Kunstbauten und Sammlungen begonnen, wofür er seine Privatmittel aufwandte. Cornelius, Schnorr, Kaulbach u.a. wurden nach München berufen, um es mit Fresken und Gemälden zu schmücken; Schwanthaler schuf zahlreiche Bildwerke, die Glasmalerei und Gießkunst wurden neu belebt. 1826 wurde der Grundstein zur Pinakothek, 1830 zur Walhalla gelegt. Lebhaft hatte L. der Freiheitskampf der Hellenen beschäftigt; als König lieh er ihnen seine materielle und moralische Unterstützung und brachte der Einsetzung seines Sohnes Otto als König von Griechenland 1832 bedeutende Opfer aus seinem Privatvermögen (über 2 Mill. Gulden), bereiste auch 1835–1836 selbst Griechenland. Allmählich aber besann sich L. auf seine königlichen Rechte und seine Pflicht, das monarchische Prinzip zu wahren, zumal als die Stände ihm öfters opponierten oder ungeduldig Forderungen stellten, und seitdem der liberale Minister Fürst Wallerstein 1837 zurückgetreten war. Mit der Ernennung Abels (s. d. 3) zu seinem Nachfolger wuchs auch die Macht der ultramontanen Partei, der L. selbst durch seine romantische Vorliebe für die katholische Kirche und ihre mittelalterlichen Einrichtungen Vorschub leistete. Zahlreiche Klöster erstanden wieder, Klagen über Beeinträchtigung der Protestanten wurden laut, die Zensur lebte von neuem auf, Unterricht und Wissenschaft wurden vernachlässigt. Die klerikalen Anmaßungen wurden endlich L. selbst unerträglich; aber der äußere Anlaß, der L. zum Sturz des wenig beliebten Ministeriums Abel bewog, raubte diesem Schritt seine Popularität: erst als das Ministerium 11. Febr. 1847 sich weigerte, die Indigenatsverleihung an die Freundin Ludwigs, die abenteuerliche Tänzerin Lola Montez (s. Montez), gegenzuzeichnen, erhielt es seine Entlassung, und der freisinnige Staatsrat v. Maurer trat an die Spitze der Regierung, dem jedoch bald Fürst Wallerstein folgte. Die Opposition der ultramontanen Professoren und Studenten in München reizte L. so, daß er mit scharfen Polizeimaßregeln einschritt und im Februar 1848 sogar die Universität schloß. Als dies, verbunden mit der Erregung der Februarrevolution, zu Unruhen in München Anlaß gab, legte er 20. März 1848 die Krone nieder; ihm folgte sein ältester Sohn, Kronprinz Maximilian. L. war zu wenig Staatsmann, um bestimmte Ziele mit Konsequenz zu verfolgen. Nur in der auswärtigen Politik hielt ihn seine echt deutsche Vaterlandsliebe ab (von seinen Bestrebungen zur Wiedererwerbung der badischen Pfalz abgesehen), mit fremden Mächten zu intrigieren; er wünschte lebhaft die Einigung Gesamtdeutschlands. Von bedeutendem Einfluß war L. durch seine Beförderung der Kunst auf die geistige Entwickelung Bayerns und Deutschlands; gerade seine Vielseitigkeit war hier von Vorteil. Auch nach seiner Abdankung verwendete er große Mittel aus seinem Privatvermögen auf Kunstwerke, Sammlungen und Bauten: die Münchener Kirchen, die Neue Pinakothek, die Befreiungshalle in Kelheim, die Propyläen wurden vollendet. Im ganzen verwendete L. 213/4 Mill. Gulden für Bauten und Kunst. Bis zum höchsten Alter war er körperlich und geistig frisch. Er war von stattlicher Figur, seine Haltung aber nicht straff, auch infolge seiner Schwerhörigkeit. In seinem Äußern höchst einfach, liebte er den Verkehr mit den verschiedensten Volksschichten; wegen seiner leutseligen, witzigen Unterhaltungsgabe war er sehr beliebt, vor allem bei den Künstlern. Seine Leiche wurde in der Bonifatiuskirche zu München beigesetzt, 1860 in München seine Reiterstatue, 1897 in Brückenau ein Denkmal errichtet. Er war seit 12. Okt. 1810 mit der Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen (geb. 8. Juli 1792, gest. 26. Okt. 1854) vermählt, die ihm vier Söhne, Maximilian, seinen Thronfolger (gest. 1864), Otto, Exkönig von Griechenland (gest. 1867), Luitpold (s. d.) und Adalbert (gest. 1875), und vier Töchter, Mathilde, Gemahlin des Großherzogs Ludwig von Hessen (gest. 1862), Adelgunde, vermählt mit dem Herzog Franz von Modena (Witwe seit 1875), Hildegard, Gemahlin des Erzherzogs Albrecht von Österreich (gest. 1864), und Alexandra (gest. 1875), gebar. Seine »Gedichte« erschienen in vier Bänden (Münch. 1829–47), eine Auswahl (2 Bdchn.) in Reclams Universal-Bibliothek; die spätern gab Laubmann heraus (Münch. 1888). Außerdem veröffentlichte er: »Walhallas Genossen« (Münch. 1843) und das vielfach ausgeführte Lustspiel »Rezept gegen Schwiegermütter« (nach dem Spanischen, Berl. 1866). Vgl. Sepp, L. I. Augustus, König von Bayern, und das Zeitalter der Wiedergeburt der Künste (Schaffh. 1869; 2. Aufl., Regensb. 1903); K. Th. v. Heigel, L. I., König von Bayern (Leipz. 1872, 2. Ausg. 1888); Reidelbach, König L. I. von Bayern und seine Kunstschöpfungen (Münch. 1887, Volksausgabe 1888); Riedl, L. Augustus, König von Bayern (Freiburg 1888); Söltl, L. I. und Graf v. Armansperg (Nördl. 1886); Trost, König L. I. von Bayern in seinen Briefen an seinen Sohn, den König Otto von Griechenland (Bamberg 1891).

18) L. II. Otto Friedrich Wilhelm, geb. 25. Aug. 1845 in Nymphenburg, gest. 13. Juni 1886, Sohn Maximilians II. und der Königin Maria, einer Tochter des Prinzen Wilhelm von Preußen, sollte, mit 18 Jahren großjährig geworden, eine Universität besuchen, als ihn der Tod seines Vaters 10. März 1864 zur Regierung berief. Mit den Staatsgeschäften befaßte sich der junge König nur so weit, wie es unerläßlich war; selbst 1866 hielt er sich zurückgezogen auf Schloß Berg am Starnberger See und der benachbarten Roseninsel und überließ sich ganz seiner schwärmerischen Neigung für die Kunst Richard Wagners, den er an seinen Hof zog, mit Auszeichnungen überhäufte und verschwenderisch beschenkte, aber schon Anfang 1866 entließ. L. trat nun etwas aus seiner Einsamkeit heraus und verlobte sich auch 1867 mit der Herzogin Sophie von Bayern (der jetzigen Herzogin von Alençon); indes nach der baldigen Auflösung dieser Verlobung wurde L. menschenscheuer denn je und hielt sich nur selten in München auf, meist auf Schloß Berg, den Sommer in Hohenschwangau und auf Linderhof. Der Widerstand der klerikalen Partei gegen das L. sehr sympathische Ministerium Hohenlohe (s. d. 6) und die Feindseligkeit derselben gegen seinen hochverehrten Lehrer Döllinger drängten den König mehrfach, in den Fragen des Tages Partei zu ergreifen; doch war seine Beteiligung an den öffentlichen [778] Dingen nicht andauernd und gleichmäßig. Von großer Bedeutung war sein Auftreten im Juli 1870 beim Ausbruch des deutsch-französischen Krieges, bei dem er entschlossen für Teilnahme auf seiten Preußens eintrat. Das Angebot der Kaiserwürde, das er im Namen der übrigen Fürsten und Freien Städte im Dezember König Wilhelm machte, war dagegen nur eine diplomatisch bis ins kleinste vorbereitete Form. Am Kriege selbst nahm er nicht teil, besuchte Versailles nie und ließ sich selbst beim Einzug seines Heeres in München 16. Juli 1871 nur wenig sehen. Im höchsten Grade stolz auf seine Souveränität, vermied er möglichst persönliche Berührungen mit dem neuen Kaiserhaus und gab seine Mißstimmung über Ovationen, die dessen Gliedern dargebracht wurden, gelegentlich in gereizter Sprache zu erkennen. Ebenso aber trat er im Oktober 1875, als die klerikale Kammermajorität in einer Adresse das ihm genehme Ministerium Pfretzschner (s. d.) offen anklagte und vom König, dessen Person sogar auf unziemliche Weise in die Debatte gezogen wurde, sehr entschieden Erfüllung ihrer Wünsche verlangte, dieser Anmaßung schroff entgegen und versicherte 1876 im Landtagsabschied das Ministerium seines unerschütterten Vertrauens. Dieser festen Haltung gegen die ultramontane Kammermajorität blieb er auch in den nächsten Jahren getreu. Dagegen steigerte sich seine Menschenscheu, so daß er selbst mit den Ministern nur schriftlich verkehrte und nur Bediente und Ordonnanzen in seiner Umgebung duldete; derselben Wurzel entstammte seine Vorliebe für Privattheateraufführungen (s. Heigel 1). Er lebte meist in Linderhof oder auf dem neuerbauten Schloß Neuschwanstein bei Hohenschwangau, das er mit großem Kostenaufwand erbaute. Auch auf Herrenchiemsee begann er einen großartigen Bau nach dem Muster des Versailler Schlosses und ließ dies Schloß wie Linderhof im Geschmack des von ihm verehrten Ludwig XIV., des »roi-soleil«, ausschmücken. Die ins Ungeheuere anschwellenden Kosten der Bauten überhäuften die Zivilliste mit immer wachsenden Schulden; die Vorstellungen der Kabinettsräte dagegen wurden mit Entlassung beantwortet. Nachdem der Finanzminister Freiherr v. Riedel (s. d.) 1884 die drückendsten Schulden durch eine Anleihe gedeckt hatte, steigerten sich nur die Bausucht und Verschwendung des Königs; er verlangte immer neue Millionen und erließ 1886 Verhaftsbefehle gegen die sich weigernden Minister. Um die Staatsgeschäfte kümmerte er sich gar nicht mehr. Die Mitglieder des königlichen Hauses und die Minister mußten unter diesen Umständen eine Geisteserkrankung des Königs annehmen, und nachdem die Irrenärzte die Vermutung 8. Juni 1886 bestätigt hatten, übernahm Prinz Luitpold 10. Juni die Regentschaft, da der jüngere Bruder des Königs, Otto, gleichfalls geisteskrank war. L. wurde von Neuschwanstein nach Schloß Berg gebracht, stürzte sich aber auf einem Spaziergang im Park 13. Juni in den Starnberger See; sein Begleiter, der Irrenarzt Gudden, ertrank beim Versuch, ihn zurückzuhalten, gleichfalls. Die Sektion des Gehirns bestätigte die Vermutung unheilbarer Geisteskrankheit. Vgl. Lampert, L. II., König von Bayern (Münch. 1890); K. v. Heigel, König L. II. (Stuttg. 1892); Luise von Kobell, König L. II. und die Kunst (Münch. 1898) und König L. II. und Fürst Bismarck im Jahre 1870 (Leipz. 1899); Röckl, L. II. und Richard Wagner. 1864, 1865 (Münch. 1903).

19) L. Leopold Joseph Maria Alois Alfred, Prinz von Bayern, geb. 7. Jan. 1845 in München, ältester Sohn des Prinz-Regenten Luitpold und präsumtiv bayrischer Thronfolger, trat in das Heer, wurde 25. Juli 1866 in dem Gefecht bei Helmstadt schwer verwundet, gab deshalb den aktiven Militärdienst bald auf, bekleidet jedoch im deutschen Heere den hohen Rang eines Generalobersten. Am 20. Febr. 1868 vermählte er sich mit der Erzherzogin Maria Theresia von Modena (geb. 2. Juli 1849), die ihm elf Kinder, darunter vier Söhne (der älteste Prinz Rupprecht, s. d.), gebar. Er widmete sich besonders dem Studium der Landwirtschaft, förderte auch das Kanalsystem und nahm mannigfach an öffentlichen Angelegenheiten teil, wobei er sich als vortrefflicher Redner bewährte. 1901 wurde er zum Dr. ing. der Technischen Hochschule und zum Dr. oecon. publ. der Universität München ernannt. Vgl. Reidelbach, Prinz L. von Bayern (Münch. 1905).

[Braunschweig.] 20) L. Ernst, Herzog zu Braunschweig, geb. 25. Sept. 1718 in Wolfenbüttel, gest. 12. Mai 1788 in Eisenach, Sohn des Herzogs Ferdinand Albrecht II., trat 1737 in kaiserliche Kriegsdienste und kämpfte gegen die Türken, wurde 1740 zum Herzog von Kurland gewählt, aber von der 1741 auf den Thron erhobenen russischen Kaiserin Elisabeth nicht zugelassen, nahm dann im österreichischen Heer am Österreichischen Erbfolgekrieg und am 2. Schlesischen Krieg teil und trat 1750 als Feldmarschall in niederländische Dienste, um das Heerwesen zu reformieren. Nach Wilhelms IV. Tode (1751) wurde er Generalkapitän und, als dessen Witwe Anna starb, 1759–66 Vormund Wilhelms V. und tatsächlich oberster Leiter der Republik. Als 1780 der Krieg mit England ausbrach, beschuldigte ihn die Patriotenpartei, durch seine Untätigkeit das Land wehrlos gemacht zu haben, und verlangte seine Bestrafung. L. verließ 1784 die Niederlande. Vgl. Schlözer, L. Ernst, Herzog zu Braunschweig (Götting. 1786); Nijhoff, De hertog van Brunswijk, 1750–1784 (Haag 1889).

[Frankreich.] 21) L. I.,König von Aquitanien, römischer Kaiser, s. Ludwig 1).

