Auflösung

[93] Auflösung, eine Verfügung der Regierung, die sämtlichen Mitgliedern einer gewählten Versammlung (Parlament etc.) ihre Mitgliedschaft entzieht und damit die Notwendigkeit einer Neuwahl herbeiführt. Die A. wird insbes. dann verfügt, wenn zweifelhaft ist, ob die Versammlung noch wirklich den Willen der Wähler darstellt. Die Befugnis zur A. ist besonders parlamentarischen Körperschaften gegenüber ein wichtiges Recht der Krone; doch ist ein solches Recht auch in Ansehung von Gemeindekollegien, Kirchenvorständen u. dgl. den Aufsichtsbehörden nicht selten eingeräumt. Durch die A. werden nur die gewählten Mitglieder der Kammer und nicht diejenigen getroffen, die kraft erblichen Rechtes oder auf Grund einer Ernennung auf Lebenszeit der Kammer, insbes. der Ersten Kammer, angehören. Die A. bewirkt den Schluß der Session und die Neuwahl auf eine anderweitige volle Wahlperiode. Nur ausnahmsweise (in Oldenburg und Sachsen-Koburg-Gotha) findet sich die Bestimmung, daß die Neuwahlen nur für den Rest der Wahlperiode stattfinden sollen. Regelmäßig ist in den Verfassungen eine Frist vorgesehen, binnen deren im Fall einer A. die Neuwahlen vorgenommen, sowie eine weitere Frist, innerhalb deren die neugewählten Volksvertreter versammelt werden müssen. In Österreich besteht eine derartige Bestimmung nicht; in Preußen sind die Wähler binnen 60 und die Kammern binnen 90 Tagen nach der A. zu versammeln (Verfassungsurkunde, Art. 53). Diese Bestimmung ist auch in die deutsche Reichsverfassung (Art. 25) über gegangen. Die A. des Reichstags (Art. 24) setzt einen Beschluß des Bundesrats unter Zustimmung des Kaisers voraus. – In der Mathematik das Verfahren, wodurch das Gesuchte erhalten wird. – Über A. in der Chemies. Lösung; in der Medizin eine[93] gewisse Zersetzung des Blutes (s. Septichämie); das allmähliche Sinken der Kräfte und das Herannahen des Todes; manche Erweichungsvorgänge, z. B. Verfettung und Verflüssigung krankhafter Ausschwitzungen und deren Aufsaugung (s. Resorption). – In der Technik ist A. ein Mühlenprodukt (s. Mühlen). – In der Musik ist A. die befriedigende Fortschreitung eines dissonanten Tones, bez. Akkords (vgl. Akkord). Auch versteht man unter A. die Wiederaufhebung von Versetzungszeichen (♯♭ x ♭♭) durch das Auflösungszeichen (♮).

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 93-94.
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