Bastille

[438] Bastille (spr. -īj'), ursprünglich in Frankreich Name der festen, mit Türmen oder Bastionen versehenen Schlösser, dann vornehmlich der Name der einst am Tor St.-Antoine zu Paris gelegenen Zwingburg, deren Bau 1369 auf Befehl König Karls V. durch den Pariser Bürgermeister Hugues Aubriot begonnen und 1383 unter Karl VI. vollendet wurde. Sie sollte ursprünglich ein Bollwerk gegen die Engländer sein, wurde jedoch seit 1397 gelegentlich auch als Staatsgefängnis benutzt und im 16. und 17. Jahrh. bedeutend erweitert. Am schrecklichsten waren die unterirdischen Kerker der B., die sich 19 Fuß unter der Fläche des Hofraums befanden und feuchte, grabähnliche Höhlen (cachots) waren. Als regelmäßiges Staatsgefängnis diente die B. seit Richelieu. Zumeist war sie unter ihm von militärischen oder politischen Gefangenen bevölkert. Unter Ludwig XIV. wurden vorzugsweise Protestanten, Jansenisten, Spione, Zeitungs- und Pamphletschreiber sowie vornehmere Angeklagte in die B. gesteckt. Seit der zweiten Hälfte von Ludwigs XIV. Regierung mehrte sich die Zahl derer, die ohne Verschulden, als Opfer der Ränke einer einflußreichen Persönlichkeit dorthin gesandt wurden. Eine Lettre de cachet, auf Wunsch eines hochgestellten Mannes oder einer Maitresse gegeben, genügte, einen ganz Unschuldigen in der B. schmachten zu lassen. Nahrung und Kleidung der Gefangenen waren meist reichlich, bei Vornehmern sogar üppig und kostspielig für die Regierung. Die Zahl der Gefangenen in der B. stieg mitunter auf 40–60 und darüber, ja 1741 enthielten ihre Kerker 71,1755: 70 Bewohner. Unter dem milden Ludwig XVI. verminderte sich die Zahl der Gefangenen, so daß jährlich nur etwa 16 hineinkamen, von denen viele nur wenige Tage dort blieben; man fand bei der Erstürmung der B. nur 7 vor: 4 davon saßen als wirkliche Verbrecher wegen Wechselfälschung, ein andrer war wahnsinnig geworden. Seit langem hatte man in der B. einen Mittel- und Stützpunkt für die Tyrannei des Königtums gesehen; daher strömte bei Beginn der französischen Revolution die durch die Entlassung Neckers aufgeregte Menge 14. Juli 1789 zusammen, um sie zu zerstören. Die B. wurde von 80 Invaliden und 40 Schweizern unter dem Gouverneur de Launay verteidigt. Nach mehrstündigem Feuern, in dem einige aus der Volksmenge getötet oder schwer verwundet wurden, unternahmen die Bürger, durch einige Soldaten verstärkt, einen Angriff, worauf sich de Launay gegen die Bedingung freien Abzugs ergab, aber nebst mehreren seiner Leute von der rohen Menge ermordet ward. Gleich am folgenden Tag schritt man unter dem Jubel des Volkes zur Zerstörung der Feste. Vgl. Linguet, Mémoires sur la B. (Lond. 1783; neue Ausg., Par. 1864); Delort, Histoire de la B. (das. 1827); Arnould und Alboise, Histoire de la B. (1843–45, 8 Bde.); v. Bojanowski, Die Erstürmung der B. (Weim. 1865, nach einem schon 1793 deutsch veröffentlichten Bericht von Pitra); Funck-Brentano, Légendes et archives de la B. (4. Aufl. das. 1900: deutsch, Bresl. 1899); Bournon, La B. 1370–1789 (Par. 1893). Die »Archives de la B., documents inédits« wurden von Ravaisson herausgegeben (1866–92, 17 Bde., bis 1757 reichend).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 438.
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