22) L. II., der Stammler (le Bègue), geb. 846, gest. 10. April 879, Sohn Karls des Kahlen und der Irmentrud, wurde von seinem Vater 867 zum König von Aquitanien ernannt und folgte ihm 877 in Frankreich. Er war vermählt mit Ansgarde von Burgund, die ihm Ludwig III. und Karlmann, sodann mit Adelheid, die nach seinem Tode Karl den Einfältigen gebar. Die erstern teilten sich nach seinem Tod in das Reich.

23) L. III., ältester Sohn des vorigen, erhielt in der Teilung von 881 Neustrien und starb 5. Aug. 882 kinderlos. Sein Land fiel an Karlmann. Auf seinen Sieg über die Normannen bei Saulcourt, im Januar 881, bezieht sich das Ludwigslied (s. d.).

24) L. IV., der Überseeische (Ultramarinus oder d'Outremer) genannt, weil seine Mutter Ethgiva ihn in England erziehen ließ, geb. 921, gest. 10. Sept. 954, Enkel Ludwigs II., Sohn Karls des Einfältigen, ward im Juni 936 von Hugo von Francien zum König erhoben. Er wollte sich von Hugos Vormundschaft befreien, erweckte aber dadurch dessen und der übrigen großen Vasallen Zorn. Mit Hilfe der Normannen brachte ihn Hugo 945 auf verräterische Weise in Gefangenschaft. Kaiser Otto d. Gr., sein Schwager, befreite ihn (946) und setzte ihn 950 wieder als König ein: einen befähigten und energischen Herrscher, dem nur die Macht zur Erreichung großer Ziele gefehlt hat. Seine Gemahlin Gerberga, Schwester Ottos I.,[779] gebar ihm zwei Söhne, Lothar III., der ihm folgte, und Karl. Vgl. Lauer, Le règne de Louis IV d'Outremer (Par. 1900).

25) L. V., der Faule (le Fainéant), geb. 966, gest. im Mai 987, Sohn Lothars III. und der Emma, ward von seinem Vater als Mitregent angenommen und trat nach dessen Tode 986 die Regierung allein an. Mit L. endigte die Dynastie der Karolinger. Vgl. Lot, Les derniers Carolingiens (Par. 1891).

26) L. VI., der Dicke (le Gros), geb. 1078, gest. 1. Aug. 1137, Sohn Philipps I. und der Berta, war seit 1100 Mitregent seines Vaters und folgte ihm 29. Juli 1108 auf dem Thron. Ein mutiger, tatendurstiger und dabei besonnener und klug berechnender Fürst, unterwarf er in zahllosen Kämpfen die Vasallen seiner unmittelbaren Besitzungen Isle-de-France und Orléanais und schuf so für das Königtum eine feste Grundlage. Kirche und Volk unterstützten ihn eifrig gegen den räuberischen Adel. Schließlich vermochte er auch südlich von der Loire seine königliche Macht zur Anerkennung zu bringen. Seinen Nachfolger Ludwig vermählte er 1137 mit Eleonore, der Erbin von Aquitanien. Vgl. Luchaire, Recherches sur les premières années de la vie de Louis le Gros (Par. 1886) und Louis VI, le Gros; annales de sa vie et de son règne (1889).

27) L. VII., der Jüngere (le Jeune), Sohn des vorigen, geb. 1120, gest. 18. Sept. 1180, folgte seinem Vater 1137. Gewissensbisse wegen der Zerstörung der Stadt Vitry bestimmten L., 1147 einen Kreuzzug zu unternehmen; aber diese Unternehmung, die zwei Jahre dauerte, hatte keinen Erfolg. Durch die Trennung von seiner sittenlosen Gemahlin Eleonore (1152), die sodann Heinrich Plantagenet, König von England, heiratete und diesem die reiche aquitanische Erbschaft zubrachte, legte er den Grund zu langen Kriegen mit England, die zunächst den Verlust des gesamten Westens und Südwestens Frankreichs (35 der heutigen Departements) an England zur Folge hatten. L. nahm 1179 seinen Sohn Philipp II. August zum Mitregenten an. Vgl. Luchaire, Études sur les actes de Louis VII (Par. 1885); D. Hirsch, Studien zur Geschichte König Ludwigs VII. von Frankreich (Leipz. 1892).

28) L. VIII., geb. 1187, gest. 8. Nov. 1226, Enkel des vorigen, Sohn Philipp Augusts und der Isabella von Hennegau, folgte seinem Vater 1223. Noch als Prinz hatte er 1216 einen vergeblichen Versuch gemacht, mit Hilfe der aufständischen englischen Großen England in Besitz zu nehmen. Gleich nach seiner Thronbesteigung fiel L. in Poitou ein, das er eroberte. Einen mit dem König von England auf vier Jahre geschlossenen Waffenstillstand benutzte L. zu einem Kreuzzuge gegen die Albigenser. L. drang bis dicht vor Toulouse vor, erkrankte aber tödlich in den Winterquartieren. Seine Gemahlin Blanka von Kastilien gebar ihm elf Kinder, darunter Ludwig den Heiligen (s. den folgenden Artikel) und Karl I. von Anjou (s. Karl 39). Vgl. Petit-Dutaillis, Étude sur la vie et le règne de Louis VIII (Par. 1894); Berger, Histoire de Blanche de Castille, reine de France (1895).

29) L. IX., der Heilige, Sohn des vorigen, geb. 25. April 1215 im Schloß Poissy, gest. 25. Aug. 1270 vor Tunis, folgte seinem Vater im November 1226 unter Vormundschaft seiner Mutter Blanka von Kastilien und führte seit 1236 selbst die Regierung. Er berief tüchtige Männer in seinen Rat, führte die strengste Sparsamkeit ein, steuerte dem Mißbrauch der geistlichen Gerichtsbarkeit, stillte die Unruhen in der Bretagne und unterwarf den Grafen Raimund von Toulouse. Im Sommer 1248 schiffte er sich zu einem Kreuzzug ein, landete im Juni 1249 zu Damiette, schlug das mohammedanische Heer und eroberte die Stadt; doch fiel er 5. April 1250 samt seinen Brüdern Alfons und Karl in feindliche Gefangenschaft, aus der sie sich durch die Abtretung Damiettes und 8000 Goldbyzantiner (etwa 100,000 Mark Silber) loskaufen mußten. Hierauf schiffte er sich mit den Überresten des Heeres 1251 nach Akka ein, nahm Tyros und Cäsarea und blieb in Palästina, bis ihn 1254 der Tod seiner Mutter nach Frankreich zurückrief. Er vereinigte durch Vertrag und Heimfall viele Provinzen mit der Krone, schloß 1259 mit Heinrich III. von England einen Vergleich, in dem er England den Besitz seiner Lande an der Garonne bestätigte, für diese aber die Lehnshuldigung und den Verzicht auf die Normandie und das Loiregebiet empfing; er schaffte die Gottesurteile ab, gewöhnte die Großen an die Oberaufsicht der königlichen Gerichte (Parlamente) und ordnete sie seiner königlichen Autorität völlig unter. 1270 unternahm er auf Anregung seines Bruders Karl von Anjou einen neuen Kreuzzug gegen Tunis. Eine Seuche raffte jedoch einen großen Teil des Heeres weg, und L. selbst ward ein Opfer derselben. Der Papst Bonifatius VIII. kanonisierte 1297 L. wegen seiner Frömmigkeit, die ihn nicht verhindert hatte, den päpstlichen Anmaßungen mit würdevoller Festigkeit entgegenzutreten; sein Tag ist der 25. August. Die Krone Frankreichs hieß seitdem die Krone des heil. L., und ihm war der höchste Orden geweiht, den die Könige vor der Revolution verliehen. Vermählt war er seit 1231 mit Margarete von Provence, die ihm zehn Kinder gebar. Sein Nachfolger war sein Sohn Philipp III. Sein Leben beschrieben: sein Zeitgenosse und Freund Jean de Joinville (s. d.), in neuerer Zeit Villeneuve-Trans (Par. 1839, 3 Bde.), Le Nain de Tillemont (das. 1846–51, 6 Bde.), Scholten (Münst. 1850–55, 2 Bde.), Faure (Par. 1865, 2 Bde.) und Wallon (4. Aufl., Tours 1893). Vgl. Boutaric, Saint Louis et Alfonse de Poitiers (Par. 1870); Elie Berger, Saint Louis et Innocent IV (das. 1893) und Les dernières années de saint Louis (1902); Bunger, Die Beziehungen Ludwigs IX. zur Kurie (Düsseld. 1896); Sternfeld, Ludwigs des Heiligen Kreuzzug nach Tunis (Berl. 1896); Davis, The invasion of Egypt by Louis IX (Lond. 1898); Perry, Saint Louis of France (das. 1901).

30) L. X., der Zänker (le Hutin), geb. 1289, gest. 4. Juni 1316, Urenkel des vorigen und ältester Sohn Philipps des Schönen und der Johanna von Navarra, folgte 1305 seiner Mutter als König von Navarra und Graf von Champagne und 1314 seinem Vater auf den Thron Frankreichs, opferte die Räte desselben der feudalen Reaktion, die er begünstigte, befahl aber zugleich aus fiskalischem Interesse den Leibeignen auf den königlichen Gütern, sich loszukaufen. Vermählt war er erst mit Margarete von Burgund, die ihm Johanna, die Erbin von Navarra, gebar, und nach deren Ermordung mit Klementia von Ungarn. Er starb, ohne einen Sohn zu hinterlassen.

31) L. XI., geb. 3. Juli 1423 in Bourges, gest. 30. Aug. 1483 in Plessis-les-Tours, der älteste Sohn Karls VII. und der Maria von Anjou, zeigte von Jugend auf einen herrschsüchtigen, tückischen Charakter. trat als erklärter Feind von seines Vaters Ministerium und der Geliebten desselben, Agnes Sorel, auf und stellte sich 1440 sogar an die Spitze der Praguerie,[780] einer Verbindung der Großen gegen die Günstlinge seines Vaters. Die Empörer wurden von Karl bald unterworfen, L. aber begnadigt, mit der selbständigen Regierung des Dauphiné und 1444–45 mit dem Kommando gegen die Schweizer betraut. Indes brach zwischen dem Dauphin und den eigensüchtigen Räten seines Vaters ein heftiger Zwist aus, infolgedessen L. 1456 an den Hof des Herzogs von Burgund floh. Als ihm nach seines Vaters Tode 1461 die Krone zufiel, traf die alten Räte schwere Verfolgung und die Großen heimtückische Feindschaft, namentlich die Häuser Burgund und Bretagne, was 1465 zu einer Koalition des Adels (la ligue du bien public) führte, an deren Spitze sein Bruder Karl von Berri und Karl der Kühne, der spätere Herzog von Burgund, standen. Nach der unentschiedenen Schlacht bei Monthléry mußte L. den Großen erhebliche Zugeständnisse machen. 1468 fiel L. zu Péronne in die Gefangenschaft Karls des Kühnen und mußte sich durch einen demütigenden Vertrag befreien. Bald indes erneuerte er mit dem Herzog von Burgund die Händel, die nun bis 1472 dauerten, und bei denen sich L. mit den Schweizern, Österreich und dem Herzog Renatus von Lothringen verband. Nach dem Tode Karls des Kühnen (1477) zog L. die burgundischen Städte in der Picardie und das Herzogtum Burgund als eröffnetes Mannslehen ein; die übrige Erbschaft entging ihm durch die Vermählung Marias von Burgund mit Maximilian. Einige andre wichtige Erwerbungen machte L., indem er 1481 die Grafschaft Provence und Forcalquier sowie Anjou und Maine als heimgefallene Lehen in Beschlag nahm. L. war einer der unterrichtetsten Männer seines Jahrhunderts, klug und fest, unermüdlich tätig und gerecht, wo nicht die Interessen seiner Macht im Spiel waren, dann aber hinterlistig und grausam, wie er denn seinen des Verrates beschuldigten Minister, den Kardinal La Balue, elf Jahre lang in einen Käfig sperrte; dabei war er im höchsten Grad abergläubisch, mißtrauisch und heuchlerisch. Er umgab sich, um sich von den Großen unabhängig zu machen, mit Vorliebe mit Dienern niedern Standes, wie Olivier le Dain, seinem Barbier, seinem »Gevatter« dem Henker Tristan u.a. Seine Verdienste um Frankreich sind aber sehr bedeutend. Er vernichtete die großen Vasallenstaaten innerhalb des Reiches und dehnte die königliche Herrschaft bis zu den Pyrenäen, Alpen und Jura aus. Er beförderte Handel und Industrie, insbes. den Acker- und Bergbau, richtete regelmäßige Posten ein, berief zu den Sitzungen des Staatsrates einsichtsvolle Männer, verlieh den Stadtgemeinden eine neue, auf freiem Wahlrecht beruhende Verfassung unter einem Maire (Bürgermeister) und war äußerst sparsam in der Verwendung der Staatsgelder. Die zeitweilige Aufhebung der von seinem Vater erteilten Pragmatischen Sanktion erwarb ihm von seiten des Papstes den Titel Rex christianissimus. Als Freund der Wissenschaften bekundete er sich durch Errichtung von Buchdruckereien, Reformation der Pariser Universität, Gründung andrer Hochschulen und Berufung griechischer Gelehrten. Vermählt war er seit 1436 mit Magarete von Schottland, sodann seit 1451 mit Charlotte von Savoyen, die ihm drei Söhne, darunter seinen Nachfolger, Karl VIII., und drei Töchter gebar. Vgl. Duclos, Histoire de Louis XI (Par. 1745, 4 Bde.); Comines (s. d.), Mémoires (das. 1524; neue Ausg. von Dupont, 1840–48, 3 Bde.); Legeay, Histoire de Louis XI (das. 1874, 2 Bde.); »Lettres de Louis XI« (hrsg. von Vaesen u. Charavay, das. 1885–1903, Bd. 1–9); Buet, Louis XI et l'unité française (2. Aufl., Tours 1886); Zeller u. Luchaire, Louis XI et la maison de Bourgogne (das. 1887); Sée, Louis XI et les villes (Par. 1892); Rey, Louis XI et les états pontificaux de France au XVe siècle (das. 1899); Calmette, Louis XI, Jean II et la révolution catalane (Toulouse 1902); Combet, Louis XI et le Saint-Siége (Par. 1903); Brachet, Pathologie mentale des rois des France: Louis XI et ses ascendants (das. 1903). Delavigne hat L. zum Gegenstand eines Dramas gemacht und Walter Scott ihn in »Quentin Durward« trefflich geschildert.

32) L. XII., König von Frankreich, aus der Seitenlinie Valois-Orléans, geb. 27. Juni 1462 in Blois, gest. 1. Jan. 1515, war der Urenkel Karls V. und der Sohn des Herzogs Karl von Orléans und der Maria von Kleve. Nach Ludwigs XI. Tode der älteste Prinz von Geblüt, machte er auf die Vormundschaft über Karl VIII. Anspruch, die dessen Schwester Anna von Beaujeu führte, wurde aber bei St.-Aubin 1488 besiegt und drei Jahre lang gefangen gehalten. Nach Karls Tode bestieg L. 1498 den Thron, und seine Regierung ward eine milde und gerechte (»Vater des Volkes«). So verringerte er die Auflagen und verbesserte die Rechtspflege. Um so unglücklicher war seine auswärtige Politik. Als Enkel der mailändischen Prinzessin Valentine, der Tochter des Herzogs Galeazzo Visconti, erhob er Ansprüche auf Mailand und nahm es 1499 in Besitz. Sodann verband er sich mit Ferdinand von Aragonien zur Eroberung des Königreichs Neapel. Das Land wurde erobert, über seine Teilung brach aber unter den Siegern selbst Krieg aus; L. wurde 1503 aus Neapel vertrieben. 1509 trat L. der zur Demütigung Venedigs geschlossenen Liga von Cambrai bei; er befehligte selbst sein Heer und schlug die Venezianer 1509 bei Agnadello. Als jedoch der Papst sich von ihm trennte und die Heilige Liga gegen Frankreich schloß, die Schweizer von L. abfielen und das französische Heer im Juni 1513 bei Novara besiegten und aus Italien vertrieben, Heinrich VIII. und Maximilian in Frankreich eindrangen und ein andres französisches Heer unter Longueville 17. Aug. 1513 bei Guinegate (Sporenschlacht) schlugen, mußte er mit dem Papst, England, Spanien und dem Kaiser 1514 Frieden schließen. Vermählt war er mit Johanna, Tochter Ludwigs Kl., sodann mit Karls VIII. Witwe Anna von Bretagne (gest. 1514), durch welche Ehe er den Erwerb der Bretagne für Frankreich sicherte, und zuletzt mit Marie von England. Da er nur zwei Töchter aus zweiter Ehe hinterließ, folgte ihm sein Schwiegersohn Franz I. Vgl. de Seyssel, Histoire de Louis XII (Par. 1558); Anton (gest. 1527), Chroniques de Louis XII (hrsg. von Maulde-La Clavière, 1891–95, 4 Bde.); Maulde-La Clavière, Histoire de Louis XII (1889–93, 6 Bde.); Pélissier, Louis XII et Ludovic Sforza (1896).

33) L. XIII., König von Frankreich, geb. 27. Sept. 1601 in Fontainebleau, gest. 14. Mai 1643, aus dem Haus Bourbon, Sohn Heinrichs IV. und der Maria de' Medici, bestieg nach der Ermordung des Vaters (14. Mai 1610) unter der Vormundschaft der Mutter den Thron. Schon im September 1614 ward er zwar für mündig erklärt und heiratete 1615 die spanische Prinzessin Anna, blieb aber stets schwach und unselbständig und überließ die Regierung zunächst seiner Mutter und deren Günstlingen, unter denen der Italiener Concini großen Einfluß besaß. Am 14. April 1617 ward Concini jedoch mit Vorwissen[781] des Königs auf Betreiben von Ludwigs Vertrauten Luynes niedergeschossen, die Königin-Mutter verbannt. L. oder vielmehr sein Günstling Luynes leitete nun selbst den Staat; er hatte sofort mit einem Aufstande der Hugenotten zu kämpfen. Nach Luynes' frühem Tode (1621) und Vieuvilles Sturz 1624 berief der König den Kardinal Richelieu in den Rat, der bald als erster Minister das Reich und den König beherrschte und den ehrgeizigen Adel unterdrückte. Richelieu veranlaßte L. auch zu mehreren Kriegen, zunächst gegen die Hugenotten, denen nach der Einnahme La Rochelles 1628 ihre politischen Vorrechte genommen wurden (1629), dann gegen das Haus Habsburg in Italien, wo L. nach einem glücklichen Feldzug 1630 im Frieden von Cherasco 6. April 1631 seinem Schützling, dem Herzog von Nevers, die Belehnung mit Mantua verschaffte. Da der Herzog Karl von Lothringen französische Rebellen unterstützt hatte, ließ L. im Herbst 1633 ganz Lothringen erobern. Auch zur Teilnahme am Dreißigjährigen Krieg bestimmte Richelieu den König, um die habsburgische Macht zu schwächen. An Spanien war 1635 der Krieg erklärt worden. Während sich 1641 die aufgestandenen Katalonier an Frankreich ergaben, unterwarf ein französisches Heer, zu dem der schon kranke König abging, die Grafschaft Roussillon. L. starb wenige Monate nach seinem allmächtigen Minister. Er war schwächlichen Körpers, unentschlossen und argwöhnisch. Seine Gemahlin Anna von Österreich (s. Anna 5) gebar ihm 1638 den Dauphin, der als Ludwig XIV. auf dem Thron folgte, und 1640 den Herzog Philipp von Orléans, den Stammvater des Hauses Orléans. Vgl. Bazin, Histoire de France sous Louis XIII (neue Ausg., Par. 1846, 4 Bde.); Topin, Louis XIII et Richelieu (1876); B. Zeller, Études critiques sur le règne de Louis XIII (1879 bis 1880, 2 Bde.), La minorité de Louis XIII, 1610–1612 (1892–97, 2 Bde.), Louis XIII, Marie de Médicis, chef du conseil (1898) und Louis XIII, Marie de Médicis, Richelieu ministre (1899); de Beauchamp, Louis XIII d'après sa correspondance avec le cardinal de Richelieu 1622–1642 (1902); Batiffol, Au temps de Louis XIII (1903); Guillon, Le mort de Louis XIII (1897).

34) L. XIV. (Louis le Grand), König von Frankreich, geb. 5. Sept. 1638, gest. 1. Sept. 1715, Sohn des vorigen und der Anna von Österreich, folgte seinem Vater 14. Mai 1643 unter Vormundschaft seiner Mutter und dein Einfluß Mazarins. Die alsbald beginnenden Unruhen der Fronde (s. d.) wurden erst mit der Unterwerfung Condés und dem Pyrenäischen Frieden 1659 beendet. Auch nachdem L. 1651 mündig geworden, überließ er die Zügel der Regierung den bewährten Händen Mazarins. Erst seit des letztern Tode (9. März 1661) regierte er selbständig und entwickelte eine von ihm nicht erwartete Energie und Tätigkeit. Die ministerielle Allgewalt, wie solche sich seit 1624 unter Richelieus und Mazarins kräftigem und klugem Regiment ausgebildet hatte, vereinigte er nun in seiner Person mit der königlichen Macht und Autorität, und indem er sich mit Eifer wie auch mit Kenntnis und natürlichem Verstande den Geschäften widmete, begründete er die absolute Monarchie in Frankreich, deren glänzendster Repräsentant er wurde durch seine imponierende Erscheinung, die geschmackvolle Pracht, die er entwickelte, und sein würdevolles und doch immer anmutendes Benehmen. In der Auswahl und Verwendung seiner Minister und Generale bewährte L. hauptsächlich seinen Herrscherberuf. Gleich bei Beginn seiner Regierung berief er Le Tellier, Colbert und Lyonne in seinen Rat, dann noch Louvois, Namentlich Colbert trug durch seine durchgreifenden Reformen in den Finanzen und der Rechtspflege, durch schöpferische Maßregeln für Hebung von Industrie und Handel zur Erhöhung der Macht und des Ruhmes seines Königs bei und lieferte ihm die Mittel zur Ausstellung eines Heeres, in dem der kriegslustige Ehrgeiz des französischen Adels Befriedigung fand, und das Frankreich zum mächtigsten Staat Europas machte. Ob die Bewerbung Mazarins um die deutsche Kaiserkrone für L. XIV. nur ein diplomatischer Schachzug gewesen ist, steht noch nicht fest. Die im Pyrenäischen Frieden verabredete Vermählung (1660) Ludwigs mit der spanischen Infantin Maria Theresia, deren Verzicht auf ihr Erbrecht L. von vornherein für wirkungslos erklärte, gab ihm einen Anspruch auf die spanische Monarchie, die teilweise oder ganz zu erwerben fortan das stete Ziel seiner auswärtigen Politik vor. Bereits 1667, nach dem Tode seines Schwiegervaters Philipp IV., erhob er auf Grund des Devolutionsrechts Erbansprüche auf die spanischen Niederlande, eroberte diese, ohne viel Widerstand zu finden, im Sommer 1667, sowie im Februar 1668 die Franche-Comté, mußte sich aber infolge der drohenden Haltung der Tripelallianz im Frieden von Aachen (2. Mai 1668) mit zwölf Festungen an der belgischen Grenze begnügen. Um die Republik der Niederlande für ihre Opposition zu züchtigen, machte er durch Bestechung England und Schweden von der Tripelallianz abwendig, gewann die deutschen Grenznachbarn der Niederlande, Köln und Münster, für sich, und nachdem er das Heer auf 200,000 Mann gebracht und vortrefflich ausgerüstet hatte, fiel er im Frühjahr 1672 über die ganz unvorbereiteten Niederlande her, eroberte sie in wenigen Wochen fast ganz und kehrte triumphierend nach Paris zurück, als die Niederländer sich unter Wilhelm III. von Oranien erhoben und bei Brandenburg wie auch beim deutschen Kaiser und beim Reich, endlich auch bei Spanien Hilfe fanden. Diese Koalition und der Abfall Englands zwangen L., auf die Eroberung der Republik zu verzichten und sich auf eine Erweiterung der Ost- und Nordgrenze durch völlige Unterwerfung des Elsaß und Eroberungen spanischen Gebiets, namentlich der Franche-Comté, zu beschränken. Diese Länder behielt er auch im Frieden von Nimwegen 1678.

Jetzt stand L. auf der Höhe seiner Macht: sein Heer war das zahlreichste, bestorganisierte und bestgeführte der Welt; seine Diplomatie beherrschte durch ihre Geschicklichkeit alle Höfe; die französische Nation überragte in Kunst und Wissenschaften alle übrigen und entwickelte in Industrie und Handel eine überraschend erfolgreiche Tätigkeit; die Koryphäen der Literatur priesen L. als das Ideal eines Fürsten. Der Hof von Versailles, wohin L. seine Residenz verlegte, deren Bau 150 Mill. Frank kostete, war der Gegenstand des Neides, der Bewunderung und Nachahmung für alle großen und kleinen Monarchen. Die Nation sah in L. die Verkörperung des Staates und opferte ihm freiwillig alle politischen Rechte; »l'État c'est moi!« hat L. zwar nicht gesagt, aber er hätte es mit Recht sagen können. In seiner Eitelkeit ließ er seinen Ruhm und seinen Glanz überall verherrlichen, man pries ihn als »le roi-soleil«. L. legte auch der Ausübung seiner Allgewalt keine Schranken auf. Die frevelhafte Komödie der Réunionskammern diente ihm zur Abrundung und Erweiterung der vielfach zerrissenen [782] Grenzen; bei der Überrumpelung von Straßburg 30. Sept. 1681 glaubte er selbst diese Form nicht mehr nötig zu haben. Während er die Türkengefahr des Deutschen Reiches benutzte, um im Waffenstillstand von 1684 die Abtretung der Réunionen zu erzwingen, wurde Genua in Brand geschossen, weil es sich den Launen des französischen Despoten nicht fügen wollte. Auch in religiösen Dingen sollte nur Ein Wille und Ein Gesetz herrschen: der Jansenismus wurde unterdrückt, aber auch der Einfluß des Papsttums beschränkt durch die Annahme der vier Artikel der gallikanischen Kirche auf dem Nationalkonzil von 1682. Die Rechte der Protestanten wurden erst möglichst beschränkt, ihr Gottesdienst erschwert, endlich im Oktober 1685 das Edikt von Nantes ganz aufgehoben; die Auswanderung derer, die ihren Glauben auch nicht äußerlich abschwören wollten, wurde mit den härtesten Strafen bedroht. Dennoch verließen 200,000 Refugiés Frankreich, dessen Industrie unwiederbringlichen Schaden litt. Da L. in diesem gewaltsamen Treiben immer weiter ging, brachte er endlich fast ganz Europa gegen sich auf. Indem er Jakobs II. von England Plan, dort die katholische Kirche wieder herzustellen, unterstützte, beförderte er die englische Revolution von 1688, die seinen entschiedensten Gegner, Wilhelm von Oranien, auch dort an die Spitze des Staates brachte. Mit Papst Innozenz XI. geriet er über das Asylrecht der französischen Gesandtschaft zu Rom in Streit und besetzte 1688 sogar Avignon. Das Deutsche Reich endlich zwang er zum Kriege durch seine Einmischung in die kölnische Bischofswahl und den gegen den Willen der Erbin, seiner Schwägerin Elisabeth Charlotte von Orléans, erhobenen Erbanspruch auf einen Teil der Pfalz. Gegen die große Koalition von 1689 behauptete zwar die französische Landarmee, nachdem sie die schmachvolle Verwüstung der Pfalz ausgeführt, in den Niederlanden, am Rhein und in Piemont ihre alte Überlegenheit; aber die Versuche, die vertriebenen Stuarts nach England zurückzuführen, mißlangen alle, und in der Schlacht bei La Hougue 29. Mai 1692 ward die französische Seemacht vernichtet. Die Hilfsquellen Frankreichs begannen zu versiegen. Obwohl L. 1697 im Frieden zu Ryswyk Elsaß und Straßburg behielt, mußte er Lothringen, Luxemburg, den Breisgau und die Alpenfestung Pignerol zurückgeben. So bezeichnet dieser Friede einen Stillstand, ja Rückschritt. Der Plan einer französischen Universalmonarchie unter L. war nun unausführbar. Die hohen Steuern, Mißwachs und Teurung hatten den Wohlstand des Landes sehr geschädigt und Unzufriedenheit erregt. L. versöhnte sich mit dem Papst und gab 1693 die gallikanische Unabhängigkeit preis.

In der spanischen Erbfolgefrage, die nun in den Vordergrund des Interesses trat, verstand sich L. zu Verträgen mit den Seemächten, die sein Erbrecht begrenzten. Als aber der kinderlose Karl II. von Spanien 1. Nov. 1700 starb und sein Testament Ludwigs zweiten Enkel, Philipp von Anjou, zum Erben der gesamten Monarchie ernannte, konnte L. der Versuchung nicht widerstehen, nahm für seinen Enkel die Erbschaft an und rief so den Spanischen Erbfolgekrieg hervor, in dem Frankreich auch seine militärische Überlegenheit nicht mehr behaupten konnte. Dem Prinzen Eugen und Marlborough waren die Nachfolger Turennes, Condés, Luxembourgs und Catinats nicht gewachsen. Von 1704–1709 folgte Niederlage auf Niederlage, schon drangen die Verbündeten in Frankreich ein, die Kräfte des Landes waren erschöpft, und die Sehnsucht nach Frieden war allgemein. L. war auch bereit, ihn mit den größten Opfern, nicht bloß Verzicht auf Spanien, sondern sogar Herausgabe aller Eroberungen in Deutschland, zu erkaufen; aber mit berechtigtem Stolz weigerte er sich, seinen Enkel, der sich mit Erfolg in Spanien behauptete, selber mit französischen Truppen vertreiben zu helfen. Der Sturz des Whigministeriums in England führte in der Tat den Abfall der Seemächte von Österreich und den Separatfrieden von Utrecht 1713 herbei, dem sich Kaiser und Reich 1714 anschließen mußten. L. behauptete die Grenzen seines Reiches und rettete seinem Enkel den Hauptteil der spanischen Monarchie; aber die Blüte seines Landes war geknickt, die Finanzen zerrüttet, die Schuldenlast auf 2 Milliarden gewachsen. Von seinen sechs legitimen Kindern starben die fünf jüngern früh; der älteste Sohn, der Dauphin Ludwig, starb 1711. Da 8. März 1712 auch dessen ältester Sohn, der Herzog von Bourgogne, und im März 1714 sein Bruder, der Herzog von Berri, starben, blieb außer Philipp V. von Spanien nur der Sohn des Herzogs von Burgund übrig, der dem Urgroßvater im Alter von fünf Jahren als Ludwig XV. folgte. Ludwigs einflußreichste Mätressen waren nacheinander die Lavallière (s. d.), die ihm vier, die Montespan, die ihm sechs Kinder gebar, die Fontanges und die Witwe Scarron, Françoise d'Aubigné, die er zur Marquise von Maintenon erhob, und mit der er sich nach Maria Theresias Tod (1683) im Herbst 1685 heimlich vermählte. 1822 wurde L. auf der Place des Victoires zu Paris ein Reiterstandbild (von Bosio modelliert) im Kostüm eines römischen Imperators errichtet; ein älteres Denkmal (von J. Warin) befindet sich in Versailles (s. Tafel »Bildhauerkunst XII«, Fig. 7), ein andres (Reiterstandbild von Lemot) auf der Place Bellecour in Lyon. Seine »Œuvres«, welche die Instruktionen für den Dauphin (diese »Mémoires« besonders herausgegeben von Dreyß, 1859, 2 Bde.) und für Philipp V. sowie auch Briefe enthalten, erschienen zu Paris 1806 in 6 Bänden. Vgl. Voltaire, Siècle de Louis XIV (1740); Saint-Simon, Mémoires sur le siècle de Louis XIV et la Régence (1788, viele Auflagen; hrsg. von Chéruel, 2. Aufl. 1886–89, 21 Bde.); Gaillardin, Histoire du règne de Louis XIV (1871–78, 6 Bde.); Philippson, Das Zeitalter Ludwigs XIV. (2. Aufl., Berl. 1889); Chéruel, Histoire de France pendant la minorité de Louis XIV (1878–80, 4 Bde.); Bonnemère, La France sous Louis XIV (3. Aufl. 1892, 2 Bde.); Michelet, Louis XIV et la révocation de l'édit de Nantes (3. Aufl. 1875); Michaud, Louis XIV et Innocent XI (1882–83, 4 Bde.); Clément, La police sous Louis XIV (2. Aufl. 1866); Comte de Cosnac, Souvenirs du règne de Louis XIV (1874–81, 8 Bde.); Marquis de Sourches, Mémoires sur le règne de Louis XIV (hrsg. von Cosnac und Pontal, 1882–93, 13 Bde.); Chotard, Louis XIV, Louvois, Vauban (1890); Gérin, Louis XIV et le Saint-Siège (1894, 2 Bde.); Chérot, La première jeunesse de Louis XIV (1894); Perey, Le roman du Grand Roi: Louis XIV et Marie Mancini (3. Aufl. 1894); Bourgeois, Le grand siècle. Louis XIV (1895; deutsch, Leipz. 1896); Waldteufel, La politique étrangère de Louis XIV (1898); Vast, Les grands traités du règne de Louis XIV (1893–99, 3 Bde.); Lacour-Gayet, L'éducation politique de Louis XIV (1898); Dhanys, Marie Mancini et Louis XIV (1901); Heuzé, La cour intime de Louis XIV (1902); A. Barine, Louis XIV et la Grande Mademoiselle (1805).[783]

35) L. XV., König von Frankreich, geb. 15. Febr. 1710, gest. 10. Mai 1774, Sohn Ludwigs, Herzogs von Burgund, und der Prinzessin Maria Adelheid von Savoyen, folgte seinem Urgroßvater Ludwig XIV. schon 1. Sept. 1715 unter der Regentschaft des Herzogs Philipp von Orléans auf dem Thron. Ein schwächliches Kind, erhielt er durch Marschall Villeroi und Kardinal Fleury eine sehr fromme Erziehung. 1723 wurde er bereits für mündig erklärt, übernahm aber noch nicht selbst die Regierung. Nach dem Tode des Herzogs von Orléans (2. Dez. 1723) ward der Herzog von Bourbon zum obersten Staatsminister ernannt; aber 1726 trat Fleury in diese Stelle ein und verwaltete sie bis an seinen Tod (1743). Wiewohl friedliebend und auf Ordnung in den Finanzen und auf Hebung des Wohlstandes bedacht, wurde er doch in den Polnischen Erbfolgekrieg verwickelt, der zwar mit der Vertreibung des französischen Schützlings Stanislaus Leszczinski aus Polen endete, aber 1738 im Wiener Frieden Frankreich die Anwartschaft auf Lothringen verschaffte. Als Fleury 1743 während des Österreichischen Erbfolgekrieges starb, übernahm L. selbst die Leitung des Staates. Er besaß Bildung und ein treffendes Urteil; aber es fehlte ihm ausdauernde Tätigkeit. Während er seine Gemahlin Maria, die Tochter des frühern Königs Stanislaus Leszczinski, durchaus vernachlässigte, nahmen anderweite grob sinnliche Liebschaften bald fast seine ganze Zeit in Anspruch; nur um Kleinigkeiten kümmerte er sich, und selbst in der auswärtigen Politik, der er noch das meiste Interesse zuwendete, wechselte er sprungweise seine Gesichtspunkte oder verfolgte in geheimer Korrespondenz mit diplomatischen Agenten besondere Pläne. Im Österreichischen Erbfolgekrieg erfocht zwar das französische Heer unter L. selbst bei Fontenoy 1745 und dann unter dem Marschall von Sachsen mehrere Siege, um so unglücklicher wurde aber der Krieg in Italien und zur See geführt, und im Frieden von Aachen mußte L. auf alle Eroberungen verzichten und Maria Theresia als Erbin ganz Österreichs anerkennen. Noch nachteiliger für Frankreichs Machtstellung und seine Finanzen wie für den Ruhm seiner Armee war Ludwigs Teilnahme am Siebenjährigen Krieg auf seiten des eben erst bekämpften Österreich. Während Frankreich seine überseeischen Kolonien seinem Gegner England überließ, erlitt es auch zu Lande fast nur Niederlagen, so daß schließlich der Friede von Paris 1763 ihm nicht nur nicht den gehofften Gewinn, die Niederlande, brachte, sondern es auch die Besitzungen in Nordamerika, seine Stellung in Ostindien, seine Seemacht kostete. Die Nation war durch diesen Ausgang eines kostspieligen Krieges in ihrem Selbstgefühl aufs empfindlichste verletzt. Ludwigs frivoles Verhalten mußte notwendig die Erbitterung der Gemüter vermehren und Verachtung gegen das einst so hoch gepriesene Königtum erwecken. Er gestattete seinen Mätressen, unter denen die Marquise von Pompadour die wichtigste war, einen überaus wirksamen Einfluß; sie durften sich auf Kosten der Staatsfinanzen aufs schamloseste bereichern und ihre Verwandten und Günstlinge in hohe, einträgliche Ämter bringen. 1757 ward durch Damiens (s. d.) ein Mordanfall auf L. verübt. Indem er in der Wahl seiner Minister fortwährend schwankte, bald einen Anhänger von Reformen, wie Choiseul, bald einen Vertreter des starren Absolutismus, wie Aiguillon, berief, geriet er zuletzt mit den Hauptstützen des Königstums, dem Klerus und den Parlamenten, in Konflikt. Den erstern reizte er durch die Vertreibung der Jesuiten 1762 und durch Ansprüche auf die Kirchengüter, die Opposition der Parlamente wurde nur durch deren gewaltsame Aufhebung beseitigt. Seine letzte Mätresse war eine öffentliche Dirne, die er zum Schein mit einem Grafen Dubarry verheiratete. Er hinterließ den Staat mit einer Schuldenlast von 4000 Mill. Livres und in fast unheilbarer Zerrüttung. Sein einziger legitimer Sohn, der Dauphin, war 20. Dez. 1765 gestorben; daher folgte ihm sein Enkel Ludwig XVI. auf dem Thron. Vgl. Voltaire, Siècle de Louis XV (1768–70, 2 Bde.); Barbier (gest. 1771), Journal historique et anecdotique du règne de Louis XV (1849–56, 4 Bde.); Capefigue, Louis XV et la société du XVIII. siècle (2. Aufl. 1854); Tocqueville, Histoire philosophique du règne de Louis XV (2. Aufl. 1847, 2 Bde.); Jobez, La France sous Louis XV (1864–73, 6 Bde.); Boutaric, Correspondance secrète inédite de Louis XV sur la politique étrangère (1866, 2 Bde.); Herzog von Broglie, Le secret du roi. Correspondance secrète de Louis XV avec ses agents diplomatiques 1752–1774 (1878, 2 Bde.) und Frédéric II et Louis XV 1742–1744 (1884, 2 Bde.); Pajol, Les guerres sous Louis XV (1881–92, 7 Bde.); Graf Fleury, Louis XV intime (1900); Bonhomme, Louis XV et sa famille (1873); de Nolhac, Louis XV et Marie Leczinska (1902, 9. Aufl. 1904; deutsch, Berl. 1905) und Louis XV et Mme. de Pompadour (1904; deutsch, das. 1905); Gauthier-Villars, Le mariage de Louis XV (1900); Foulon de Vaulx, La vieillesse de Louis XV (1901); Vandal, Louis XV et Elisabeth de Russie (1882); Carré, La France sous Louis XV (1891); Soulange-Bodin, La diplomatie de Louis XV et le Pacte de famille (1894); Waddington, Louis XV et le renversement des alliances (1896) und La guerre de sept'aus, Bd. 1 (1900).

36) L. XVI. August, König von Frankreich, geb. 23. Aug. 1754, gest. 21. Jan. 1793, Enkel des vorigen, dritter Sohn des Dauphins Ludwig und der Maria Josepha von Sachsen (vgl. Stryienski, La mère des trois derniers Bourbons. Marie-Josèphe de Saxe et la cour de Louis XV, 1902), ward durch den Tod seiner ältern Brüder und seines Vaters 1765 Dauphin. Er besaß von Natur einen starken Körper, viel Herzensgüte, aber mittelmäßige Anlagen, und war zwar zur Frömmigkeit, aber in Unwissenheit und gänzlicher Unkenntnis der Staatsgeschäfte erzogen worden, auch denkfaul und unbeholfen. Die größte Vorliebe zeigte der Prinz für mechanische Arbeiten und die Jagd. Obschon in der Mitte des verderbten Hofes erzogen, bewahrte er sich doch einfache, reine Sitten. Am 10. Mai 1770 vermählte er sich mit Marie Antoinette (s. Marie II) von Österreich; am 10. Mai 1774 bestieg er den Thron. Der junge König brachte unter den schwierigsten Verhältnissen nichts mit auf den Thron als redlichen Willen, und seine Reformbestrebungen waren nur verwirrende Experimente. Zu spät betrat der zum Minister erhobene greise Maurepas den Weg der Reformen und stellte ausgezeichnete, patriotische Männer, wie Vergennes, Saint-Germain, Malesherbes und Turgot, an die Spitze der Verwaltung. Man hob die Tortur, die Reste der Leibeigenschaft, die Zünfte, die willkürlichen Gnadenspenden und Sinekuren auf und schränkte mit dem Willen des Königs den Hofhalt bedeutend ein. Gründlichere Reformen scheiterten aber an dem Widerstande der Aristokratie und der Parlamente. Turgot, der Urheber der wichtigsten Reformen, mußte bald[784] darauf mit Malesherbes aus der Verwaltung scheiden. Ebenso fiel der Kriegsminister Saint-Germain, nachdem er das Heer durch Einführung der preußischen Disziplin und zumal der Prügelstrafe auf das äußerste erbittert hatte. Nach der kurzen, aber verderblichen Finanzverwaltung Clugnys wurde im Juni 1777 Necker Generaldirektor; aber da L., der Volksstimmung weichend, 6. Febr. 1778 ein Bündnis mit den nordamerikanischen Kolonien schloß und mit England einen kostspieligen Krieg anfing, kam Necker mit seinen Mitteln, Ersparungen und Anleihen, auf die Dauer nicht aus und mußte sich, nachdem er den Hof durch eine rücksichtslose Darlegung seiner Verschwendung öffentlich kompromittiert, 1781 zurückziehen. Die steigende Finanznot zwang den König 1787, die Notabeln zu berufen; er erhielt von ihnen die gewünschten Steuern auf die bevorrechteten Stände, gegen die aber nun das Parlament opponierte und auf die Generalstände hinwies. Als auch die zweite Notabelnversammlung 1788 der Finanznot nicht abhelfen konnte, berief er, nachdem er Necker von neuem an die Spitze der Verwaltung gestellt, die Reichsstände, die am 5. Mai 1789 in Versailles zusammentraten. In gleicher Weise verfuhr er haltlos und schwankend in dem entscheidungsvollen Sommer 1789. Als sich der dritte Stand 17. Juni d. J. als Nationalversammlung konstituierte, ließ sich der König von der Hofaristokratie zu der unheilvollen königlichen Sitzung vom 23. Juni verleiten, in der er die Beschlüsse des dritten Standes kassierte. Dieser fügte sich jedoch nicht, und L. bat nun selbst die Geistlichkeit und den Adel, sich mit dem dritten Stand zu vereinigen. Dem König blieb jetzt nur übrig, sich selbst an die Spitze der politischen Revolution zu stellen oder sie mit den Waffen in der Hand zu bekämpfen. Zum erstern fehlten ihm Energie und Überzeugung, gegen die Gewalt empörte sich sein Herz und sprach der zuchtlose Sinn der Armee. Als er sich zur Zusammenziehung eines 30,000 Mann starken Truppenkorps in der Nähe der Hauptstadt bewegen ließ und den populären Necker verabschiedete, bewirkte er nichts als die Erhebung des Pariser Pöbels und die Erstürmung der Bastille (14. Juli). Darauf bestätigte er in Paris die Errichtung der revolutionären Autoritäten und der Nationalgarde. Die Nationalversammlung ging nun an die Abfassung der Konstitution und an die Zertrümmerung des Feudalstaats, und der König ließ sich auch 11. Sept. die Bestätigung aller Beschlüsse abzwingen. Am 5. Okt. unternahm der Pöbel von Paris einen Zug nach Versailles, und L. mußte dem stürmischen Verlangen des Volkes, das am 6. Okt. in das Schloß eindrang, nachgeben und mit seiner Familie nach Paris in die Tuilerien übersiedeln. Er war von da an völlig gebrochen und hatte alle Willenskraft verloren. Er erwartete nur noch von der Hilfe des Auslandes Errettung, und als auch Mirabeau, mit dem der Hof zuletzt Unterhandlungen angeknüpft, 2. April 1791 starb, wurde die Flucht beschlossen, aber langsam und ungeschickt ins Werk gesetzt und erst in der Nacht vom 20. zum 21. Juni unternommen, so daß alle getroffenen Maßregeln sich unnütz erwiesen, und er von dem Postmeister Drouet, der ihn in Ste. – Menehould erkannt, in Varennes angehalten und nach Paris zurückgebracht wurde. Die Nationalversammlung, die am 24. Juni die Suspension ausgesprochen hatte, hob sie wieder auf und dekretierte in der neuen Verfassung die Unverletzlichkeit und Unverantwortlichkeit des Königs. Dieser leistete, in seinem Gewissen durch die kirchenfeindlichen Gesetze bedrängt, nach langem Sträuben 14. Sept. 1791 den Eid auf die Konstitution, geriet aber mit der neuen Gesetzgebenden Versammlung in Konflikt durch das Veto, das er den Gesetzen gegen die eidweigernden Priester und die Emigranten entgegensetzte. Seitdem hatte die Gironde seinen Sturz beschlossen. Zu diesem Zweck wurde 20. Juni 1792 ein Zug des Pöbels nach den Tuilerien veranstaltet. L. ertrug mit Würde und Kaltblütigkeit drei Stunden lang die Beschimpfungen des Pöbels. Bei dem großen Sturm des Pöbels auf die Tuilerien 10. Aug. sah er sich genötigt, mit seiner Familie Schutz in dem Schoß der Nationalversammlung zu suchen, die ihn zum zweiten Male suspendierte. Am folgenden Tage brachte man ihn als Gefangenen mit seiner Familie nach dem Palast Luxembourg und von hier nach einigen Tagen nach dem Temple. Das Gericht über ihn überließ die Versammlung dem am 21. Sept. zusammentretenden Nationalkonvent, der sofort die Abschaffung des Königtums beschloß. Als L. 11. Dez. vor den Schranken der Versammlung erschien, benahm er sich mit Würde, verteidigte sich mit Ruhe und Geistesgegenwart gegen die leichtfertige Anklageschrift und erhielt Tronchet, Malesherbes und de Sèzes zu Verteidigern. Der Konvent erklärte ihn aber nach einer mehrtägigen Debatte der Verschwörung gegen den Staat und die Sicherheit der Nation schuldig und verurteilte ihn 17. Jan. 1793 mit 361 gegen 360 Stimmen zum Tode. L. vernahm sein Schicksal mit großer Fassung. Als ihn der Henker gebunden, rief er noch mit lauter Stimme: »Volk, ich sterbe unschuldig!« und zu den Henkern sagte er: »Meine Herren, ich sterbe unschuldig an allem, was man mir vorwirft; ich wünsche, daß mein Blut das Glück der Franzosen befestigen möge«. Sein Leichnam wurde auf dem Kirchhof Ste. – Madeleine bestattet, nach der Restauration 1814 aber nach St.-Denis gebracht und auf dem Platz der Hinrichtung eine Sühnekapelle errichtet. L. hinterließ zwei Kinder: den Dauphin (s. Ludwig XVII.) und die spätere Herzogin von Angoulême (s. d. 3). Vgl. Soulavie, Mémoires historiques et politiques du règne de Louis XVI (1801, 6 Bde.); Droz, Histoire du règne de Louis XVI (2. Aufl. 1858, 3 Bde.; deutsch von Luden, Jena 1842); Tocqueville, Coup d'œil sur le règne de Louis XVI (2. Aufl. 1850); Jobez, La France sous Louis XVI (1877–93, 3 Bde.); Nicolardot, Journal de Louis XVI (1873); v. Stockmar, L. XVI. und Marie Antoinette auf der Flucht nach Montmédy (Berl. 1890); Beaucourt, Captivité et derniers moments de Louis XVI (1892, 2 Bde.); Souriau, Louis XVI et la Révolution (1893).

37) L. XVII., eigentlich Karl L., geb. 27. März 1785, gest. 8. Juni 1795, zweiter Sohn des vorigen und der Marie Antoinette, hieß erst Herzog von der Normandie und wurde durch das am 4. Juni 1789 erfolgte Ableben seines ältern Bruders, Ludwig Joseph, Dauphin. Nach seines Vaters Hinrichtung proklamierte ihn sein ausgewanderter Oheim, der Graf von Provence (später Ludwig XVIII.), als König von Frankreich. Er ward anfangs mit seiner Mutter und seinen Geschwistern zusammen gefangen gehalten, aber im Juli 1793 auf ausdrücklichen Befehl des Konvents einem rohen Jakobiner, dem Schuhmacher Simon, zur Aussicht übergeben, von diesem aber physisch und geistig zugrunde gerichtet. Gänzlich vernachlässigt und verkümmert, starb er. Eine Kommission, die das Gerücht von der Vergiftung des Dauphins untersuchen sollte, konstatierte den Tod[785] aus natürlichen Ursachen auf eine gesetzlich-authentische Weise. Sein Leichnam ward 10. Juni in die gemeinsame Gruft des Begräbnisplatzes der St. Margaretenpfarrei geworfen und mit ungelöschtem Kalk beschüttet. Da infolgedessen seine Überreste nicht mehr zu finden waren, traten mehrere falsche L. XVII. auf, zuerst Jean Marie Hervagault, der Sohn eines Schneiders zu St.-Lô, geb. 1781, der unter Napoleons I. Regierung in Bicêtre eingesperrt wurde, wo er 1812 starb. Ein zweiter falscher L., der unter dem Namen Karl von Frankreich Aufsehen erregte, war Mathurin Brumeau, geb. 1784 in Vezins bei Cholet in dem ehemaligen Anjou, wo sein Vater Holzschuhe verfertigte. Vom Gerichtshof in Rouen zu siebenjährigem Gefängnis verurteilt, verscholl er nach der Julirevolution 1830. Der dritte falsche L. XVII. ist der sogen. Herzog von Richmont, dessen eigentlicher Name François Henri Hébert war, aus der Gegend von Rouen gebürtig. 1834 zu zwölfjähriger Hast verurteilt, gelangte er mit Hilfe seiner Anhänger nach London, wo er 1845 starb Am wahrscheinlichsten wußte sein Vorgeben der Uhrmacher Karl Wilhelm Naundorf aus Potsdam zu machen, zumal seine Gesichtszüge eine auffallende Ähnlichkeit mit denen der Bourbonen hatten. Nachdem er seit 1810 in Berlin, Spandau und Brandenburg gelebt und eine Gefängnisstrafe von drei Jahren verbüßt hatte, ging er 1833 nach Frankreich, ward aber 1836 ausgewiesen, beschäftigte sich sodann in England mit militärischen Erfindungen und starb 10. Aug. 1845 in Delft. Seine Kinder nahmen den Namen de Bourbon an und strengten 1851 und 1874 vergebliche Prozesse gegen den Grafen Chambord vor Gerichten von Paris an. Vgl. Eckard, Mémoires historiques sur Louis XVII (1817); Beauchesne, Louis XVII, sa vie, son agonie, sa mort (13. Aufl. 1884, 2 Bde.); Nettement, Histoire populaire de Louis XVII (2. Aufl. 1876); Chantelauze, Louis XVII, son enfance, sa prison et sa mort an Temple (neue Ausg. 1895); Provins, Le dernier roi légitime de France (1889, 2 Bde.; kurze Biographie 1898); Elizabeth Evans, The story of Louis XVII. of France (Lond. 1893); A. Bourgeois, Etude historique sur Louis XVII (Par. 1905); Bülau, Geheime Geschichten und rätselhafte Menschen, Bd. 2 (Leipz. 1850). Seit Anfang 1905 erscheint in Paris monatlich eine »Revue historique de la question Louis XVII«.

38) L. XVIII. Stanislaus Xaver (le Désiré nannten ihn die Royalisten), König von Frankreich, geb. 17. Nov. 1755, gest. 16. Sept. 1824, vierter Sohn des Dauphins Ludwig und der Maria Josepha von Sachsen, Bruder Ludwigs XVI., erhielt den Titel eines Grafen von Provence. Seinen Brüdern an Geist überlegen, beschäftigte er sich mit den alten Klassikern und Philosophie, versuchte sich im Dichten und übersetzte einige Bände von Gibbons Geschichtswerk. Nach dem Regierungsantritt Ludwigs XVI. nahm er den Titel »Monsieur« an. Er begab sich im Juni 1791 unmittelbar nach der Flucht des Königs ins Ausland. Als bald darauf der Krieg ausbrach, schlossen sich L. und sein jüngerer Bruder, der Graf von Artois, an der Spitze der Emigranten der preußischen Armee an. Auf die Nachricht von der Hinrichtung des Königs rief er den Dauphin als Ludwig XVII. aus, ernannte sich selbst zum Regenten und den Grafen von Artois zum Generalleutnant. Zugleich verlegte er unter dem Namen eines Grafen von Lille seinen Hof nach Verona. Nach dem Tode Ludwigs XVII. (8. Juni 1795) nahm er den Königstitel an. 1796 auf Bonapartes Drohung aus Verona ausgewiesen, ging er wieder nach Deutschland; 1799 zog er sich nach dem ihm vom Kaiser Paul I. gewährten Asyl zu Mitau in Kurland zurück, wo er sich bis zum Tilsiter Frieden aufhielt. Ende 1807 begab er sich nach England, wo er zu Hartwell in Buckinghamshire mit Studien beschäftigt lebte. Als die Verbündeten in Frankreich eingedrungen waren, erließ er 1. Febr. 1814 eine Proklamation, worin er sein göttliches Thronrecht beanspruchte. Am 26. April 1814 landete er in Calais und hielt 3. Mai seinen Einzug in Paris. Am 4. Juni empfing die Nation aus seinen Händen die konstitutionelle Charte. Bei der Annäherung Napoleons jedoch verließ L. mit seiner Familie in der Nacht vom 19. zum 20. März 1815 Paris und floh nach Gent. Nach der Schlacht von Waterloo hielt er unter dem Schutz des Herzogs von Wellington 8. Juli 1815 abermals seinen Einzug in Paris. L. selbst war einer milden, gemäßigt liberalen Regierung geneigt, aber die Adels- und Priesterpartei, an deren Spitze sein Bruder, der Graf von Artois, stand, vereitelte seine verständigen Bemühungen. Er berief Talleyrand und Fouché, zwei Napoleonische Minister, in sein Kabinett; indes diese wurden bald von der royalistisch-klerikalen Koterie unter Artois, dem sogen. Pavillon Marsan und der Chambre introuvable, die am 7. Okt. 1815 zusammentrat, gestürzt, denen auch die neuen Minister, Richelieu und Decazes, nicht reaktionär genug waren. 1819 trat durch die Wahlen eine liberale Wendung ein, der sich L. bereitwillig anschloß, die indes bereits 1820 durch die Ermordung des Herzogs von Berry unterbrochen wurde. Die neue Kammer, in der die reaktionären Ultras wieder die Majorität hatten, nötigte 1821 L. das Ministerium Villèle auf, das nach außen (durch die Intervention in Spanien 1823) und nach innen schroff reaktionär auftrat. Vermählt war L. seit 1771 mit Luise, Tochter des Königs Viktor Amadeus von Sardinien. Da er keine Kinder hinterließ, folgte ihm sein Bruder Karl X. Die von Lamothe-Langon herausgegebenen »Mémoires de Louis XVIII« (Par. 1832) sind apokryph. Vgl. Alphonse de Beauchamp, Vie de Louis XVIII (3. Aufl. 1825); de Vaulabelle, Histoire des deux Restaurations (3. Aufl. 1864, 8 Bde.; deutsch von Fink, Baden 1846); L. de Viel-Castel, Histoire de la Restauration (1860–78, 20 Bde.); Petit, Histoire contemporaine de la France, Bd. 8: Louis XVIII (1885); Imbert de Saint-Amand, La cour de Louis XVIII (1891); Malet, Louis XVIII et les Cent-Jours á Gand (1898–1902, 2 Bde.); E. Daudet, Louis XVIII et le duc Decazes (1899).

39) L. Philipp (L. XIX.), König der Franzosen, geb. 6. Okt. 1773 in Paris, gest. 26. Aug. 1850 in Claremont, der älteste Sohn des Herzogs Ludwig Philipp Joseph von Chartres, spätern Herzogs von Orléans (Egalité, s. Orléans), und der Prinzessin Luise Marie Adelaide von Penthièvre, erhielt bei der Geburt den Titel eines Herzogs von Chartres. Von Frau v. Genlis nach Rousseauschen Prinzipien erzogen, erhielt L. Philipp eine tüchtige Verstandesbildung. Gleich seinem Vater schloß er sich der Revolution an, erklärte sich für die Konstitution, trat in die Nationalgarde und den Jakobinerklub. Am 11. Sept. 1792 Generalleutnant, focht er bei Valmy, Jemappes und Neerwinden. Mit Dumouriez trat er 4. April 1793 auf das österreichische Gebiet über und begab sich nach der Schweiz, wo er unter dem Namen Chabaud Latour eine Lehrerstelle[786] im Kollegium von Reichenau bekleidete. Als das Direktorium für die Freilassung seiner Mutter und seiner Brüder die Bedingung stellte, daß er Europa verlasse, reiste er im Herbst 1796 nach Amerika, von da im Januar 1800 nach England. Er versöhnte sich hier mit den Bourbonen und lebte mit seinen Brüdern Montpensier und Beaujolais auf einem Schloß bei Twickenham. Am 25. Nov. 1809 vermählte er sich mit der Prinzessin Marie Amalie von Sizilien, der zweiten Tochter des Königs Ferdinand I. Er wurde dann als Liberaler von Ludwig XVIII. und dessen Hof mit solchem Mißtrauen behandelt, daß er erst 1817 dauernd nach Frankreich übersiedelte. Nun widmete er sich der Regelung der tief zerrütteten Vermögensverhältnisse der Familie und der Erziehung seiner Kinder. Naturgemäß richteten sich die Blicke aller Mißvergnügten, die eine Änderung wünschten, auf ihn; seine Residenz, das Palais Royal, wurde allmählich der Sammelpunkt der liberalen Partei. Als in der Julirevolution 1830 am 29. Juli auf dem Stadthaus die Absetzung Karls X. ausgesprochen worden, nahm L. Philipp nach längerer Beratung mit Laffitte, Talleyrand u.a. 31. Juli die ihm angebotene Regentschaft an. Nach der Flucht Karls X. eröffnete er 3. Ang. als Generalleutnant von Frankreich die Kammern, die am 7. Aug. den Thron für erledigt erklärten und L. Philipp aufforderten, denselben einzunehmen. Am 9. Aug. erklärte der Herzog die Annahme der Krone unter dem Titel eines Königs der Franzosen und leistete den konstitutionellen Eid. Seine Stellung war schwierig, ' denn er besaß die Krone auf Grund weder der Legitimität noch der Volkssouveränität, sondern eines Kompromisses der Parteien. Zwar erwarb er durch seine bürgerliche Einfachheit eine Zeitlang eine gewisse Popularität; aber diese nutzte sich doch schnell ab. In der hohen Politik wollte er die extremen Parteien durch Begünstigung des wohlhabenden Mittelstandes, der Bourgeoisie, im Gleichgewicht halten, das juste-milieu beobachten. Bald aber entwickelte sich daraus eine Parteiregierung, die sich nicht scheute, durch schamlose Beeinflussung der Wahlen sich die Majorität in der Kammer zu sichern. L. Philipp wurde daher von allen übrigen Parteien, den Republikanern, den Legitimisten und den Bonapartisten, aufs heftigste angefeindet. Es kam zu Unruhen und Attentaten auf ihn, wie namentlich dem der Höllenmaschine Fieschis 28. Juli 1835, die strenge Repressivmaßregeln zur Folge hatten. Die vielen wohltätigen Gesetze und Einrichtungen, die L. Philipps Regierung Frankreich brachte, namentlich seine Fürsorge für die geistigen Interessen, wurden nicht gewürdigt. Besonders seine auswärtige Politik, die mehrmals einen Anlauf zu großen Aktionen nahm, wie namentlich 1840, im ganzen aber, die Expeditionen nach Italien und Belgien ausgenommen, friedlich war, erregte den Unwillen der Nation, der von der bonapartistischen Partei künstlich genährt wurde; gegen diese benahm sich L. Philipp schwächlich, indem er den Prinzen Ludwig Napoleon nach beiden Handstreichen, 1836 und 1840, schonte und in letzterm Jahr die Asche Napoleons I. feierlich aus St. Helena abholen und im Invalidendom beisetzen ließ. Die Erfolge seiner Regierung in Algerien und im Stillen Ozean kamen nicht in Betracht. Man identifizierte ihn mit dem konservativen Ministerium Guizot; der Widerstand gegen dieses in der Wahlreformfrage richtete sich auch gegen ihn; und als die Gärung 24. Febr. 1848 zum Ausbruch kam, genügten weder die Nachgiebigkeit gegen die Wünsche des Volkes noch die Abdankung zugunsten des Grafen von Paris zur Beschwichtigung der Revolution. L. Philipp verließ mit seiner Gemahlin Paris und schiffte sich zu Honfleur 2. März nach England ein. Hier lebte er unter dem Namen eines Grafen von Neuilly in Claremont bei Windsor. Seine Leiche ward 1876 nach Dreux in Frankreich gebracht. Er hatte acht Kinder: Ferdinand Philipp, Herzog von Orléans, der, 1810 geboren, 13. Juli 1842 verunglückte und aus seiner Ehe mit Helene von Mecklenburg den Grafen von Paris und den Herzog von Chartres hinterließ; Luise, Gemahlin des Königs der Belgier (gest. 1850); Marie, Gemahlin des Prinzen Alexander von Württemberg (gest. 1839); Ludwig Karl, Herzog von Nemours; Klementine, Herzogin von Koburg-Kohary; Franz Ferdinand, Prinz von Joinville; Heinrich Eugen, Herzog von Aumale; Anton Philipp, Herzog von Montpensier (vgl. Orléans [Geschlecht]). Vgl. Birch, L. Philipp I., König der Franzosen (3. Aufl., Stuttg. 1851, 3 Bde.); Montalivet, Le roi Louis-Philippe (2. Aufl. 1851); Lemoine, Abdication du roi Louis-Philippe, racontée par lui-même (1851); Crétineau-Joly, Histoire de Louis-Philippe d'Orléans (1862, 2 Bde.); Alex. Dumas, Histoire de la vie politique et privée de Louis-Philippe (1852, 2 Bde.; auch mehrfach deutsch); Nouvion, Histoire du règne de Louis-Philippe (1861, 4 Bde.); Billault de Gérainville, Histoire de Louis-Philippe (1870–75, 3 Bde.); Hillebrand, Geschichte Frankreichs von der Thronbesteigung L. Philipps etc. (Gotha 1877–79, Bd. 1 u. 2); Gazeau de Vautibault, Les Orléans an tribunal de l'histoire, Bd. 7 (1889); Villeneuve, Charles X et Louis XIXen exil. Mémoires inédits (1889); Thureau-Dangin, Histoire de la monarchie de juillet (1885–92, 7 Bde.); Imbert de Saint-Amand, Marie-Amélie et l'apogée du règne de Louis-Philippe (1894).

40) L. Napoleon, Kaiser der Franzosen, s. Napoleon III.

[Hessen-Darmstadt.] 41) L. I., Großherzog von Hessen-Darmstadt, geb. 14. Juni 1753 zu Prenzlau in der Ukermark, wo damals sein Vater, der nachmalige Landgraf Ludwig IX. (1768–90), der Gemahl der »großen Landgräfin« (s. Karoline 3), als preußischer Generalmajor in Garnison stand, gest. 6. April 1830, bezog 1769 die Universität in Leiden, trat 1774 auf kurze Zeit (bis September 1775) in russische Kriegsdienste, verzichtete 1776 gegen eine jährliche Pension von 10,000 Rubel auf seine Braut Sophie Dorothea von Württemberg, die dem damaligen Großfürsten-Thronfolger Paul vermählt ward, beschäftigte sich sodann in Darmstadt mit Wissenschaften und Kunst. Dabei stand er in beständiger Verbindung mit dem Weimarer Hof und dessen führenden Geistern, bis ihn 1790 der Tod seines Vaters unter dem Namen Landgraf L. X. zur Regierung berief. In den französischen Revolutionskriegen kämpften seine Truppen am Rhein, im Elsaß und in den Niederlanden; L. selbst wohnte der Belagerung von Mainz bei. Nach dem Frieden von Campo Formio (1797) sah er sich im März 1799 zu einer Neutralitätskonvention mit Frankreich genötigt. Für den Verlust seiner Besitzungen auf dem linken Rheinufer wurde er im Reichsdeputationshauptschluß 1803 unter anderm durch mainzische Besitzungen und das Herzogtum Westfalen entschädigt. Im August 1806 trat er dem Rheinbund bei, wurde souveräner Großherzog und nannte sich nun L. I. Erst im November 1813 schloß er sich den Verbündeten an und erhielt auf[787] dem Wiener Kongreß für Westfalen namentlich Rheinhessen. Am 21. Dez. 1820 gab er seinem Land eine konstitutionelle Verfassung. Vermählt war er mit Prinzessin Luise Karoline Henriette, Tochter seines Oheims, des Landgrafen Georg Wilhelm von Hessen-Darmstadt. L. huldigte freisinnigen Anschauungen, er förderte die Wissenschaften und Künste, das Museum, die Hofbibliothek und das Theater. Als der erste deutsche Fürst ging er 1828 mit Preußen eine Zolleinigung ein. Dieser preußisch-hessische Vertrag wurde die Grundlage des Deutschen Zollvereins. 1844 wurde ihm, dem Neubegründer des Staates, in Darmstadt ein Denkmal errichtet. Vgl. Steiner, L. I. (Offenb. 1842; 2 Supplemente, Darmst. 1866 u. 1869).

42) L. II., Großherzog, Sohn des vorigen, geb. 26. Dez. 1777, gest. 16. Juni 1848, lebte bis zu seinem Regierungsantritt (6. April 1830) meist zurückgezogen in Darmstadt. An eigentlichen Regierungsgeschäften durfte er keinen Anteil nehmen, nur beteiligte er sich an den Sitzungen der Ersten Kammer und war von 1823 an Mitglied des Staatsrats. Wohlwollend, aber den liberalen Ideen abhold, ließ er den Minister du Thil ein verständiges, aber bureaukratisches Regiment führen, während es schon infolge der Julirevolution zu Unruhen in Oberhessen und wegen der Schuldenlast, die L. als Erbprinz auf sich geladen hatte und nun auf den Staatshaushalt übernommen wissen wollte, zu Reibungen mit dem Landtag kam. Den Ereignissen von 1848 sich nicht gewachsen fühlend, übertrug er 5. März 1848 seinem Sohn, dem spätern Großherzog, die Mitregentschaft. L. war vermählt mit Prinzessin Wilhelmine von Baden (gest. 1836), die ihm drei Söhne, den Großherzog Ludwig III. (s. unten), Karl, geb. 23. April 1809, gest. 20. März 1877, Alexander (s. d. 14), geb. 15. Juli 1823, gest. 15. Dez. 1888, und eine Tochter, Marie, geb. 8. Aug. 1824, gest. 3. Juli 1880, seit 1841 die Gemahlin des Großfürsten-Thronfolgers, spätern Kaisers von Rußland, Alexander II., gebar. Vgl. Steiner, L. II., Großherzog von Hessen (Darmst. 1848).

43) L. III., Großherzog, Sohn des vorigen, geb. 8. Juni 1806, gest. 13. Juni 1877, hatte vor 1848 wenig Einfluß auf die öffentlichen Angelegenheiten, wurde aber für liberal gehalten und mit Jubel begrüßt, als ihn der Großherzog 5. März 1848 zum Mitregenten berief; die Wahl Gagerns zum Minister steigerte seine Popularität. Seit 16. Juni 1848 Großherzog, änderte er nach 1850 seine Politik, und unter dem Ministerium Dalwigk (s. d.) erhielt die Kirche, von der Großherzogin, Mathilde von Bayern (geb. 30. Aug. 1813, vermählt 1833, gest. 25. Mai 1862), begünstigt, weitgehende Rechte und Freiheiten auf Kosten des Staates. L. selbst trat hinter dem allmächtigen Minister und dem Bischof von Mainz zurück, nahm 1866 am Kriege gegen Preußen teil, behielt aber infolge der Verwandtschaft mit dem russischen Kaiser sein Land fast unverkürzt, trat für Oberhessen in den Norddeutschen Bund und schloß mit Preußen eine Militärkonvention. 1871 trat er mit dem ganzen Land ins Deutsche Reich ein und entließ 6. April d. J. Dalwigk, worauf mit Hofmanns Eintritt im September 1872 ein völliger Systemwechsel erfolgte. Er starb, seit 1868 morganatisch mit einer Freiin von Hochstätten vermählt, kinderlos.

44) L. IV., Großherzog, geb. 12. Sept. 1837, gest. 13. März 1892, Neffe des vorigen, Sohn des Prinzen Karl von Hessen und der preußischen Prinzessin Elisabeth, trat in das preußische 1. Garderegiment, vermählte sich 1. Juli 1862 mit der zweiten Tochter der Königin Viktoria von England, Prinzessin Alice (gest. 14. Dez. 1878), führte 1866 eine Brigade im hessischen Kontingent, 1870/71 die hessische (25.) Infanteriedivision und blieb auch im Frieden deren Kommandeur, bis er, durch den Tod seines Vaters (20. März 1877) Thronerbe geworden, nach dem Tode seines Oheims, des Großherzogs L. III., 13. Juni 1877 als L. IV. den hessischen Thron bestieg. Er übernahm sodann die 3. Armeeinspektion. 1884 vermählte er sich morganatisch mit Frau v. Kolemine, geborne Gräfin Czapska, doch ward die Ehe kurz darauf gerichtlich wieder getrennt. Seine Kinder erster Ehe sind: sein Nachfolger Ernst Ludwig (s. Ernst 7), die Prinzessinnen Viktoria (geb. 5. April 1863, seit 1884 Gemahlin des Prinzen Ludwig von Battenberg), Elisabeth (geb. 1. Nov. 1864, seit 1884 Gemahlin des russischen Großfürsten Sergij Alexandrowitsch), Irene (geb. 11. Juli 1866, seit 1888 Gemahlin des Prinzen Heinrich von Preußen) und Alix (geb. 6. Juni 1872, seit 1894 als Alexandra Feodorowna Gemahlin des Kaisers Nikolaus II. von Rußland). Vgl. Zernin, L. IV., Großherzog von Hessen (Darmst. 1898).

[Mailand.] 45) L. von Mailand, aus dem Hause Sforza; s. Sforza und Mailand (Geschichte).

[Nassau.] 46) Graf von Nassau-Dietz, geb. 10. Jan. 1538 in Dillenburg, gest. 14. April 1574, Bruder Wilhelms I. (s. d.) von Oranien, folgte diesem nach den Niederlanden, erlangte hier durch seinen edlen, ritterlichen Charakter und seinen frommen Eifer für den Protestantismus große Popularität, schloß sich dem Adelsbund (1565) an und wurde bald eins seiner Häupter, verfaßte 1566 das Kompromiß und war 1567 in Deutschland, hier Hilfe zu suchen, als der neue Statthalter der Niederlande, Herzog von Alba, ankam und ihn vor den Blutrat forderte. Schon im Mai 1568 drang Graf L. mit 14,000 Mann in das Groningerland ein, bemächtigte sich des Schlosses Wedde und schlug die Spanier 23. Mai bei Heiligerlee, mußte sich aber hierauf vor Alba in ein verschanztes Lager bei Jemgum an der untern Ems zurückziehen und erlitt hier 21. Juli eine völlige Niederlage. Er beteiligte sich dann an dem fruchtlosen Heereszug seines Bruders Wilhelm nach Brabant und folgte ihm 1569 zum Admiral Coligny nach Frankreich, wo er an verschiedenen Unternehmungen der Hugenotten teilnahm. Von Karl IX. unterstützt, brachte er im April 1572 ein kleines Heer unter die Waffen und überrumpelte Mons im Hennegau, wurde aber sodann hier von Alba belagert und mußte im September kapitulieren. Er erhielt freien Abzug und kehrte, krank und von den Spaniern mit größter Auszeichnung behandelt, in seine Heimat zurück. 1574 warb er mit französischen Subsidien in Deutschland ein Heer von 8000 Mann zu Fuß und 2000 Reitern, um in Brabant einzufallen, wurde aber von dem spanischen Heer 14. April auf der Mooker Heide geschlagen und starb beim letzten verzweifelten Kampf nebst seinem Bruder Heinrich den Heldentod. Vgl. Ledderhose, Graf L. von Nassau, ein Lebensbild (Norden 1877); Blok, Lodewijk van Nassau (Haag 1889).

[Neapel.] 47) L. von Tarent, König von Neapel, zweiter Sohn des Fürsten Philipp von Tarent, vermählte sich 1346 mit der Königin Johanna I. von Neapel, nachdem deren erster Gemahl, Andreas, 1345 ermordet worden war. 1348 vom König Ludwig von Ungarn mit Johanna vertrieben, kehrte er nach dessen Abzug im Sommer 1350 zurück und wurde 1352 zum König gekrönt. 1356 versuchte er Sizilien[788] zu erobern, verlor aber die gewonnenen Vorteile in den nächsten Jahren wieder. Er starb kinderlos 26. Mai 1362.

48) L. von Anjou, König von Neapel, geb. 1339, gest. 21. Sept. 1384, Sohn des Königs Johann von Frankreich, wurde 1360 von seinem Vater den Engländern als Geisel für die Zahlung der Loskaufssumme überliefert, entfloh aber 1363 aus der Gefangenschaft, kämpfte, von seinem Bruder, König Karl V., zum Statthalter von Languedoc ernannt, mit wechselndem Glück gegen die Engländer, erzwang 1380 nach Karls V. Tod seine Erhebung zum Regenten an des unmündigen Karl VI. Statt, benutzte diese Stellung aber nur, um Geldmittel für seine italienischen Pläne zu sammeln, und stürzte das Reich in große Verwirrung. Von der Königin Johanna I. von Neapel, die Frankreichs Hilfe gegen Ungarn gewinnen wollte, im Juni 1380 adoptiert und zum Thronerben ernannt, begab er sich 1382 nach Italien, nachdem er in Avignon von Papst Clemens VII. gekrönt worden war, und drang in Neapel ein, wo inzwischen Karl von Durazzo Johanna ermordet und sich des Thrones bemächtigt hatte. Im Kampfe gegen Karl erreichte er keine großen Erfolge. Sein Anrecht auf den Thron von Neapel übertrug er auf seinen ältesten Sohn, Ludwig II., der sich 1390 nach Neapel begab, nachdem er von Clemens VII. gekrönt worden war, aber nach zehnjährigem, vergeblichem Kampf gegen König Ladislaus das Land verlassen mußte. Auch ein späterer Versuch Ludwigs, sich im Bunde mit Papst Johann XXIII. und den Florentinern Neapels zu bemächtigen, scheiterte 1412. L. starb 1417 in Angers. Sein Sohn Ludwig III. wurde 1420 von Papst Martin V. für den rechtmäßigen Erben von Neapel nach Johannas II. Tod erklärt, auch 1423 von dieser an Kindes Statt angenommen und zum Herzog von Kalabrien erhoben. Er zog 1424 in Neapel ein, mußte aber den größten Teil des Königreichs in den Händen seines Rivalen Alfons V. von Aragonien lassen. L. starb 24. Nov. 1434 bei Cosenza. Seine Erbansprüche gingen auf seinen Bruder, Herzog René von Lothringen, über.

[Österreich.] 49) L. Joseph Anton, Erzherzog von Österreich, geb. 13. Dez. 1784 in Florenz, gest. 21. Dez. 1864, jüngster Bruder des Kaisers Franz I., stand schon 1809 an der Spitze eines österreichischen Truppenkorps, erlitt aber bei Abensberg 20. April von Napoleon I. eine Niederlage. Hierauf des Kommandos entbunden, wendete er sich dem Studium der Naturwissenschaften zu und unternahm mit seinem Bruder, Erzherzog Johann, größere wissenschaftliche Reisen. 1822 wurde er zum Generaldirektor der Artillerie ernannt. Seit der Thronbesteigung seines Neffen, des Kaisers Ferdinand, 1835 Chef der aus dem Erzherzog Franz Karl, dem Fürsten Metternich und dem Grafen Kolowrat zusammengesetzten geheimen Staatskonferenz, war er ein zäher Anhänger des alten Systems, und zog sich nach den Ereignissen von 1848 ganz aus dem öffentlichen Leben zurück.

50) L. Salvator von Toskana, Erzherzog von Österreich, geb. 4. Aug. 1847 in Florenz, der zweitjüngste Sohn des Großherzogs Leopold II. von Toskana, durch seine Reisen und als geographischer Schriftsteller bekannt. Von Jugend auf dem Studium der Naturwissenschaften ergeben, ausgerüstet mit umfassenden Sprachkenntnissen und einem ausgesprochenen Zeichen- und Maltalent, verwendet er seine bedeutenden Einkünfte fast ausschließlich zu wissenschaftlichen Zwecken und ausgedehnten Forschungsreisen von seinem Wohnsitz in Mallorca aus. Die bedeutendsten, alle von ihm selbst illustrierten und meist anonym erschienenen Werke sind: »Der Djebel Esdnum« (1873); »Levkosia, die Hauptstadt von Cypern« (Prag 1873); »Eine Jachtreise in die Syrten« (das. 1874); »Eine Spazierfahrt im Golf von Korinth« (das. 1876); »Los Angeles in Südkalifornien« (2. Aufl., Würzb. 1885); »Die Karawanenstraße von Ägypten nach Syrien« (Prag 1878); das Prachtwerk »Die Balearen« (Leipz. 1869–91, 7 Bde.; kleine Ausg., Würzb. 1897, 2 Bde.), das auf der Pariser Weltausstellung mit der goldenen Medaille prämiiert wurde; »Die Serben an der Adria« (Leipz. 1870–79,9 Lfgn.); »Um die Welt, ohne zu wollen« (4. Aufl., Würzb. 1886); »Hobarttown oder Sommerfrische in den Antipoden« (Prag 1886); »Lose Blätter aus Abbazia« (Würzb. 1886); »Paxos und Antipaxos« (das. 1887); »Die Liparischen Inseln« (Prag 1897); »Benzert« (das. 1898); »Bougie« (Leipz. 1900); »Ramleh als Winteraufenthalt« (das. 1900); »Helgoland« (2. Aufl., das. 1901); »Zante« (Prag 1904). Erzherzog L. Salvator ist k. u. k. Oberst und Inhaber des 58. österreichischen Infanterieregiments; 1889 wurde er zum Ehrenmitglied der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften erwählt. Vgl. Woerl, Erzherzog L. Salvator als Forscher des Mittelmeers (Leipz. 1899).

51) L. Viktor, Erzherzog von Österreich, geb. 15. Mai 1842 in Wien, jüngster Bruder Kaiser Franz Josephs I., Feldzeugmeister und Inhaber des k. u. k. Infanterieregiments Nr. 65, lebte früher in Wien, jetzt bei Salzburg; er ist unvermählt.

[Pfalz.] 52) L. III., Kurfürst von der Pfalz, geb. 1378, gest. 1436, Sohn des deutschen Königs Ruprecht, wurde 1401, als sein Vater nach Italien zog, von ihm zum Reichsverweser in Deutschland bestellt, hatte mit fortwährenden Fehden zu kämpfen, folgte 1410 seinem Vater in der Kurwürde, nahm am Konstanzer Konzil teil, hielt den abgesetzten Papst Johann XXIII. in Heidelberg gefangen und geleitete Hus auf den Richtplatz. Anfangs ein treuer Anhänger Siegmunds, den er mit gewählt hatte, schloß er sich später der fürstlichen Opposition an und entzog sich dem Reichskrieg gegen die Hussiten. Ihm folgte sein Sohn Ludwig IV. 1437–49. Vgl. Eberhard, L. III., Kurfürst von der Pfalz und das Reich (Gießen 1896).

53) L. V., Kurfürst von der Pfalz, geb. 2. Juli 1478, gest. 16. März 1544, Sohn des Kurfürsten Philipp, folgte diesem 1508, hatte 1523 mit Sickingen, 1525 mit einem Aufstande der Bauern zu kämpfen, duldete die Ausbreitung der Reformation in seinem Land und starb nach segensreicher Regierung kinderlos.

54) L. VI., Kurfürst von der Pfalz, geb. 1539, gest. 12. Okt. 1583, Sohn Friedrichs III., folgte diesem 1576, führte die lutherische Lehre und die Konkordienformel in der Pfalz ein und veranlaßte hierdurch kirchliche Streitigkeiten.

[Portugal.] 55) L. I. Philipp Maria Ferdinando etc., König von Portugal, Herzog zu Sachsen, geb. 31. Okt. 1838, gest. 19. Okt. 1889, Sohn des Königs Ferdinand, Prinzen von Koburg, und der Königin Maria II. da Gloria, führte als Prinz den Titel Herzog von Oporto, trat in die Marine ein und bestieg nach dem Tode seines Bruders Pedro V. 11. Nov. 1861 den portugiesischen Thron. Vermählt war er seit 6. Okt. 1862 mit Maria Pia, Tochter des Königs Viktor Emanuel von Italien, die[789] ihm zwei Söhne, den Kronprinzen Karl (geb. 28. Sept. 1863) und den Prinzen Alfons (geb. 31. Juli 1865), gebar. Er starb in Cascaes bei Lissabon an den Folgen einer Typhuserkrankung, welche die meisten Mitglieder der königlichen Familie hinweggerafft hatte.

[Preußen.] 56) L. Friedrich Christian, gewöhnlich Louis Ferdinand, auch Prinz Louis genannt, Prinz von Preußen, geb. 18. Nov. 1772, gest. 10. Okt. 1806, Sohn des Prinzen Ferdinand, Bruders Friedrichs d. Gr., bekundete, von französischen Erziehern herangebildet, früh Geist, aber auch ein exzentrisches Wesen und ungezügelte Sinnlichkeit, die ihn in viele galante Abenteuer verwickelte. 1792 folgte er dem Heer an den Rhein, erstürmte bei der Belagerung von Mainz an der Spitze seines Regiments die Verschanzungen von Zahlbach und wurde wegen seiner persönlichen Tapferkeit zum Generalmajor ernannt. Auch 1794 in der Pfalz zeichnete er sich aus. Nach dem Frieden von 1795 beschäftigte sich L. in der Einsamkeit des Garnisonlebens wieder mit der Kunst, besonders der Musik, zog sich wegen seiner häufigen Reisen, seiner unbesonnenen Reden und seiner Verschwendung wiederholt Rügen des Königs zu und wurde endlich 1800 arretiert und nach Magdeburg geführt. Doch durfte er bald nach Berlin kommen, wo er durch seine Liebenswürdigkeit und seinen Geist die Gesellschaft entzückte, aber auch seine militärische Ausbildung betrieb und für ein Bündnis mit Österreich gegen Frankreich wirkte. 1806 erhielt er den Befehl über die Avantgarde des Fürsten von Hohenlohe und lagerte mit seinen 8000 Mann bei Saalfeld mit dem Auftrag, einem Gefecht auszuweichen. Trotzdem nahm er gegen einen doppelt überlegenen Feind 10. Okt. den Kampf an, der mit Vernichtung seines Korps endete, und um nicht dieses Mißgeschick zu überleben, suchte und fand er nach tapferer Gegenwehr im Getümmel den Tod. Die Stätte, wo L. fiel, bezeichnet seit 1823 ein Denkmal. 1889 erhielt ihm zu Ehren das 2. magdeburgische Infanterieregiment Nr. 27 den Namen Infanterieregiment Prinz Louis Ferdinand von Preußen. Aus seinem Verhältnis mit Henriette Fromm hinterließ er zwei Kinder, die 1810 den Namen »von Wildenbruch« erhielten; der Dichter Ernst von Wildenbruch (s. d.) ist sein Enkel. Vgl. Büchner, L. Ferdinand, Prinz von Preußen, Briefe an Pauline Wiesel etc. (Leipz. 1865); v. Hymmen, Prinz Louis Ferdinand (Berl. 1894); Heinke, Prinz Louis Ferdinand von Preußen, ein Erinnerungsblatt (das. 1898). Fanny Lewald hat einen Roman über L. geschrieben (»Prinz L. Ferdinand«, 2. Aufl., Berl. 1859, 3 Bde.), R. Bunge ein Epos (das. 1894).

[Thüringen.] 57) L. der Springer, Graf von Thüringen, gest. 6. Mai 1123 in Reinhardsbrunn, war der Sohn Ludwigs des Bärtigen, des Ahnherrn des ersten thüringischen Landgrafenhauses, der aus dem fränkischen Mainlande nach Thüringen eingewandert war und um 1080 starb. Als Anhänger der strengkirchlichen Partei und Gegner einer starken Königsgewalt begründete L. die Machtstellung seines Hauses in Thüringen, gewann wahrscheinlich durch Verdrängung des rechtmäßigen Eigentümers im sächsisch-thüringischen Aufstand 1073 den Wartberg bei Eisenach, erbaute dort die Wartburg sowie in gleich unrechtmäßiger Weise auf dem Grund und Boden seines Stiefsohnes die Neuenburg oberhalb Freyburg an der Unstrut. Sie beide bildeten zusammen mit Eckartsberga, das ihm 1122 Heinrich V. verlieh, die Eckpfeiler der spätern landgräflichen Macht. Wie L. stets gegen Heinrich IV. Partei genommen hatte, so fehlte er auch nicht bei der Opposition, als Heinrichs V. Stellung sich befestigt hatte. Letzterer hat sich zweimal Ludwigs Person bemächtigt und ihn 1114–16 gefangen gehalten; wo, ist unbekannt. Erst 1122 erfolgte die Aussöhnung. Die Sage erzählt von einer Gefangenschaft Ludwigs auf der Burg Giebichenstein bei Halle und von einem rettenden Sprung in die Saale. Aber diese Erzählung taucht erst 200 Jahre nach seinem Tod auf, der Beiname »der Springer« noch wieder 100 Jahre später, zuerst in deutschen Chroniken. Die Sage läßt die Gefangenschaft von Heinrich IV. verhängt werden zur Strafe für die Ermordung Pfalzgraf Friedrichs von Sachsen im Februar 1085. Diese Tat hat L. nicht persönlich verübt, sondern durch zwei Ritter, und L. heiratete zwar die schöne Witwe Adelheid, stiftete aber noch in demselben Jahre das Kloster Reinhardsbrunn, das er mit Hirsauer Mönchen, den geschwornen Feinden Heinrichs IV., bevölkerte. Acht Monate vor seinem Tode wurde L. Mönch in Reinhardsbrunn. – Sein Sohn L. gelangte dank seiner Vermählung mit Hedwig, der Erbtochter des hessischen Grafenhauses der Gisonen (von Gudensberg), in den Besitz vieler hessischen Allodien, Kirchenlehen und Kirchenvogteien und weiter 1130 durch Gunst Kaiser Lothars zur Gewalt und Würde eines Landgrafen von Thüringen, heißt als solcher L. I., schloß sich in dem nach Lothars Tode zwischen Welfen und Staufern entbrannten Streite den letztern an und starb 1140.

58) L. II., der Eiserne, Landgraf von Thüringen seit 1140, geb. um 1128, gest. 1172 auf der Neuenburg, Sohn Ludwigs I. L. heiratete Jutta, die Nichte König Konrads III. und spielte als Schwager Kaiser Friedrichs I. sowie durch eigne Tüchtigkeit eine Rolle unter den Fürsten seiner Zeit, begleitete auch den Kaiser 1157 nach Polen sowie 1158 und 1161 nach Italien. Der alte Gegensatz der Landgrafen zum Erzstift Mainz und kaiserlicher Wunsch verwickelte L. 1165 in Krieg mit dem Mainzer Erzbischof Konrad von Wittelsbach; 1166–68 beteiligte er sich an den Kämpfen des Fürstenbundes gegen Heinrich den Löwen. 1172 zog er nochmals mit dem Kaiser gegen Polen und starb bald darauf. An einen in seine letzte Lebenszeit fallenden Besuch des Kaisers auf der Neuenburg bei Freyburg a. U. knüpft sich die (Wander-) Sage von der lebendigen Mauer, welche die getreuen Vasallen statt der vom Kaiser vermißten steinernen Mauer um die Burg bilden. Die spätere volkstümliche Überlieferung des 15. Jahrh. machte L. nach erfolgter Mahnung des Schmiedes von RuhlaLandgraf, werde hart!«) zum strengen Gebieter der die Armen bedrückenden Großen; er habe sich nur durch die eiserne Rüstung vor ihren Anschlägen schützen können und daher stammt sein Name »der Eiserne«.

59) L. III., der Fromme, Landgraf von Thüringen, gest. 16. Okt. 1190, Sohn des vorigen, folgte ihm 1172 und vereinigte mit Fürsorge für die Klöster und Ergebenheit gegen die Kurie (daher sein Beiname) eine nie verletzte Treue gegen den Kaiser, wahrte auch kirchlichen Instituten gegenüber stets seine Rechte. Vorher oft siegreich, unterlag er trotz aller Tapferkeit Heinrich dem Löwen. Bei Weißensee 14. Mai 1180 geschlagen und gefangen, wurde er von dem inzwischen selbst gestürzten Welfen im Sommer 1181 wieder freigelassen. Die ihm 1180 nach dem Aussterben der Pfalzgrafen von Sommersenburg übertragene Pfalzgrafschaft Sachsen überließ er[790] jetzt seinem Bruder Hermann. Kämpfe gegen Erzbischof Konrad von Mainz und den Markgrafen von Meißen sowie seine Stellungnahme gegenüber dem Kaiser verraten sein Selbstgefühl. Zur Beteiligung am dritten Kreuzzuge nahm er selbständig seinen Weg durch Italien, verrichtete vor Akkon Heldentaten, wurde aber durch Krankheit zur Rückkehr gezwungen und starb auf Cypern. Da er ohne Sohn war, folgte ihm sein Bruder Hermann I. (s. Hermann 6).

60) L. IV., der Heilige, Landgraf von Thüringen, geb. 1200, gest. 11. Sept. 1227, ältester Sohn Hermanns I., folgte seinem Vater 1217. Die angesehenste Gestalt unter den thüringischen Landgrafen der ältern Reihe, hervorragend als Reichs- und Landesfürst sowie als Kriegsmann, war er kirchlich und fromm und doch in weltlichen Dingen unbefangen und nüchtern. Nach Kämpfen mit Mainz wurde L. durch die Vormundschaft über seinen Schwestersohn, Heinrich den Erlauchten von Meißen, nach Osten abgelenkt und entwand 1225 Lebus an der Oder den Polen. Überall finden wir ihn im Dienste Kaiser Friedrichs II.; vielleicht schon 1224 hatte ihm dieser die Anwartschaft auf Meißen und die Lausitz, die Lande seines Neffen, falls dieser ohne Erben stürbe, gewährt, während L. die Teilnahme an dem von Friedrich gelobten Kreuzzuge versprach. In Brindisi erkrankte er jedoch und starb zu Otranto. Seine Gebeine wurden nach Reinhardsbrunn gebracht, wo sie später Wunder taten. L. ist »Heiliger« von Volkes Gnaden als Gemahl Elisabeths von Ungarn (s. Elisabeth 15), deren asketische Frömmigkeit und Freigebigkeit er weitherzig duldete. Konrad von Marburg, ihr strenger Beichtvater, war sein Vertrauensmann. Aus der Ehe gingen hervor Hermann II. (geb. 1222, gest. 1241), dem Heinrich Raspe, Ludwigs Bruder und Nachfolger, in den letzten drei Jahren seines Lebens die selbständige Waltung in Hessen überließ, Sophie von Brabant, die Mutter des ersten hessischen Landgrafen, und Gertrud, Äbtissin von Altenberg bei Wetzlar.

[Ungarn.] 61) L. I., der Große, König von Ungarn, geb. 5. März 1326, gest. 11. Sept. 1382 in Tyrnau, Sohn des Königs Karl Robert von Ungarn und der Elisabeth von Polen, folgte seinem Vater 1342 auf dem ungarischen Thron. Er unterstützte 1345 seinen Oheim Kasimir von Polen gegen König Johann von Böhmen, eilte auf die Nachricht von der Ermordung seines Bruders Andreas, Königs von Neapel (1347), dahin, eroberte dieses 1348, gab aber 1350 nach dem zweiten Zuge die Eroberung wieder auf. Darauf sicherte er Polen, auf das ihm die Anwartschaft zustand, als Bundesgenosse Kasimirs durch glückliche Kriege gegen Litauer und Tataren, machte die Walachen aufs neue zinspflichtig, eroberte Rotrußland, das er mit Wahrung seiner Rechte an Kasimir überließ, und entriß 1358 den Venezianern Dalmatien, die ihm nach einem zweiten, im Bunde mit Genua unternommenen Kriege (1381) sogar Tribut zahlen mußten. Als er 1370 nach dem Tode Kasimirs auch zum König von Polen erwählt wurde, erstreckte sich sein Reich von der Ostsee beinahe bis zum Schwarzen und Adriatischen Meer. In den seiner Oberhoheit unterworfenen Süddonauländern und in Bosnien suchte er als »Fahnenträger der Kirche« mit Eifer die Kultur durch Verbreitung des Christentums (an Stelle des Bogumilistentums), durch Kolonisationen und gute Gesetze zu heben. Auch in Ungarn wurden Schulen gegründet (1367 Gründung der ersten ungarischen Universität in Fünfkirchen) und der Bergbau, Handel und Gewerbe hoben sich. Sein glänzender Hof zu Visegrád wurde von vielen fahrenden Rittern und Sängern (Suchenwirt) aufgesucht. Weniger segensreich war seine Regierung für Polen, wo er, um die Thronfolge zu erlangen, den Magnaten große Rechte einräumen mußte. Überdies überließ er die Regentschaft seiner Mutter Elisabeth, die sich von Günstlingen beherrschen ließ. Vor seinem Tode hatte L. die Erbfolge seiner Tochter Maria, die mit dem 14jährigen Kurfürsten Siegmund von Brandenburg, Karls IV. Sohn, verlobt war, in Ungarn und Polen zur Anerkennung gebracht. Nach seinem Ableben erhoben aber die Polen seine jüngere Tochter, Hedwig, auf den Thron, und nur die Ungarn huldigen Maria. Vgl. A. Pór, L. I. von Ungarn (ungar., Budapest 1893).

62) L. II., König von Ungarn, geb. 1. Juli 1506, aus dem Hause der Jagellonen, Sohn Wladislaws II., folgte seinem Vater 1516 in den Königreichen Ungarn und Böhmen. Er wurde von seinem Vormund Georg von Brandenburg schlecht erzogen und war, auch nachdem er 1521 die Regierung übernommen hatte, unfähig, die königliche Macht gegen die um die Herrschaft ringenden Adelsparteien zu behaupten. Am 29. Aug. 1526 wurde L. samt seinem Heer bei Mohács von Suleiman d. Gr. geschlagen und ertrank auf der Flucht im Bache Csele, ohne Kinder zu hinterlassen. Vermählt war er seit 1522 mit Maria, der Schwester Kaiser Karls V. Sein Erbe wurde der Gemahl seiner Schwester Anna, Erzherzog Ferdinand. Vgl. Arras, Regestenbeiträge zur Geschichte Ludwigs II. von Ungarn und Böhmen (Bautzen 1893).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 773-791.
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